Brachial-Partie

Smashing Pumpkins in Wien

Musik
01.02.2008 10:42
Während ein paar Gassen weiter die Edelstripperinnen und Zylinderträger aus viel zu kleinen Gläsern viel zu teure Getränke schlürften, bot sich am Donnerstag in der Wiener Stadthalle ein ideales Ausweichprogramm für alle, die statt drei Schritten pro Takt lieber so viele machen, wie sie wollen und ihr Getränk gern aus dem komfortablen 0,4-Liter-Plastikgebinde zu sich nehmen: Die seit letztem Jahr wieder vereinten Smashing Pumpkins luden zu brachialen wie melodischen Klängen, erinnerten an ihre Glanzmomente der Neunziger und stellten dabei ihren aktuellen Longplayer "Zeitgeist" und ihre neue EP "American Gothic" vor.
(Bild: kmm)

Ganz ohne mit Klebeband um den Körper gewickeltes Ein-Mann-Zelt (siehe Diashow vom Novarock 2007) traten Billy Corgan und sein Original-Smashing-Pumpkins-Kollege Jimmy Chamberlin (dr) mit den neuen Mitgliedern Ginger Reyes (ba), Jeff Schroeder (git) und der promovierten Jazzpianistin Lisa Harriton in der Stadthalle auf. Leger gekleidet - bis auf Corgan, der einen silbernen Rock trug -, die kompakte Bühne auf Clubgig getrimmt, mit auf etwa drei Metern Höhe herabgehängten Scheinwerfern.

Die Setlist, der vor fast genau einem Jahr reunierten Band, war ein hübsches Kompendium aus sechs der insgesamt sieben Alben, wobei der Schwerpunkt klar auf dem letzten Longplayer "Zeitgeist" und den ewigen Hit-Alben "Siamese Dream" und "Mellon Collie and the Infinite Sadness" lag. Keine Songs gab es hingegen vom Schicksalsalbum "Machina II" nachdem sich die Band 2000 auflöste. Dafür spielten sie eine Nummer der neuen Vier-Track-EP „American Gothic“ und den noch unveröffentlichten Titelsong ihres kommenden Albums „Superchrist“.

Nachdem die Österreicher „Across The Delta“ das Anfangs recht stille Publikum behutsam aus der Lethargie gehoben hatten, starteten die Pumpkins mit moderaten Songs in dennoch unbändiger Lautstärke, die zunächst einmal jede Regung unterband. Erst die vielen bunten Lichterchen, die Billy Corgan und seine Band in Hippie-Muster färbten, machten die Adaption auf den brachialen Sound der Chicagoer Gothic-Hardrock-Metal-Psychedelic-Prog-Rock-Formation zunehmend leichter und nach Einsteigern wie „Porcelina Of The Vast Oceans“ und „Behold! The Nightmare“ wurde man von den „Zeitgeist“-Songs „Bring The Light“ und „(Come On) Let’s Go“ erstmals richtig mitgerissen.

Gefühlsmäßig hat die Reunion den exzentrischen Frontmann der Smashing Pumpkins spielfreudiger und etwas weniger kantig gemacht. Zwar hielt sich Billy Corgan mit Wortspenden bis kurz vorm Ende betont zurück, aber allein die Körpersprache sagte den Zusehern „Ich will euch das Trommelfell aufreißen“ und „Danke, dass ich darf“. Bevor beim größten Pumpkins-Hit „Today“ der Funke übersprang, überraschte Corgan mit dem Country-haften „Lily (My One And Only)“ und dem ruhigen „Rose March“ von der neuen EP. Als das Eis gebrochen war, gab’s mit „Tarantula“, der treibenden Reunions-Single, ordentlich was auf Ohren: Jimmy Chamberlin hämmerte bestialisch harte Salven von seiner Trommelburg und Billy Corgan verbannte zwischendurch die drei Neuen von der Bühne und lieferte sich mit seinem alten Kumpanen ein Quietsch- und Knallduell. Den Applaus honorierte Corgan wieder mit ein paar Worten: „We like happy people like you - ’though we’re sad people.“ Das bewiesen sie danach auch mit “Stand Inside Your Love”.

Im Vergleich zur Performance am Novarock-Festival im Juni ließen es die Smashing Pumpkins in der Stadthalle insgesamt ruhiger angehen, wohl auch deswegen, weil sie keinen 70-Minuten-Gig sondern volle zweieinhalb Stunden hinlegten. „1979“ spielte Corgan nach dem aufreibenden „Bullet With Butterfly Wings“ gänzlich unplugged und erinnerte dabei daran, dass er auch mit Akustikgitarren umgehen kann und nicht zuletzt deswegen als Produzent und Soundtrack-Compiler gefragt ist. Wirklich Zeit zum Ausruhen gab es für die Fans jedoch nicht. Vor allem am Ende, wo man in den vorderen Reihen von „Wound“ und der „Zeitgeist“-Antihymne „United States“ brutal überrollt wurde.

Nachdem Corgan in Hendrix-meets-Kurt-Cobain-Manier den „Star-Spangled Banner“ verunstaltet hatte, gab es noch eine abschließende Zwei-Song-Zugabe inklusive Wortspende, die eigentlich ein Versprechen war, das wohl viele Anwesende mehr als ernst genommen haben werden: „We’re at the end of the concert. It’s time for us to go back to our hotel rooms and listen to Strauss. Hum-tata! No, guys: You’re awesome and I promise you, we will not break up again. We’ll be around for the rest of your lives. Get used to it!” Und wenn Sie nicht noch am Opernball vorbeigeschaut haben, walzen sie noch immer...

Von Christoph Andert
Fotos: Andreas Graf

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