High Tech an Bord

Neuer Ford Focus Traveller: Der Surfer unter den Kombis

Motor
13.06.2011 15:31
Ford bringt die Kombiversion des neuen Focus, und das mit einer großen Klappe – nicht nur was den Laderaum betrifft: Die Kölner proklamieren den Anspruch, im C-Segment die Besten zu sein. Bei der Präsentation am Wörthersee beweist der "Traveller", dass er tatsächlich einiges zu bieten hat.
(Bild: kmm)

Das beginnt schon beim Auftritt: Erwachsen, sportlich und elegant sind Attribute, mit denen sich die Optik der 4,56 Meter langen Karosserie beschreiben lässt, ein Gesamtkunstwerk, dessen Linienführung Dynamik verspricht, auch wenn sie nicht an jeder Stelle hundertprozentig schlüssig ist (bisweilen vermutet man auf den ersten Blick eine Delle im Blech, wo aber bei genauerer Betrachtung keine ist). Im optischen Vergleich regt der Golf-Platzhirsch eher zum Gähnen an.

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Das "Kinetic Design", wie das bei Ford heißt, verspricht nicht zu viel, die Dynamik setzt sich im Fahrwerk fort, das in diesem Segment ganz vorn dabei ist. Auf holprigen Straßen bügelt die neue Focus-Generation Schlaglöcher derart souverän weg, dass man sich wundert, wie sportlich sich der Ford andererseits fährt. Ein Kompromiss, der keiner ist. Die neu entwickelte elektrische Servolenkung ist präzise und direkt, aber nicht nervös, gibt ordentliches Feedback. Insgesamt ist das Verhältnis zur Straße von verbindlicher Klarheit geprägt. Dazu trägt auch die serienmäßige Fahrdynamik-Regelung Torque Vectoring Control (TVC) bei. Das Sechsganggetriebe schaltet sich so exakt, dass der Eindruck entsteht, der Schalthebel wird von Magneten geführt.

Herausragende Fahrerassistenzsysteme
In dieser Klasse absolut unüblich ist die Menge an Fahrerassistenzsystemen, die Ford im Focus anbietet. Ford-Österreich-Chef Steffen Knapp spricht von 22 Helferleins beim Traveller, von elf beim VW Golf und neun beim Opel Astra. Ich habe sie nicht einzeln nachgezählt, aber der Ford Focus lässt sich zum echten Tausendsassa aufrüsten.

So warnt der Focus, wenn der Fahrer müde wird; Ultraschallsensoren helfen beim Einparken oder lassen den Parkassistenten sogar selbständig lenken, während der Fahrer nur Gas gibt und bremst. Ziemlich spooky, wenn sich das Lenkrad plötzlich von selbst dreht und der Wagen in eine Parklücke gleitet (die Sensoren erkennen eine Lücke übrigens dann als passend, wenn sie mindestens 1,2-mal so lang ist wie das Auto).

Mit Radarsensoren arbeiten der Toter-Winkel-Assistent, der adaptive Tempomat (hält den Abstand zum Vordermann) und das Auffahrwarnsystem, außerdem "Active City Stop", das den Wagen bis zu einem Tempo von etwa 15 km/h zuverlässig anhält, wenn der Fahrer vor einem Hindernis nicht reagiert, weil er etwa abgelenkt ist. Bei der Präsentation wurde eigentlich eine maximal mögliche Geschwindigkeit vor dem Stopp von 30 km/h versprochen, doch im Test scheiterte das System ab 20 km/h laut Tacho (zum Glück war das Hindernis harmlos).

Surfen an der Linie
Der Fahrspurassistent hat hier mehr zu bieten, als es bei anderen Fabrikaten gemeinhin üblich ist. Hier wie dort erkennt ein optischer Sensor, wenn ohne Blinker eine Leitlinie überfahren wird. Im Unterschied zum sonst Üblichen hat der Fahrer hier die Wahl, ob der Focus dann nur am Lenkrad rütteln oder sogar aktiv gegenlenken soll. Als Spielerei ist es eine Zeitlang recht witzig, mit dem Spurhalte-Assistenten an den Linien entlangzusurfen, bis der Müdigkeitswarner glaubt, der Fahrer braucht dringend eine Pause. Auf Dauer widerstrebt es mir, wenn mir jemand ins Lenkrad greift, aber es ist prinzipiell nicht schlecht, die Wahl zu haben.

Der Verkehrszeichenassistent erkennt Tempolimits und Überholverbote.

