Drogen, Alkohol, Tablettensucht, Chaos im Liebesleben, der tragische Tod seines Sohnes, im Alter entdecktes Familienglück - die Musik, die er immer wieder als den Mittelpunkt seines Lebens bezeichnet, gerät in "Mein Leben" unweigerlich in den Hintergrund der Erzählung, abgesehen davon, dass Clapton minutiös auflisten kann, wann, wo und was er mit wem gespielt hat. Schlimmer noch: Es ist erschreckend zu erfahren, bei wie vielen großartigen Aufnahmen er nach eigenem Bekunden kaum wahrnahm, was überhaupt vor sich geht, und wie planlos er zum Teil durch seine Karriere schlitterte.
Durch Claptons legendäre Bescheidenheit kommt selbst sein Aufstieg zum hochgelobten Gitarristen irgendwie unvermittelt: Da ist dieser verklemmte Junge, der zu fremden Platten Akkorde auf seiner Gitarre schrammt - und plötzlich wollen alle möglichen Musikgrößen mit ihm eine Platte aufnehmen. Ganz nebenbei malt Clapton ein unglaubliches Panorama der Musikszene der "wilden 60er", in dem einfach so die Beatles, die Rolling Stones, Jimi Hendrix oder
Die „Schwester“ war seine Mutter
Clapton zeichnet sich selbst als fragile, schüchterne Natur - und steht oft als rücksichtsloser Egomane da. Er sagt, die Musik, die Gitarre in der Hand, sei der einzige Weg gewesen, wie er sich ausdrücken konnte. Er sucht Entschuldigungen und findet viele in seiner Kindheit. Als er neun Jahre alt war, bestätigte sich sein Verdacht, dass die Menschen, die er für seine Eltern hielt, es gar nicht waren. Tatsächlich lebte er bei seinen Großeltern, und seine angebliche Schwester war in Wirklichkeit seine Mutter. Nach Jahren in Kanada kam sie mit ihren kleinen zwei Kindern nach England und wohnte mit Clapton eine Zeit lang unter einem Dach. "Darf ich dich jetzt Mummy nennen?", sei es eines Abends aus ihm herausgeplatzt. Worauf seine Mutter freundlich entgegnete, es sei wohl besser, wenn er weiter seine Großeltern als Mum und Dad bezeichne, weil sie so viel für ihn getan hätten.
Drei Jahre im Heroin-Rausch
"In diesem Augenblick fühlte ich mich komplett zurückgewiesen", schreibt Clapton. Er habe sich in sich zurückgezogen. Ein Verhaltensmuster, das sein Leben immer wieder bestimmen sollte. Immer wieder habe er versucht, sich vor seinen Problemen einfach zu verstecken. So habe er Anfang der 70er fast drei Jahre praktisch ohne Unterbrechung im Heroin-Rausch verbracht, um die Liebe zu George Harrisons Frau Pattie Boyd zu vergessen. Nach Heroin kamen Alkohol, Kokain und Tabletten, bis er in den 80er Jahren endgültig am Abgrund stand und keine andere Wahl mehr hatte, als neu zu beginnen.
Clapton erzählt sein Leben so, wie er bei seinem Gitarrenspiel wirkt: unaffektiert, akribisch, fast schon trocken. Auf diese Weise zeichnet er nüchtern die Spur der Zerstörung, die er in seinem und in fremden Leben hinterließ. Wie er mit seiner viel jüngeren Freundin Alice, der Tochter eines früheren britischen Botschafters in den USA, im Heroin-Sumpf versank, aus dem sie im Gegensatz zu ihm nie herauskommen sollte und Mitte der 90er, 20 Jahre nach ihrer Trennung, an einer Überdosis starb. Wie er reihenweise seine Frauen betrog, selbst Pattie unmittelbar nachdem er sie gewonnen hatte. Wie er jahrelang seine erste Tochter verheimlichte. Wie er "Drecksarbeit", wie Bandmusiker zu feuern, stets anderen überließ. Das alles lässt erahnen, wie hart es ihm gefallen sein muss, die dunklen Seiten seines Lebens offenzulegen.
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