Elektroschwedisch

Volvo C30 Electric: Fährst du noch oder lädst du schon?

Motor
10.02.2013 13:17
Kann man tatsächlich ein Elektroauto fahren, ohne sich einschränken zu müssen? Das wollte ich herausfinden und habe mich zwei Wochen lang elektroschwedisch fortbewegt, mit dem Volvo C30 Electric. Im Wesentlichen ein ganz normaler Volvo C30, der aber von einem 111 PS starken Elektromotor mit 220 Nm Drehmoment angetrieben wird. Einen Tank hat er trotzdem.
(Bild: kmm)

Im Testwagen – einem von 250 Fahrzeugen, die europaweit an ausgewählte Kunden vergeben wurden, bzw. einem von acht in Österreich – sind zwei jeweils 140 kg schwere Lithium-Ionen-Batterien gut versteckt im Mitteltunnel und dort, wo normalerweise der Kraftstofftank sitzt, untergebracht. Dadurch behält der ohnehin schon kleine Kofferraum seine kompletten 260 Liter Volumen. Außerdem senkt es den Fahrzeugschwerpunkt spürbar.

Als Elektroauto ist der Volvo auf die Schnelle nur an der Steckdose im Kühlergrill erkennbar, und in diesem speziellen Fall an der auffälligen Beklebung. Sonst wirkt er wie ein ganz normaler C30. Der zierlich-stylische Fahrprogramm-Wählhebel im Innenraum ist als Unterscheidungsmerkmal schon eher was für Insider, verleiht dem optisch nicht mehr ganz taufrischen C30 aber eine futuristische Note.

Sogar das Starten ist wie sonst: einfach den Schlüssel herumdrehen. Ab jetzt ist aber alles anders. Kein Motor startet, nur das Display sagt mir, dass es jetzt losgehen kann. Ich positioniere das Hebelchen auf Drive und löse die elektrische Handbremse, die vernehmlich die Räder freigibt – der lauteste Moment der Fahrt, denn nun geht es relativ lautlos vorwärts.

Passanten wundern sich über das Hinweggleiten ohne Motorgeräusch, während sie rasch am Horizont verschwinden. Typisch für den Elektroantrieb ist, dass das volle Drehmoment von Null weg da ist, dementsprechend beschleunigt der 1,6-Tonner munter von der Ampel weg. In 5,2 Sekunden ist Tempo 50 erreicht, ab 70 wird's etwas zäher, bis nach 14 Sekunden 100 km/h erreicht sind. Die versprochenen 10,9 Sekunden habe ich nicht geschafft. Maximal sind mit etwas Geduld gemessene 125 km/h möglich, da wird die Vortriebsfreude abgeregelt, um die Akkus nicht noch schneller auszusaugen, als das bei unsparsamer Fahrweise ohnehin passiert.

Wahlweise segeln oder rekuperieren
Der Wählhebel kennt zwei Fahrstufen: In D wie Drive setzt sofort die Motorbremse ein, wenn man den Fuß vom Fahrpedal nimmt, dann wird nämlich rekuperiert. In Stellung H wie Highway gleitet der Wagen scheinbar endlos weiter. Das Bremspedal ist einfach nur ein Bremspedal, es ist nicht (wie bei anderen Stromern) mit der Rekuperation verbunden. Bei geschicktem Einsatz des Hebels kann man also den einen oder anderen Reichweitenkilometer herausholen. Solange man nicht auf die Autobahn fährt, hält der elektrische Schwede auch überall bestens mit, dank des tiefen Schwerpunkts und der im Vergleich zu den Verbrennern günstigeren Gewichtsverteilung erfreut er sich besonders an Kurven. Es hat was Spaßiges, im akustischen Leerlauf um die Ecken zu wetzen. Doch es ist ein bissl wie früher, als die Mama gesagt hat: "Geh nicht zu weit weg!"