Neun Motoren zur Wahl
Ford bietet ganze neun Motoren an, wobei zwei Selbstzünder mit identischer Leistung, aber unterschiedlichem Hubraum darunter sind: Der 115-PS-Diesel hat mit Automatik 2 Liter, in Kombination mit Schaltgetriebe 1,6 Liter. Letzterer ist eine der drei Varianten, die ich auszuprobieren die Gelegenheit hatte. Er geht nach rauem Kaltstart kultiviert zur Sache, holt die Kraft schon aus dem Keller (285 Nm bei 1.750/min.) und begnügt sich mit knapp über vier Litern im Normschnitt. Der Ford Focus Traveller ist damit absolut gut motorisiert.

Der Topdiesel schöpft 163 PS aus zwei Liter Hubraum, benötigt aber 2.000/min., um sein maximales Drehmoment von 340 Nm abzuliefern. In Verbindung mit dem Doppelkupplungsgetriebe wirkt er dadurch träger, als es die Leistung verspricht.

Die Spaßversion unter den dreien ist der 1,6-Liter-Turbobenziner mit 150 PS und dem Beinamen EcoBoost. Der ist spritzig, hängt gut am Gas, kennt kein Turboloch und ist mit einem Normverbrauch von 6 l/100 km (139 g/km CO2) auch noch sparsam.

Außerdem gibt es Benziner mit 105, 125 und 182 PS und einen 140-PS-Diesel. In Planung sind eine sportliche ST-Version, letztlich auch Hybrid- und Elektroversionen.

Komfortabel unterwegs
Man sitzt bequem im Ford Focus, auch auf der Rückbank (ich kann mit meinen 1,88 m sogar "hinter mir" sitzen). Der Innenraum wirkt teilweise hochwertig, teilweise wirkt das Plastik billig, etwa am Multifunktionslenkrad. Das Styling ist mir etwas zu bemüht spacig geraten. Die Bedienung bedarf einer gewissen Gewöhnungszeit, ist aber trotz der Vielzahl an Knöpfen kein Buch mit sieben Siegeln. Vor allem wenn man in Sachen elektronische Assistenten aus dem Vollen schöpft, ist ja auch einiges an Funktionen unterzubringen.

Das Multifunktionsdisplay ist äußerst informativ, da der Bordcomputer Informationen nicht nur einzeln hergibt, sondern vier Werte gleichzeitig darstellen kann. Die Zeiger von Tacho und Drehzahlmesser sind lustig hellblau, was wir angeblich den Indern zu verdanken haben. Da der Focus als Weltauto konzipiert ist und im Wesentlichen unverändert in 120 Ländern verkauft werden soll, hat Ford versucht, sich auf möglichst viele Märkte genau einzustellen. Und Inder stehen offenbar auf bleue Zeiger.

Für alle gleich ist auch der Kofferraum, der 490 Liter bzw. 1.516 Liter (mit ebener Ladefläche) fasst. Die Heckklappe schwingt weit auf, lässt sich mit zwei massiven Griffen innen schließen, die Ladekante ist problemlos niedrig.

Klima kostet extra
Ford-Chef Knapp betont stolz, dass schon die Basisausstattung des Focus Traveller namens Ambiente (ab 18.600 Euro) komplett ist, etwa mit elektrisch verstellbaren Außenspiegeln, Bordcomputer, Zentralverriegelung mit Fernbedienung, elektrischen Fensterhebern, Kopf-Schulter-Airbags vorn und hinten, ISOFIX-Halterungen etc. Dass eine Klimaanlage da noch nicht dabei ist, lässt sich nur mit dem Lockruf des nächsthöheren Ausstattungslevels "Trend" (ab 19.900 Euro) erklären. Die elektronischen Assistenten sind in Ausstattungspaketen zusammengefasst.

Unterm Strich ist der Ford Focus Traveller ein schöner, sehr fahraktiver und sicherer Kompaktkombi, der obendrein günstig ist. Eine echte Ansage im C-Segment mit Qualitäten, mit denen man sich für den eingangs proklamierten Anspruch nicht genieren muss.

Stephan Schätzl

Warum?

  • Mehr Oberklasse-Ausstattung ist im C-Segment nicht zu bekommen.
  • Schön, fahraktiv, sicher und günstig.

Warum nicht?

  • Innenraumdesign gewöhnungsbedürftig.
  • Träges Doppelkupplungsgetriebe.

Oder vielleicht …

… einen anderen Kombi aus dem C-Segment. Preislich greift der Focus Opel, Citroën etc. an, qualitativ den Golf.

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(Bild: kmm)



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