Teurer Spaß

Spielerei für iPhone-Junkies: Apple Watch im Test

Elektronik
29.09.2015 09:36
Mit fast einem halben Jahr Verspätung hat der US-Computerkonzern Apple seine intelligente Armbanduhr, die Apple Watch, Ende September nach Österreich gebracht. Interessenten sind damit nicht länger auf den Import aus Deutschland angewiesen und können Apples smarte Uhr auch über den österreichischen Online-Shop, ausgesuchte Apple-Händler sowie Media Markt und Saturn beziehen. Wie sich die Benachrichtigungszentrale für das Handgelenk im Alltag schlägt, hat krone.at getestet.

Apple bietet seine intelligente Uhr hierzulande in verschiedenen Konfigurationen an: Mit 38- oder 42-Millimeter-Gehäuse, in Alu- oder Edelstahl-Ausführung und - zum Preis eines Kleinwagens - auch als 18-Karat-Goldvariante. So vielfältig wie die verfügbaren Varianten sind auch die Preise der Apple Watch. Die günstigste Variante, die 38-Millimeter-Aluversion mit Gummiarmband kostet 400 Euro, die teuerste 18.000 Euro. Wir haben das Gerät anhand des 42-Millimeter-Modells (42 mal 36 mal 10,5 Millimeter) in der aus Alu gefertigten Sport-Edition mit Gummiarmband getestet. Kostenpunkt: 450 Euro.

Konkurrenzfähige Hardware, Gehäuse spritzwasserfest
Die Hardware-Spezifikationen der Apple-Uhr: Das durch Mineralglas geschützte Display misst 1,32 Zoll in der Diagonale, ist drucksensitiv und löst mit 390 mal 312 Pixeln auf. Über Bluetooth 4.0 verbindet sich die Uhr mit dem iPhone, zusätzlich gibt es ein WLAN-Modul nach N-Standard und - nur eingeschränkt nutzbares - NFC. Ein Pulsmesser befindet sich an der Unterseite des Geräts, die Akkulaufzeit beziffert Apple mit 18 Stunden. Zum verbauten Apple-S1-Prozessor macht der Hersteller keine näheren Angaben, der Arbeitsspeicher ist 512 Megabyte groß. Im nach IPX7-Standard spritzwassergeschützten Gehäuse verbergen sich Bewegungs- und Lagesensoren.

Gutes Display, saubere Verarbeitung
Die Hardware der Apple Watch machte im Test einen recht guten Eindruck. Das Display ist angenehm scharf und - wichtig für die verschiedenen Ziffernblatt-Variationen mit schwarzem Hintergrund - kontraststark, die Farbdarstellung erscheint natürlich. Es ist hell genug für den Außeneinsatz, im prallen Sonnenlicht spiegelt es aber. Die Akkulaufzeit reicht bei alltäglicher Nutzung für einen Tag Betrieb, abendliches Aufladen wird den Nutzern nicht erspart bleiben. Da ist es praktisch, dass Apple eine magnetische Ladeschale beilegt, die das Aufladen denkbar einfach gestaltet.

Hochwertiges Gehäuse, billig wirkendes Armband
Die Verarbeitung insgesamt macht einen hochwertigen Eindruck: Das Alugehäuse unseres Testgeräts wirkte wie aus einem Guss, Verarbeitungsmängel oder Spalten konnten wir keine entdecken. Angesichts des happigen Preises der Apple Watch wirkt das Gummiarmband der Sport-Version allerdings etwas billig, zumal halb so teure Geräte wie die LG Watch Urbane auch mit Metallchassis aufwarten, nicht schlechter verarbeitet sind und mit Lederarmband daherkommen. Immerhin: Apple legt das Gummiband in zwei Längen in die Apple-Watch-Box, es sollte also für jeden Armumfang das passende Band dabei sein. Geschmackssache ist derweil, dass die Apple Watch rechteckig ist: Wer runde Uhren bevorzugt, wird derzeit mit Android-Wear-Geräten glücklicher.