Man kann nicht mit einem 3-kWh-Kanister losziehen
Damit ist das Hauptproblem des Elektroantriebs schon genannt: Allzu weit komme ich in der Praxis nicht, ohne mich selbst zu geißeln. Jedenfalls nicht bei den winterlichen Temperaturen, die während der Testzeit herrschen. Konkret heißt das: Versprochen wird eine Reichweite von bis zu 150 km, tatsächlich zeigt das Display beim Losfahren mit voll geladenen Batterien 95 km, und realistisch betrachtet muss ich davon auch noch die Hälfte abziehen, denn 95 Kilometer sind nur mit einer asketischen Fahrweise drin, für die mir die Geduld fehlt.

Nun kann man relativierend einwerfen: Die meisten Fahrten führen eh nur über maximal 40 bis 45 Kilometer. Ja, stimmt. Und wenn man weiter fahren will, darf man halt nicht das Elektroauto nehmen. Nur: Was ist, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert? Man muss z.B. einen Umweg fahren oder noch etwas erledigen oder noch mal umkehren, weil man etwas vergessen hat. Oder – was mir tatsächlich passiert ist – man rechnet damit, dass man einen der acht Stromtankplätze in der Kongress-Parkgarage der Messe Wien benutzen kann (gratis übrigens), und dann funktioniert die Anlage nicht. Ich bin dann langsam Richtung Redaktion gerollt, schnell fahren hätte mich der C30 sowieso nicht lassen, er zeigte mir eine Schildkröte im Display und begrenzte die Leistung drastisch. So habe ich es dann mit Ach und Krach noch in die Redaktion geschafft, wo am Parkplatz die Steckdose wartete. Andernfalls hätte ich einfach Pech gehabt, denn mal schnell zwischendurch tanken geht nicht, und mit einem Kanister losgehen und 3 Kilowattstunden Strom holen auch nicht.

Hängt man dann mal an der Dose, dauert es bei 16 A Ladestrom sechs bis acht Stunden, bis die Akkus wieder voll sind. Es lässt sich per Display und Lenkstockhebel auch eine geringere Stromstärke einstellen, es sind also auch schwächer abgesicherte Stromkreise als Tankstellen geeignet. Dann dauert das Laden logischerweise entsprechend länger.

Ach ja, da ist ja noch der bereits angesprochene 14,5-Liter-Ethanol-Tank. Tja, der füttert keinen Range Extender, sondern ausschließlich die Heizung, die den Innenraum kuschelig macht und für längere Reichweite sorgt.

Fahren fühlt sich ungewöhnlich an
Das Fahren in einem Elektroauto erfordert eine gewisse Umstellung. So fehlt etwa das Motorgeräusch als Referenz für die gefahrene Geschwindigkeit. Vor allem anfangs wird man immer wieder auf den Tacho schauen, um zu überprüfen, ob die Geschwindigkeit z.B. einer engen Autobahnabfahrtskurve angemessen ist. Benzinbrüdern wird das Geräusch auch deshalb fehlen, weil das lautlose Fahren die Autofahrsucht nicht lindert. Wer dieses Problem nicht hat, der wird einen Stromer wahrscheinlich auch so bewegen können, dass er akzeptable Reichweiten erzielt.

Auch wenn der Volvo C30 Electric aussieht wie ein ganz normaler C30 – der Umgang mit einem Elektroauto ist ein komplett anderer als der mit einem Verbrenner. Das kann man mögen und es kann einem auch ins Konzept, in den Alltag und in die Einstellung passen. Wenn man sicherstellen kann, dass man niemals ohne Saft liegen bleibt, und erst recht wenn man überall gratis "tanken" kann (z.B. in der Firma), mag ein E-Auto in Österreich Sinn machen. Ob es umweltschonend ist, hängt davon ab, wo der Strom herkommt. Und zwar bevor er in die Steckdose gelangt. Und ohne Einschränkung geht es – zumindest in meinem persönlichen Fall – nicht.

Besuche krone.at/Auto & Motorrad auf Facebook und werde Fan!

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

(Bild: kmm)



Kostenlose Spiele