Worauf es ankommt

Porsche 911 Carrera S: Solide Extra-Zentimeter

Motor
06.11.2012 23:13
Das Schöne am Porsche 911: Er ist einer von diesen mit jeder Faser begehrenswerten Sportwagen - und hat doch etwas Solides. Keine Websites über ungeklärte kapitale Unfälle, keine Meldungen über spontan in Flammen aufgegangene Fahrzeuge. Pure Freude an der Ikone, in aller Sportlichkeit. Ich hatte den Porsche Carrera 911 S, wobei "S" nicht für "solide" steht, sondern für 400 PS.
(Bild: kmm)

In dieser Liga heißt es "mehr ist mehr". Also leistet der 3,8-Liter-Sechszylinder-Boxer im Heck jetzt 400 statt 385 PS und liefert 440 statt 420 Nm als maximales Drehmoment, allerdings erst bei 5.600/min. Und auch wenn es auf die Länge bekanntlich nicht ankommt: Der 911er der siebten Generation (genannt 991) bringt fünf Zentimeter mehr mit, der Radstand wuchs gar um 10 Zentimeter auf 2,45 Meter. Macht unterm Strich kürzere Überhänge und einen leicht gestreckten Auftritt.

Crisis? What Crisis?
Es hat eine elektronische Handbremse Einzug gehalten, aber kein Startknopf: Gestartet wird weiterhin, indem man den Zündschlüssel links vom Lenkrad ins Schloss steckt und dreht. Wenn die Nackenhaare dann noch nicht stehen, gebe man Gas. Stehen sie noch immer nicht, drücke man zusätzlich das Knopferl für den Auspuffsound. Aber Vorsicht, dann wird es umso schwerer den Gasfuß im Zaum zu halten, weil man den Zuffenhausener einfach nur noch schreien und röcheln hören will. Man darf auch in der Midlife Crisis mal pubertär unterwegs sein.

Das Fahrwerk macht die Orgie auch voll mit (Dynamic Chassis Control um 3.700 Euro an Bord), der Neue liegt noch besser als der alte. Porsche verweist auf einen Nordschleifenzeitgewinn von 14 Sekunden (7:40 min.) im Vergleich zum 997er, und der längere Radstand hat mir in engen Kurven auch keine grauen Haare wachsen lassen. Das Fahrwerk lässt sich von hart auf sehr hart schalten, der Motor spricht unter "Sport plus" direkt auf Gehirnströme an, wenn sie vorher den Gasfuß passieren, das Siebengang-PDK (Porsche Doppelkupplungsgetriebe), das der Testwagen statt des serienmäßigen manuellen Siebenganggetriebes hat, schaltet sehr schnell und ebenso angenehm. Man merkt, dass es Sport will, etwa daran, dass es sich ein wenig Zeit lässt, bis es im höchsten Gang angekommen ist, wenn man nach dem Beschleunigen einfach auf der Landstraße brav dahincruisen will. Schalten kann man auch sequentiell mit den Porsche-typischen zarten Tasten am Lenkrad (Schaltpaddles könnte man auch bestellen) oder man knallt die Gänge per Schalthebel rein.

Das kann man, muss aber nicht, denn auch die beiden Automatik-Modi leisten einwandfreie Arbeit und unterstützen die Fahrmaschine dabei, ihre beiden Insassen (und die Jacken auf den Rücksitzen) in die Lehnen zu pressen. Phantastisch schnell schaltet das PDK etwa auch mehrere Gänge runter, direkt, ohne Umwege. Ist es Zufall, dass die Sitze von hinten betrachtet Ähnlichkeit mit denen einer Achterbahn haben? Jedenfalls geht es mit dem optionalen Sport-Chrono-Paket in 4,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h und in 13,6 Sekunden auf Tempo 200 (ohne sind es zwei bzw. drei Zehntel weniger). Als Höchsttempo gibt Porsche mit PDK 302 km/h an, ohne 304 km/h (jeweils zwei km/h mehr als der Vorgänger). Immer dabei: Der bestechende Sound, der dich vorwärtstreibt.

Nicht ganz die reine Freude ist die Lenkung, die es um die Mittellage mit der Exaktheit nicht so genau nimmt. Eine technische Überprüfung ergab keinen Fehler, ein Porsche-Mitarbeiter meinte "ja, sie hat ein wenig ein Spiel, aber ich finde es subjektiv gesehen nicht so schlimm". Ich lasse das mal so stehen.

Der 911er ist auch ein guter Segler
Freude kommt wieder beim Verbrauch auf. Laut Norm sind es 8,7 statt früher 10,1 Liter im Schnitt. Tatsächlich waren es elf Liter im Test, was angesichts des Gebotenen voll in Ordnung geht. Allerdings zahlt man mit Super Plus einen Expresszuschlag. Beim Dahingleiten findet man sich immer wieder im Freilauf, das heißt man segelt quasi ausgekuppelt fast mit Nullverbrauch über die Autobahn, wenn man vom Gas geht. Das gehört genauso zum Spritsparen à la 911er wie die Start-Stopp-Automatik. Über diese muss man wissen: Sie ist abschaltbar.

Wer einmal in einem 911er gesessen ist, kennt sich aus. Die Bedienung ist schnell gelernt, die Menüführung am Touchscreen ist logisch. Allerdings sind die vielen Tasten klein und fummelig, Feingeister sind hier im Vorteil. Und Menschen, die keinen Krimskrams dabei haben, denn Ablagen sind Mangelware.

Bei 122.220 Euro würde der Spaß mit dem Porsche 911 S anfangen, ohne Sitzheizung, aber mit Klappenauspuffanlage für den Sound. Der Testwagen kommt auf gut 160.000, weil man einen 911er mit Extras geradezu auffetten muss: z.B. PDK (wegen besserem NoVA-Satz eh nur gut 1.000 Euro), Burmester-Surround-Anlage (5.000), adaptive Sportsitze in Leder (7.500), Sportauspuffanlage (3.000), SportChronoPaket (2.300), Panoramaglasschiebedach (1.900) über Sitzbelüftung (1.200) bis hin zum adaptiven Fahrwerk (3.700).

Damit wird aus dem Porsche 911 S zwar schnell ein 911 $, aber wenn schon, denn schon. Manchmal kommt es eben wirklich nicht auf die Länge an, sondern auf den Kontostand.

Warum?

  • Weil das S für Spaß, Sport oder Solidität stehen kann.
  • Nur ein 911er ist ein 911er.

Warum nicht?

Lenkung um die Mittellage zu unexakt.

Oder vielleicht …

… tut's ja auch der 911er ohne S, mit 50 PS und 17.000 Euro weniger. Oder der 4S. Oder auf den Turbo warten. Ansonsten: Siehe "warum?"

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(Bild: kmm)



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