Nie mehr ohne Blues

Chris Rea im krone.at-Interview

Musik
12.02.2008 22:30
Eigentlich wollte der von Bauchspeicheldrüsenkrebs gezeichnete Star der Bühne bereits Lebewohl sagen. Chris Rea „feierte“ sogar seine Abschiedstour. Doch mit seinem neu formierten Quintett und einem neuen „Earbook“, in dem er auf zwei Vinyl-Scheiben und drei CDs die Geschichte der Gitarrenmarke Hofner und ihren Einfluss auf den Blues mittels einer fiktiven Band musikalisch nachzeichnet, meldet sich Chris Rea nun wieder auf den Live-Bühnen zurück.
(Bild: kmm)

Seine „Fabulous Hofner Blue Notes“ - im Bild mit Robert Ahwai (Gitarre) und Neil Drinkwater (Keyboards) - präsentieren in zweistündigen Konzerten eine Mischung aus bluesorientierten Instrumentals und neueren Songs sowie natürlich den absoluten Chris-Rea-Klassikern. Am 17. Februar tritt der geniale Gitarrist mit der rauchigen Stimme im Wiener Gasometer auf. krone.at hat mit Chris Rea gesprochen:

Das mit Ihrer Farewell-Tour letztes Jahr hat ja nun nicht sonderlich geklappt, wie man an der Rückkehr der „Fabulous Hofner Blue Notes“ erkennen kann...

Chris Rea: (lacht) Ja, es sieht ganz so aus. Ich wusste mir mit meiner Zeit einfach nichts anzufangen. Für mich und meine Kollegen ist es Normalität, die ganze Zeit zu spielen. Darum bin ich auch so glücklich mit dieser Band, ich könnte den ganzen Tag mit ihnen jammen. Im Grunde konnte ich gar nicht anders, als zurückzukehren. Wenn ich einmal eine Idee geboren habe, lässt sie mich nicht mehr los. Und außerdem: Auf der Abschiedstournee sagte ich, dass es die letzte Tour sein wird, auf der ich die alten Hits spielen werde. Natürlich spielen wir auch mit den „Fabulous Hofner Blue Notes“ ein paar meiner bekannten Songs, aber wir werden sie neu interpretieren.

Der Bandname ist eine Art Tribut an die Gitarrenschmiede Hofner, deren Instrumente beispielsweise auch Paul McCartney spielt. Wie stark steht eine Gitarre für den Gitarristen?

Chris Rea: Naja, Hofner ist ein großer Name. Für viele Gitarristen war eine Hofner so etwas, wie die erste Puppe für ein kleines Mädchen oder das erste eigene Auto eines Jünglings. Viele begannen auf Hofners zu spielen, mich eingeschlossen. Meistens war es ja keine Absicht, wenn man eine Hofner kaufte, sie waren einfach billiger als die amerikanischen Gitarren. Aber alle Träume eines jungen Musikers nahmen ihre Ursprünge auf einer Hofner. Das neue Guitarbook - es ist kein Album, darauf bestehe ich! - haben wir der Musik gewidmet, die auf Hofners entstanden ist. Wenn es diese Gitarren nicht gegeben hätte, wäre ich vielleicht nie Musiker geworden!

Wenn wir schon von Gitarren sprechen: Sie müssen doch eine  Kollektion an Instrumenten haben. Nach welchen Kriterien wählen Sie die passende Gitarre für den richtigen Song aus?

Chris Rea: Eigentlich sammle ich keine Gitarren. Zumindest nicht so, wie andere Menschen Autos sammeln. Ich bin einer von diesen Musikern, die sich an ein paar Modelle halten, die gut zu ihnen passen. Der Grund, warum ich eine spezielle Gitarre benutze, ist meistens, dass ich nach einem klar definierten Sound suche. Manchmal spielt auch das Tuning (die Stimmung der Saiten, Anmk.) eine Rolle, gewisse Blues-Tunings funktionieren nicht auf jeder Gitarre. Als ich damit begann, die Wurzeln des Blues zu erforschen, hab ich meistens historische Gitarren gekauft. Ironischerweise waren die als Neuinstrumente ziemlich billig, die Bluesplayer von damals hatten eben nicht viel Geld.

Bei Ihrem 11-Alben-Guitarbook „Blue Guitars“ fühle ich mich selbst nach einem Jahr intensiven Hörgenusses immer noch, als könne man die Bandbreite dieses Genres nie ganz erfassen. Ist Blues für Sie eine Art „Universalmusik“?