Interessant für Internet-Junkies und Fitness-Jünger
Gedacht ist die Apple Watch - wie alle intelligenten Uhren - vor allem für Internet-Intensivnutzer, die nicht wegen jeder Benachrichtigung zum Smartphone greifen und nebenbei ihre Fitness mit dem Gadget am Handgelenk analysieren wollen. Bis zu einem gewissen Grad kann man mit der Apple Watch auch kommunizieren und navigieren, nette Features wie eine iPhone-Suchfunktion oder ein Kamera-Fernauslöser komplettieren das Paket. Im Kern bietet sie damit ähnliche Benachrichtigungs- und Fitness-Tracking-Features, mit denen auch die Geräte anderer Hersteller um Kunden buhlen.

Praktische Bedienung per Drehregler
In einem Punkt unterscheidet sich die Apple Watch - abgesehen vom stolzen Preis - dann aber doch vom Mitbewerb: Sie hat ein vielseitigeres Bedienkonzept. Über einen seitlich angebrachten Drehregler, wie ihn analoge Uhren zum Einstellen der Uhrzeit hatten, scrollt es sich auf der Apple Watch komfortabel durch Menüs und Apps. Zusätzlich gibt es einen Schnellwahl-Button, der die flotte Kontaktaufnahme mit zuvor festgelegten Kontaktfavoriten ermöglicht. Ebenfalls nett: Der Touchscreen ist drucksensitiv, kann also zwischen leichten und stärkeren Berührungen unterscheiden und zur Berührung passende Aktionen anbieten. Zusätzlich gibt es - ähnlich wie bei Android-Wear-Geräten - Spracheingabe, die aber nicht immer hundertprozentig zuverlässig arbeitet.

Bedienkonzept wirkt recht durchdacht
Im Test erwies sich das Bedienkonzept der Apple Watch zwar nicht unbedingt als intuitiv, aber nach etwas Eingewöhnungszeit als recht durchdacht. Eingehende Nachrichten - etwa SMS und E-Mails - können mit dem Drehrad wesentlich angenehmer am Handgelenk gelesen werden, als beim Scrollen mit Touch-Gesten. Und auch die Navigation durch Menüs und die App-Übersicht gelingt schön flüssig. Geschmackssache ist indes die Optik der App-Übersicht, die per Druck auf das Drehrad aufgerufen wird. Die bunte Wolke aus App-Symbolen mag zwar hübsch anzusehen sein, sie zuerst per Drehregler aufzurufen, dann hinaus- oder hinein zu zoomen und die App schließlich durch Berührung des Symbols zu öffnen, ist aber doch etwas umständlich. Ein App-Menü zum Durchscrollen wäre hier vielleicht die effizientere Lösung gewesen, zumal sich der Drehregler dafür anbieten würde.

Texteingabe gestaltet sich schwierig
Generell gilt: Wie auch andere Smartwatches hat die Apple Watch das Problem, dass Eingaben durch den Nutzer nur recht mühsam vorgenommen werden können. Will man eine SMS beantworten, die auf der Apple Watch angezeigt wird, kann man zwischen vorgefertigten Textbausteinen oder Spracheingabe wählen. Beides ist unbefriedigend: Textfloskeln wie "Klar!" oder "Bin gleich da" sind nicht immer passend, die Spracheingabe stößt gerade bei längeren Nachrichten oft an die Grenzen ihrer Erkennungsleistung. Hinzu kommt, dass nicht jede Kommunikations-App, die der Nutzer womöglich nutzt, auch das Beantworten von Nachrichten über die Smartwatch unterstützt. Im Test konnten wir per Vibrationsalarm gemeldete WhatsApp-Nachrichten so zwar auf der Uhr betrachten, zum Beantworten war aber erst wieder das iPhone nötig.

Freisprechfunktion mit Schwächen
So richtig überzeugt hat uns im Test auch die Möglichkeit nicht, mit der Apple Watch zu telefonieren. Nicht, dass es nicht funktionieren würde: Wer mag, kann die Uhr durchaus als kleine mobile Freisprecheinrichtung am Handgelenk verwenden. Es stellt sich aber die Frage, in welcher Situation das sinnvoll sein soll. In der Öffentlichkeit tut sich der Uhrenlautsprecher schwer, den Straßenlärm zu übertönen, daheim kann man meist auch den iPhone-Hörer zum Ohr, statt die Uhr zum Gesicht halten.

