Big in America

Ford Explorer: Wollen wir das dicke Ding?

Motor
18.01.2016 10:41

Es ist ein bisschen wie bei VW mit Golf und Polo. Denn so, wie der Ford F-150 seit Jahr und Tag die Pick-up-Zulassungen in den US-dominiert, so steht der Ford Explorer an der Spitze der Geländewagen-Tabelle. Obwohl die gerade erst ein Jahr alte Generation Nummer 5 in aller Herren Länder exportiert wird, werden wir ihn so schnell nicht in die Hände bekommen. Es sei denn, als Mietwagen im Urlaub. Irgendwie schade, oder?

(Bild: kmm)

Sieben Millionen Autos in 25 Jahren: Was für uns der VW Golf oder zumindest der VW Polo, das ist den Amerikanern der Ford Explorer. Denn seit 1990 die erste Genration auf den Markt kam, steht der Geländegänger vom ersten Tag an der Spitze der Zulassungen und dominiert die nach den Pick-ups wichtigste Klasse des US-Marktes noch viel eindrucksvoller als im Heimatmarkt Deutschland der VW Tiguan die seine. Vor dem Hintergrund, dass Ford mit Autos wie dem Mustang oder dem Doppel aus Fusion und Mondeo seine Modellpalette gerade globalisiert, sollte das dem Explorer doch die Türen zu neuen Märkten öffnen, könnte man meinen. Zumal das dicke Ding daheim für Spottpreise ab 31.050 Dollar verschleudert wird. Aber daraus wird fürs erste zumindest in Deutschland nichts: "Mit dem ebenfalls aus den USA importierten Edge ist nach oben erst einmal Schluss", lautet lapidar die Absage der Manager in Detroit.

Auf der einen Seite ist das ein Segen. Denn mit 5,04 x 2,28 Meter mag der Explorer in den USA vielleicht noch als Mid-Size-Truck, vulgo: Kleinwagen, durchgehen. Aber anders als München, Paderborn oder Wien haben Miami und Pittsburgh aber auch keine verwinkelte Altstadt. Und selbst wenn Ford mit seinen Ecoboost-Motoren erfolgreich auf der Downsizing-Welle reitet, würde dem Dickschiff für einen Achtungserfolg in der alten Welt ein Diesel fehlen. Aber auf der anderen Seite ist das jammerschade. Denn wer im Rest der Welt mal hinter das Steuer des Explorer kommt, erlebt den Geländewagen als ideale Familienkutsche, die vor allem im Urlaub gerne zur mobilen Ferienwohnung wird, aus der man nur noch zum Schlafen aussteigen muss.

Das liegt vor allem natürlich am unglaublichen Platzangebot: In der ersten Reihe thront man in fetten Ledersesseln wie der King of the Road, in der zweiten nimmt es der Explorer bei Kopf- und Kniefreiheit locker mit einer E-Klasse auf und wer sich die Kletterei auf die überraschend bequemen Klappsessel in der dritten Reihe sparen kann, der lässt die Möbel auf Knopfdruck im Boden verschwinden. Wenn dann mit einem angedeuteten Fußtritt die Heckklappe aufschwingt, blickt man in ein Gepäckabteil, das eher an einen Cargo-Flieger als an einen Ferienclipper erinnert. Dazu noch ein gefühltes Dutzend Becherhalter, Ablagen wohin man auch schaut, für jede Handgriff einen elektrischen Helfer sowie Gadgets und Gimmicks wie besonders schnellladende USB-Buchsen - fertig ist der Traumwagen des Vielfahrers.

Boutique-Hotel statt Vorstadt-Motel
Spätestens seit der gründlichen Modellpflege im letzten Sommer erlebt man den Roadtrip im Explorer dabei wie eine Reise aus dem Fünf-Sterne-Katalog. Nicht nur außen macht der Bestseller mit seinem wahlweise sportlich schwarzen oder vornehm chromglänzenden Grill, den klaren Linien und dem knackigen Heck eine gute Figur. Vor allem innen weht ein neuer Wind. Wo man sich früher in US-Geländewagen oft gefühlt hat wie in einem abgewohnten Vorstadt-Motel, ist der Explorer jetzt ausstaffiert wie ein Boutique-Hotel. Erst recht in der neuen Topversion Platinum, die Ford zum ersten Mal in der Geschichte mit einem gebürsteten Markenlogo aus Chrom ziert.

Nur unter der Haube ist es mit der Opulenz nicht so weit her. Denn wer bei einem derart typischen US-Auto einen nicht minder typischen V8 erwartet, der wird bitter enttäuscht. Der größte und stärkste Motor ist ein 3,5 Liter großer V6-Turbo mit 365 PS und 474 Nm, und am unteren Ende der Scala überraschen die Amerikaner mit einem fast schon mickrigen 2,3-Liter-Vierzylinder, wie wir ihn auch aus dem Mustang kennen. Aber keine Sorge: Im Mutterland des Tempolimits ist man mit einem 280-PS-Triebwerk gut bedient. Erst recht wenn es beim Ampelspurt mit bis zu 420 Nm punktet, der adaptive Allradantrieb mit einem halben Dutzend Fahrprogrammen im Ernstfall jedes Terrain meistert und ansonsten Lenkung, Fahrwerk und Getriebe so gemütlich abgestimmt sind, dass man ohnehin nicht dynamischer Fahren möchte.

Je länger man mit dem Explorer unterwegs ist, desto besser kann man sich den Wagen auch bei uns vorstellen. Klar, fehlt Ford das Image und dem Auto am Ende vielleicht doch die Finesse, als dass der Geländegigant auch diesseits des Atlantiks gegen Mercedes GLS oder Range Rover konkurrieren könnte. Doch als Alternative zu VW Touareg oder Toyota Land Cruiser wäre er gar nicht so schlecht. Und das Problem mit den engen Parkplätzen oder den verwinkelten Gassen bekommt man mit der Videoüberwachung im Rangierbetrieb schon hin.

Aber wenn das Auto nicht zu uns kommt, dann müssen wir eben zum Auto: Spätestens im nächsten Urlaub. Schließlich entfällt ein Gutteil der teilweise jährlich über 200.000 US-Zulassungen auf die vielen Autovermieter in Amerika. Allerdings sollte man dort aufpassen, dass man nicht der zweiten großen Kundengruppe des Explorer begegnet: Zehn Prozent der Produktion verkauft Ford als Streifenwagen an die Polizei.

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(Bild: kmm)



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