Zurück zu 4 gewinnt

Die Tradition der Porsche-Vierzylinder

Motor
26.04.2016 15:13

Porsche ist weit mehr als der ewige 911. So waren es anfangs die Vierzylinder-Racer 356, 550, 718 und 904 Carrera, die Porsche zu Angstgegnern etablierter Sportwagen machten. Sogar überlebenswichtig für Porsche wurde die Vierzylinder-Familie 924 bis 968. Eine Tradition im Zeichen der Vier, die jetzt der 718 Boxster und der 718 Cayman fortschreiben sollen.

(Bild: kmm)

Längst ist Porsche ein Volumenproduzent mit vielen Modellreihen, und doch geht regelmäßig ein unwilliges Raunen durch die Reihen der Puristen, wenn in Zuffenhausen wieder einmal ein scheinbares Dogma gebrochen wird. So wie jetzt, denn die Sechszylinder-Renner Boxster und Cayman verlieren beim Facelift zwei Töpfe und sollen stattdessen als Vierzylinder-Turbos mit der Typenzahl 718 frisches Verlangen wecken.

Grund genug, einen Blick auf die Geschichte der Vierzylinder-Motoren bei Porsche und auch auf das namensgebende Mittelmotormodell 718 aus den Jahren 1957 bis 1964 zu werfen. Damals errangen die Porsche 718 mehr als 250 Gesamt- sowie über 500 Klassensiege gegen großvolumigere Konkurrenten. Sie sind für alle Fans deshalb auch die Urahnen des aktuellen Langstrecken-Weltmeisters mit Vierzylinderaggregat, des Porsche 919 Hybrid.

Allerdings knüpfen die mit neuen Downsizing-Herzen ausgestatteten Mittelmotorbaureihen 718 Boxster und Cayman an eine noch weiter zurückgehende Vierzylindertradition an, die zurückreicht bis zum allerersten Porsche 356 von 1948.

Schon diese Nummer 1 ging als Prototyp beim Innsbrucker Stadtrennen auf eine Demonstrationsrunde - noch mit einem vor der Hinterachse montierten Vierzylinder. Aus diesem klassischen Mittelmotor wurde im Serien-356 dann zwar ein Heckaggregat, aber schon 1953 gab es zum werksseitigen Einstieg in den Motorsport den nächsten Mittelmotorrenner, in Form des atemberaubenden 550 Spyder.

Auch der erste Porsche-Racer mit Kunststoffkarosserie, der 904 Carrera GTS, errang seine Lorbeeren mit Mittelmotor-Vierzylinderboxern. Im Windschatten des 911 fuhr ab 1965 der 912, der durch den Verzicht auf zwei Zylinder deutlich preiswerter wurde.

Auch die folgenden Einstiegsmodelle VW-Porsche 914 (ab 1969), Porsche 924 (ab 1975), 944 (ab 1981) und 968 (ab 1992) wurden große Würfe dank kleiner Vierzylinder. So gesehen war der Sechszylinder-Boxer im 1996 lancierten Boxster eine echte Überraschung, allerdings sollte der neue Einstiegsroadster vom Image der Sechszylinder-Ikone 911 profitieren. Dagegen sollen die neuen 718 Boxster und Cayman die große Vergangenheit der Vierzylinder bei Porsche fortschreiben.

Die Grundlage aller Entwicklungen bildete der sagenumwobene Porsche Typ 60K10, den Ferry Porsche schon 1939 konstruierte, um an dem nie ausgetragenen Rennen Berlin-Rom teilzunehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es dann das Projekt 356, das als erstes Serienmodell ein Porsche-Logo trug und von einem Volkswagen-Vierzylinder mit vergrößerten Ventilöffnungen und schließlich Doppelvergaser beschleunigt wurde. Zunächst mit Rohrrahmen, Aluminium-Karosserie und Mittelmotor, dann nach werbewirksamen Rennauftritten als Serienauto mit Heckmotor und Stahlblechrahmen.

Kaum ein Rennklassiker, bei dem die Porsche 356 nicht erfolgreich an den Start gingen. Andererseits war es die Alltagstauglichkeit der kompakten Triebwerke, die den Porsche 356 als Coupé und Cabriolet zum Bestseller machte. Exemplarisch sei der 356 B 1600 von 1962 erwähnt, der mit 7,6 Liter Verbrauch genügsam wie ein Kleinwagen war und als Sparchampion der Sportwagen gefeiert wurde.

