Schnelle Amis

Cadillac V-Serie: Neue Herren der Überholspur?

Motor
26.10.2015 23:03
Eigentlich reicht schon ein Blick auf die beiden brandneuen Vertreter der Cadillac V-Serie, schon weiß man, was die Amis hier vorhaben: Sie wollen die etablierten deutschen Premium-PS-Protze frontal angreifen. Dazu fahren sie mit ATS-V und CTS-V zwei Geschütze mit fetter Leistung und Top-Leistungsgewicht auf. Und das bringen sie auch noch beeindruckend auf die Straße.
(Bild: kmm)

Mit der Marke Cadillac verbindet wohl jeder irgendetwas, von der dicken Limousine von Elvis & Co bis hin zum Zuhälter-Schlitten, auf jeden Fall schwere, schaukelige Straßenkreuzer. Vielleicht kennt man noch den leicht übertriebenen Escalade. Doch das hier haben wohl die wenigsten auf dem Schirm: Praktisch unter Ausschluss der öffentlichen Wahrnehmung in Europa hat sich da etwas entwickelt, das auch hierzulande schön langsam interessant wird. Beziehungsweise schnell, denn am Start sind zwei Top-Vertreter ihrer jeweiligen Fahrzeugklasse, der Cadillac ATS-V und der Cadillac CTS-V. Die konkret angesprochenen Gegner: BMW M3, M4 und M5, aber natürlich auch die übrige süddeutsche Konkurrenz.

V wie Vendetta, Velocity oder einfach: Verdammt schnell
Das V im Namen besagt: Die beiden Heckantriebssportlersind die Krönung ihrer Baureihe. Vor allem der CTS-V - bereits in dritter Generation aufgelegt - ist ein Prunkstück in Sachen Sportlimousine. Unter der Haube steckt der 6,2-Liter-Kompressor-V8 aus der Corvette. Der setzt nicht nur mit 649 PS eine Klassenbestleistung, sondern auch mit 855 Nm bei 3.600/min. Und auch gleich in Sachen Leistungsgewicht: Jedes PS hat nur gut 2,8 kg zu beschleunigen - was von 0 auf 100 in 3,7 Sekunden gelingt. Die Höchstgeschwindigkeit wird nicht von der Elektronik, sondern vom Luftwiderstand begrenzt und liegt bei 320 km/h.

Der kleine Bruder ATS-V ist erstmals auf die Räder gestellt worden, als Limousine sowie als Coupé. Er übertrumpft nicht alle Mitbewerber, ist aber dank seines 3,6-Liter-Biturbo-V6 mit 470 PS und 603 Nm bei 3.500/min. absolut gut dabei. Auch er läuft über 300 km/h und schafft die 100 in unter vier Sekunden (3,9 s).

Onboard-Kamera mit unzähligen Telemetriedaten
Weil sie es bei Cadillac richtig ernst meinen (und dabei auch den Spaß ernst nehmen), kann man eine GPS-Onboard-Kamera mitbestellen, die wie der Fahrer nach vorn schaut. Auf einer SD-Karte, die man im Handschuhfach einlegt (32 GB reichen für ca. 13 Stunden) wird das Bild zusammen mit insgesamt 155 Daten gespeichert. Tempo, Pedalstellung usw. werden eingespiegelt, alles andere kann man hochladen und auswerten lassen. Für Rundenzeiten kann man einen Startpunkt bestimmen, sodass man auf der Rennstrecke an seiner eigenen Performance arbeiten kann.

So sieht das Bild der Onboard-Kamera aus (Tempo in mph). Sie zeichnet auch auf, was im Innenraum zu hören ist, also Geräusche und was gesprochen wird:

Beide verkaufen sich als echte Muskelprotze ohne Feinheiten wie einen optimierten Normverbrauch. 13,0 bzw. 11,4 Liter/100 km (trotz Zylinderabschaltung beim V8) sind natürlich alles andere als zeitgemäß und treiben in Österreich NoVA-bedingt den Neupreis in die Höhe (was einiges vom Preisvorteil in Deutschland auffrisst), ob der Realverbrauch auch so weit über der Konkurrenz liegt, müsste man sich aber gesondert anschauen.