Chris Rea: Ja, so kann man das nennen. Obwohl ich mich eben über einen englischen Journalisten geärgert habe, der das überhaupt nicht so sehen wollte. Ich habe das Gefühl, dass Blues über die Jahre zu etwas geworden ist, von dem die Leute glauben, man könne es in der Schule lernen - Blues, Roots, basta. Wenn ich aufgrund meiner europäischen Einflüsse die Gitarre im Stil Zigeuners spiele - was natürlich kein „Traditioneller“ machen würde - geht ein Zischen durch die Menge, zumindest in England. Viele glauben hier, man dürfe Blues nur so spielen, wie ihn die alten Legenden spielten. Ich finde diese Philosophie nicht sehr aufregend.

Wie sieht die Zukunft für den Blues aus?

Chris Rea: Ich glaube - allen Schreiberlingen zum Trotz -, dass sich der Blues konstant verändern wird. Entschuldigen Sie, dass ich mich jetzt so echauffiere, aber wenn wir Musiker all das getan hätten, was Kritiker von uns verlangten, hätte es Jimi Hendrix nie gegeben, der damals etwas absolut Verbotenes gemacht hat. (lacht) Mein Blues ist mein Blues, der Blues von Chris Rea. Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn wir alle dieselben Songs spielen würden.

Wir haben gerade eine Jahreszeit hinter uns, in der einer Ihrer Songs auf allen Radiosendern in Dauerrotation läuft. Können Sie „Driving Home For Christmas“ überhaupt noch hören?

Chris Rea: Klar doch, warum nicht? Ich habe mit diesem Song überhaupt keine Probleme. Ich schrieb ihn ja eigentlich für Van Morrison, deshalb klingt er ja auch so gar nicht nach mir. (lacht) Ich machte damals ein Demo von dem Song und allen gefiel er so gut, dass ich ihn schließlich doch zu einem von meinen machte. Hin und wieder passiert es dir einfach, dass du einen Song schreibst, der so vertraut klingt, dass du nachsehen musst, ob ihn nicht schon jemand anderer geschrieben hat. Ich tat das auch mit „Driving Home For Christmas“ und war heilfroh, als ich herausfand, dass noch niemand einen Song über den Verkehrs-Wahnsinn an den Feiertagen geschrieben hatte. Ich sehe es als meine Version von Weihnachten, so wie meine Version des Blues. Der Song ist nicht verträumt, er ist kein Christbaum-Song, wie ich immer sage - es ist ein Stau-Chaos-Weihnachts-Song.

Melissa Etheridge erzählte mir vor einem Monat, dass sie die Chemotherapie und ihre Brustkrebs-Diagnose als „Erleuchtung“ empfand. Sie sagte, es hätte sie zu einem besseren Menschen gemacht. Können Sie das nachvollziehen und wie hat sich die Krankheit auf Ihre Persönlichkeit und Ihre Musik ausgewirkt?

Chris Rea: Das Einzige, was mir während meiner Therapie passiert ist, ist dass ich sie knapp überlebt habe. Aber ich kann ihre Erfahrung verstehen. Der Krebs hat auch mich zu einem anderen Menschen gemacht. Ich war auf einmal kein großer, starker Typ mehr. Ich verkam zu einem kleinen, schmächtigen Burschen, der sehr unsicher und nervös war. Ich musste lernen ohne Bauchspeicheldrüse zu leben, was nicht gerade einfach ist. In dieser Zeit konzentrierte ich mich immer mehr auf das, was mir wirklich wichtig ist und erkannte all jene Dinge, die eigentlich keine Rolle spielen. So geht es mir bis heute. Ich sehe die Menschen an und denke mir: Wenn sie das durchgemacht hätten, was mir passiert ist, würden das, was sie jetzt tun, nicht tun. Der Krebs hat mich wieder zu dem Chris Rea gemacht, der gerade sein erstes Demoband abgeliefert hat. Ich wurde wieder der Mensch, der ich vor 25 Jahren eimal war. Ich arbeite jetzt wieder ohne große Plattenfirma im Hintergrund, ohne Komplikationen und auch ohne die Verantwortung, die man hat, wenn Leute für einen arbeiten. Es hatte schon vor vielen Jahren angefangen - auf einmal ging es nur mehr ums Business, nicht mehr um Musik. Und ich erkannte, dass ich das eigentlich verabscheue. Jetzt geht es wieder ausschließlich um die Musik.

Also sind Sie frei, weil Sie wieder ein „Bluesman“ wurden?

Chris Rea: Ja, wobei mich die Krankheit sozusagen in diese Rolle hineingezwängt hat. Ich würde vielleicht immer noch das alte, dumme Spiel spielen, wenn mich der Krebs nicht erwischt hätte. Wer weiß? 


Interview: Christoph Andert

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