Der Golf ist da

Bleibt er der Urmeter? So fährt sich der neue Golf

Motor
08.11.2012 00:00
Fast könnte man sagen, der große Augenblick ist da: Ab sofort steht der VW Golf 7 bei den Händlern und stellt sich nicht mehr nur den Medien, sondern Markt und Menschen. Es gibt wohl kaum ein Auto, an dem das Interesse so groß ist wie an der siebten Generation des Begründers der Golf-Klasse. Alles andere als die Weiterführung des Status "meistverkauftes Auto Europas" wäre eine schwere Niederlage für den Konzern. Und wie fährt er sich? Kurz gesagt: So, wie er sich fahren soll.
(Bild: kmm)

Mit dem VW Golf ist es ein wenig wie mit Lieblingsschuhen. Man trennt sich ungern von den alten, weil sie alles mitgemacht haben und wie angegossen passen; trotzdem braucht man irgendwann neue. Die sollen eigentlich genauso sein und sich so anfühlen wie die alten, aber besser und etwas moderner sein. Dieses Gefühl habe ich im Golf auf Anhieb. Optisch sind die Gemeinsamkeiten mit dem alten auf den ersten Blick größer als die Unterschiede, und dennoch spürt man, wie viel besser der neue geworden ist, ohne die liebgewonnenen Eigenschaften zu vernachlässigen. Und das noch bevor man sich mit den Neuerungen im Einzelnen beschäftigt hat.

Vertraute Optik, komplett neue Technik
Die stechen nämlich nicht sofort ins Auge, das so vertraute Äußere täuscht über die Revolution hinweg, die unter dem Blech stattgefunden hat. Der neue Golf steht auf einer komplett neuen Fahrzeugarchitektur, die "Modularer Querbaukasten" (kurz MQB) heißt und so flexibel ist, dass sie sich auf Passat-Größe und darüber hinaus ausdehnen lässt. Dadurch lässt sich Oberklasse-Technik auch in niedrigeren Klassen relativ günstig anbieten, weil sie über alle Baureihen gleich ist.

Außerdem ist der neue Golf bis zu 100 Kilo leichter als sein Vorgänger (1,2 TSI wiegt 1.130 Kilo), obwohl er mit 4,26 Meter sechs Zentimeter länger und mit 1,80 Meter gut einen Zentimeter breiter ist. Das kommt Fahrleistungen und Verbrauch zugute, besonders aber den Insassen: Die Platzverhältnisse sind absolut kommod. Auf der Rückbank könnte ich mit meinen 1,88 Metern Körpergröße sogar hinter dem auf mich eingestellten Fahrersitz problemlos Hunderte Kilometer verbringen und dabei sogar einen Hut tragen. Der Kofferraum fasst jetzt 380 Liter (30 mehr als bisher; inkl. Reserveradmulde), die Ladekante ist niedriger, die Laderaumöffnung breiter geworden.

Die wichtigsten Motorisierungen im Test
Für Testfahrten standen die beiden Motorisierungen zur Verfügung, die laut VW-Erwartung drei Viertel der Verkäufe ausmachen werden: der Einstiegsturbobenziner 1,2 TSI mit 85 PS (30 Prozent) und der 1,6 TDI mit 105 PS (45 Prozent). Besonders der Diesel überzeugt dabei auf der ganzen Linie: Er liefert mit 250 Nm ab 1.500/min schon aus niedrigen Drehzahlen ordentlich Schub und begnügt sich im Normmittel mit sparsamen 3,8 l/100 km. Wer aufs Sparen pfeift, erreicht in 10,7 Sekunden Tempo 100. Akustisch hält er sich dank auffallend guter Dämmung im Hintergrund, überhaupt ist es im Innenraum auffallend leise.

Der kleine Benziner klingt etwas kerniger, aber auch nicht lästig und schlägt sich angesichts der Motorleistung tapfer, ohne langweilig zu sein. Mit 11,9 Sekunden für den Standardsprint kann man bestens leben, auch der Verbrauch geht mit 4,9 l/100 km okay. Beide Motoren kommen mit Fünfgang-Schaltgetriebe, für den TDI gibt's auch das famose Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (DSG, plus 2.000 Euro) - und Allradantrieb (dann mit Sechsganggetriebe).

Weitere Motorvarianten
Darüber hinaus gibt es auf Dieselseite einen 150 PS starken 2,0 TDI; etwas später wird ein BlueMotion-Modell mit 110 PS nachgereicht, das nur 3,2 l/100 km verbraucht, dazu kommen ein GTD mit rund 184 PS und ein Einstiegsdiesel mit 90 PS.