Die beiden V-Cadillacs sind nicht nur optisch schwer voneinander zu unterscheiden, sie haben auch sonst einiges gemeinsam. Etwa die Carbon-Motorhaube, ein elektronisch geregeltes (gekühltes) Sperrdifferenzial, adaptive Magnetic-Ride-Dämpfer mit um 40 % verbesserter Reaktion (bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h ordnet das neue System jedem Zentimeter der Fahrbahn die passende Dämpferwirkung zu), die exzellente, hauseigene Achtgangautomatik oder auch überdimensionierte Brembo-Bremsen, deren vordere Scheiben (390 mm) beim CTS-V sogar größer sind als das Lenkrad.

Das fährt sich so gar nicht amerikanisch
Wer glaubt, Amis fahren unpräzise und mehr "irgendwie" als exakt, wird hier in beiden Fällen angenehm enttäuscht: Sogar im "Tour"-Modus weiß man bestens über den Fahrbahnzustand Bescheid, die elektrische ZF-Lenkung gibt bestes Feedback. Und dann gibt es ja (abgesehen von Schnee/Eis) auch noch "Sport" und "Track", wobei sich Letzterer auch noch weiter aufsplitten lässt. Angeblich sind die V-Modelle direkt aus dem Showroom heraus rennstreckentauglich: "Unsere Bremsen haben kein Fading. Nie", betont Cadillac-Chefingenieur John Barrick mit selbstsicherem Schmunzeln.

Man merkt den schnellen Amis an, dass sie relativ leichtgewichtig sind. Enge Kurven sind auch mit dem 5,02 m langen CTS-V eine Freude, nicht zuletzt weil die mächtigen, eigens abgestimmten Michelin Pilot Super Sport mit ihren drei verwendeten Gummimischungen auf den 19-Zoll-Alus extrem viel Kraft auf den Boden bringen.

Verkehrsbedingt (auch auf deutschen Autobahnen ist viel los) konnte ich nur den Cadillac CTS-V annähernd ausfahren. Ab 280 km/h beginnen die Seitenscheiben zu rauschen, ansonsten fällt aber nur auf, wie vertrauenerweckend ruhig und stabil er liegt - und ebenso bremst, wenn es sein muss. Irritierend ist lediglich das Motorgeräusch, das über die Lautsprecher der Bose-Audioanlage gepimpt wird und eher nach Videospiel als nach einem fetten V8 klingt. Hier wäre weniger mehr. Beim ATS-V ist das besser gelungen, müsste aber auch nicht sein.

Stark ist auch die Ausstattung
Was es nicht gibt, ist eine lange Aufpreisliste, dafür umso mehr serienmäßige "Extras", vor allem beim CTS-V, der u.a. Head-up-Display, eine Bordstein-Kamera vorn, Bose-Sound, Navi, 230-V-Steckdose oder auch Assistenten von Verkehrszeichenerkennung bis Spurhalteassistent mitbringt. Eine Besonderheit weisen Parksensoren und Kollisionswarner auf: Sie können nicht nur piepsen, sondern wahlweise auch im Sitz vibrieren. Eine weitere Besonderheit ist das Fach in der Mittelkonsole hinter den Bedienelementen, in dem man geeignete Handys induktiv aufladen kann.

Die Preise beginnen bei 61.000 Euro für den Cadillac ATS-V bzw. 126.380 Euro für den Cadillac CTS-V. Dafür bekommt man hervorragende Performance, eine polarisierende Optik (Spoilerwerk/Diffusor optional), premiumartiges Ambiente und vergleichsweise viel Ausstattung. Ob die Verarbeitung mit den hohen Ansprüchen mithalten kann, muss sich zeigen, wenn im Frühjahr 2016 die Serienmodelle auf den Markt kommen. Die Vorserienfahrzeuge, mit denen ich unterwegs war, waren noch etwas schleißig verarbeitet - hier ein schräger Spalt, da eine nicht ganz passende Kante, dort ein deutliches Knistern im Armaturenbrett.

Unterm Strich
Meine Herren, das ist eine beeindruckende Vorstellung, die die beiden Amis unter dem Wappen des Franzosen Antoine Laumet de La Mothe, Sieur de Cadillac, der im Jahr 1701 die Stadt Detroit gegründet hat, hier abliefern. Höchstens atmosphärisch könnte man in Waren (Michigan) noch ein wenig nachschärfen -die nackten Fakten machen sie aber zu den neuen Masters of the Überholspur.

Warum?

  • Hammer-Performance
  • Sieht man nicht oft

Warum nicht?

  • Dünnes Händlernetz

Oder vielleicht ...

... BMW M3/M4/M5, Mercedes C/E 63 AMG, Audi RS6, Lexus RC F

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(Bild: kmm)



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