Uhren- und Fitnesskomponente gut gelungen
Einen guten Eindruck macht die Apple Watch als Uhr. Hier gefallen uns vor allem die anpassbaren Ziffernblätter, die auf Wunsch auch gleich Infos zu Terminen, Wetter und gegangenen Schritten enthalten sowie die erst kürzlich hinzugekommene "Zeitreise"-Möglichkeit, bei der der Nutzer mittels Drehregler in der Zeit vor- und zurückspult und am Ziffernblatt gleich passende Infos wie Termine oder das Wetter zur angepeilten Zeit präsentiert bekommt. Erwähnenswert: Die Automatik, die bei entsprechender Handgelenksbewegung das aus Energiespargründen nicht permanent aktive Display anschaltet, arbeitet bei der Apple Watch zuverlässig, meist wird tatsächlich die Uhrzeit angezeigt, wenn man das Handgelenk dreht und auf das Display blickt.

Gut gelungen ist auch die Fitness-Komponente: Gegangene Schritte zählt die Apple Watch zuverlässig, die statistischen Daten zur Nutzeraktivität werden - auch in der zugehörigen iPhone-App - attraktiv dargestellt. Der Pulsmesser arbeitet zuverlässig: Er brauche man ihn freilich nicht benutzen, erhöht er den Stromverbrauch der Uhr doch beträchtlich. Und auch als Medizingerät sollte man ihn nicht betrachten - eher als Hilfe zur Selbsteinschätzung. Etwas zu viel des Guten ist indes aus unserer Sicht die Funktion der Apple Watch, den Nutzer stündlich dazu zu animieren, aufzustehen - nicht wissend, ob er in einer Besprechung oder im Kino sitzt und deshalb einfach nicht aufstehen kann.

Unkomplizierte Konfiguration, Apps teils träge
Die Konfiguration der Apple Watch erfolgt über eine Begleit-App für das iPhone. Die ermöglicht auf iPhones ab Version 5 des Apple-Smartphones die Ersteinrichtung der Apple Watch, aber auch die Konfiguration des App-Menüs und die Installation kompatibler Apps. Dankenswerterweise sucht die Uhr bei der Ersteinrichtung gleich nach allen am iPhone installierten Apps, die auch in einer Uhren-Version zur Verfügung stehen und installiert diese auf der Apple-Uhr.

Dabei gilt allerdings: Nicht alles, was möglich ist, macht auch Spaß. Wer beispielsweise mit dem RSS-Reader Feedly die neuesten Nachrichten lesen möchte, dürfte sich nicht nur am kleinen Display stören, sondern auch an dem Umstand, dass die Nachrichten durch den Umweg über das Smartphone und dessen Bluetooth-Verbindung länger zum Laden brauchen, als direkt am iPhone. Generell gibt es vieles, das man im Zweifel dann doch lieber auf dem Smartphone-Display statt auf dem winzigen Uhren-Display betrachtet. Dass die Apple Watch beispielsweise Fotos vom iPhone anzeigen kann, ist zwar nett, dürfte aber in der Praxis selten wirklich genutzt werden.

Fazit: Teure Spielerei mit Eingabe-Tücken
Man merkt der Apple Watch - ebenso wie ihren Rivalen mit Android Wear - an, dass smarte Uhren eine junge Produktkategorie sind, die noch reifen muss. Die Benachrichtigungs-, Uhren- und Fitnesskomponente des Geräts funktioniert zwar zuverlässig, sobald es aber darum geht, etwas in die Uhr einzugeben, hört der Spaß schnell auf. Vieles wirkt zudem ein bisschen wie eine Spielerei: Telefonieren im "Knight Rider"-Stil ist zwar auf den ersten Blick nett, in der Öffentlichkeit aber wenig praktikabel. WhatsApp-Nachrichten auf der Uhr zu lesen ist schön, aber irgendwie auch unnötig, wenn es zur Beantwortung dann doch wieder das Handy braucht.

Für mindestens 400 Euro, die zusätzlich zum ohnehin nicht gerade günstigen iPhone zu berappen sind, dürfte die Apple-Uhr den meisten Nutzern angesichts des Gebotenen schlicht zu teuer sein - zumal es hübsche Geräte mit vergleichbarem Funktionsumfang auch für spürbar weniger Geld gibt. Hinzu kommt: Während analoge Uhren mitunter Jahrzehnte genutzt werden, haben Smartwatches mit nicht austauschbarem Akku und schnell alterndem Innenleben wohl eine deutlich geringere Lebensdauer, was die teure Anschaffung noch etwas unattraktiver macht.

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