Die Benzinpalette umfasst auch noch einen 105 PS starken 1,2 TSI und die 1,4-Liter-Version mit 122 PS, später folgt der erste Großserien-Vierzylinder mit Zylinderabschaltung (140 PS, 4,7 l/100 km).

Und was kommt noch? Eine Erdgas-Variante, ein Plug-In-Hybrid und eine vollelektrische Version. Im Mai 2013 kommt der GTI mit 220 PS oder - mit "Performance-Paket" inklusive Vorderachs-Quersperre – 230 PS. Ende 2013 kommt der Golf R mit 300 PS und Allradantrieb.

Erwachsenes Fahrverhalten
Das Fahrverhalten ist absolut erwachsen und stünde manch höherklassigem Fahrzeug gut zu Gesicht. Der Golf steckt unebene Fahrbahnen und Schlaglöcher gut weg und ist komfortabel, ohne die Klarheit für die Straße zu verwischen. Dabei kommt auch auf Holperstrecken kein Knistern aus dem Gebälk, was auf eine solide Verarbeitung schließen lässt. Die elektromechanische Servolenkung agiert präzise und vermittelt – obwohl durchaus leichtgängig – gutes Feedback von der Straße.

Die stärker motorisierten Varianten dürften sich sogar noch besser fahren, da sie über eine neuentwickelte Mehrlenker-Hinterachse verfügen. Die anderen werden mit der elf Kilogramm leichteren "modularen Leichtbauachse" auf der Straße gehalten. Die Untersteuerneigung des Fronttrieblers wird durch die schon beim Einstiegsmodell serienmäßige elektronische Differenzialsperre XDS neutralisiert.

Hochwertiges Ambiente schon beim Einsteiger
Der Golf hat die Nüchternheit früherer Generationen abgelegt, ohne verspielt zu werden. Alles klackt und rastet, wie es soll, kein Sound nervt, alles fühlt sich vertraut an. Und Details wie die mit Teppich gedämmten Türfächer, die große PET-Flaschen aufnehmen, oder die Vielzahl an Ablagen sind einfach praktisch.

Als bei der ersten Präsentation im ausgewählten Kreis von 1.000 Gästen Anfang September in Berlin nur Modelle in Topausstattung gezeigt wurden, kam der Verdacht auf, dass die Einstiegsmodelle im Innenraum nach Billiger Jakob ausschauen könnten. Doch weit gefehlt: Schon die "Trendline" lässt optisch nichts vermissen. So wertig war noch kein Basis-Golf. Dabei ist er um 740 Euro billiger als sein Vorgänger, trotz besserer Ausstattung: Der Dreitürer mit 85-PS-Benziner kommt in Österreich auf 18.290 Euro, der Viertürer fängt bei 19.120 Euro an. Das Volumenmodell 1,6 TDI kostet mindestens 22.370 Euro.

Auch in Sachen Ausstattung gibt sich der Wolfsburger keine Blöße: Schon in der Basis serienmäßig an Bord sind die brandneue Multikollisionsbremse (stellt sich auf einen zweiten Aufprall nach dem Erstcrash ein), sieben Airbags, Klimaanlage, Touchscreen-Radio, variabler Ladeboden, Reifenkontrollanzeige, Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung, elektrisch einstell- und beheizbare Außenspiegel, Fahrersitz mit Höheneinstellung und Müdigkeitserkennung. Ebenso die elektronische Parkbremse samt Auto-Hold-Funktion – eine klassische Handbremse ist nicht für Geld und gute Worte zu bekommen.

Fazit: Der neue Golf kann praktisch alles besser als der alte, sogar die Sache mit dem Kaufpreis. Mit seinen Qualitäten ist er sogar eine Alternative für Leute, die eigentlich einen Premium-Kompakten im Auge haben – wobei sich auch eine schöne Stange Geld investieren lässt, schließlich wird alles angeboten, was gut, teuer und aus höheren Fahrzeugklassen bekannt ist, vom Abstandstempomat über das City-Notbremssystem bis hin zum adaptiven Fahrwerk. Auch die siebte Generation des Golf bleibt der Urmeter in der Kompaktklasse, auch was die Bedienung betrifft. Dieser Schuh geht voraus – und hinterlässt klare und doch klassenlose Abdrücke.

Warum?

Auch die siebte Generation ist der Maßstab in der Kompaktklasse.

Warum nicht?

Optische Revolutionen finden anderswo statt.

Oder vielleicht …

… einer der vielen anderen in der Golfklasse vom Hyundai i30 bis zum Ford Focus. Aber durchaus auch Audi A3, BMW 1er und Mercedes A-Klasse.

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(Bild: kmm)



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