Rasen statt sparen mussten dagegen Umberto Maglioli und Huschke von Hanstein bei der Targa Florio 1956. Die beiden Renntitanen raubten den Zuschauern den Atem, als sie mit dem 550 Kilogramm leichten und 135 PS starken Porsche 550 A Spyder die gesamte sechs- und achtzylindrige Konkurrenz deklassierten.

Befeuert wurde der 220 km/h schnelle Spyder von einem luftgekühlten Hochleistungs-Vierzylinder mit vier Nockenwellen, entwickelt vom späteren Unternehmenschef Ernst Fuhrmann. Der berühmteste 550 Spyder schrieb sich allerdings auf tragische Weise in die Geschichtsbücher ein. Hollywood-Superstar und Hobby-Rennfahrer James Dean stieg 1955 von einem Porsche Speedster auf den Spyder um. Auf dem Weg zum ersten Rennwochenende kollidierte ein linksabbiegendes Fahrzeug mit Deans Porsche. Der Rest ist Legende. James Dean, sein Rennmechaniker Rolf Wütherich und der 550 Spyder hatten keine Chance. Dean starb innerhalb von Minuten, Wütherich erholte sich nie gänzlich von den Unfallfolgen. Dean war nicht der einzige amerikanische Privatfahrer, der Porsche bevorzugte. Konnten die speedsüchtigen Amerikaner damals doch gar nicht genug Nachschub an flotten europäischen Vierzylinder-Flitzern bekommen, die sich als Weekendracer eigneten. Zumal es den sogenannten Fuhrmann-Vierzylinder auch im Porsche 356 A Carrera gab.

Mit den Nachfolgern des 550 Spyder gelang Porsche ein noch größerer Wurf, denn die Typen 718 RSK und 718 RS60 galten auf vielen Pisten als geradezu unbezwingbar. Vor allem war es die Kombination aus federleichten 530 Kilogramm und 148 PS bzw. 160 PS starken Vierzylinder-Boxern, die 260 km/h möglich machten. Auf der Suche nach noch mehr Leichtigkeit kombinierte Porsche 1963 erstmals einen Stahlkastenrahmen mit einer Kunststoffkarosserie, die von Ferdinand Alexander Porsche in Form gebracht wurde. Das Ergebnis war der Porsche 904 Carrera GTS, ein Mittelmotorsportler mit weiterentwickeltem Fuhrmann-Vierzylinder, der sich 1964 bei der Targa Florio als unschlagbar erwies.

Vierzylinder ein Jahr später auch im Porsche 911
Mit kleinem, 90 PS freisetzendem Vierzylinder-Boxer und der Typzahl 912 kosteten die kultigen Coupés und neuen Targas deutlich weniger als die 911 mit Sechszylinder. Obwohl später von vielen Elfer-Fans verschmäht, war der bis 1969 gebaute 912 eine Erfolgsnummer, für die sich schon im Einführungsjahr 6.401 Sportwagenfans entschieden. Damit übertraf der kleine Boxer seinen großen Bruder um mehr als das Doppelte in den Verkaufszahlen. Vom "Poor Man's Porsche", einem Arme-Leute-Porsche, konnte beim 912 allerdings nicht die Rede sein, denn in Amerika gab es für einen 912 gleich zwei MG B Roadster.

Auch der erste bei Audi gebaute Porsche mit Vierzylinder-Frontmotor war keineswegs billig - und doch ein für viele unwiderstehlicher Einsteiger-Porsche. Die Produktionszahl 100.000 erreichte der 1975 lancierte 924 in knapp unter fünf Jahren, für einen Sportler in diesem Segment rekordverdächtig. Zusammen mit seinen Weiterentwicklungen 944 und 968 wurden es insgesamt sogar über 325.000 Exemplare, mehr als bis dahin von jedem anderen Porsche.

Mit der Weltwirtschaftskrise von 1987/88 erlebten Sportwagen weltweit einen vorübergehenden Niedergang, der auch Porsche heftig traf. Dennoch waren es gerade die Gewinne aus dem Geschäft mit den Vierzylindern, die Porsche aus dem Tal holten und 1995 mit dem Mittelmotor-Modell Boxster in eine neue Epoche starten ließen. Eine Ära, die Sechs- und Achtzylinder, Elektro- und Dieselantriebe brachte. Fast 20 Jahre dauerte es, dann meldeten sich die Vierzylinder mit einem Doppelschlag zurück: In Le Mans erkämpften Porsche 919 Hybrid die Plätze eins und zwei. Eine Steilvorlage für die Typen 718 Boxster und Cayman, was deren Platzierung in der Verkaufsstatistik betrifft.

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(Bild: kmm)



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