Diktaturverbrechen

Lebenslang für katholischen Priester in Argentinien

Ausland
10.10.2007 08:37
Zum ersten Mal ist in Argentinien ein katholischer Priester wegen der Beteiligung an Verbrechen während der Militärdiktatur verurteilt worden. Das Gericht in La Plata bei Buenos Aires verurteilte am Dienstag den früheren Polizeikaplan der argentinischen Hauptstadt, Christian von Wernich, wegen Beteiligung an sieben Morden, 31 Fällen von Folter und 42 Entführungen zu lebenslänglicher Haft.
Im Gerichtssaal brachen zahlreiche ehemalige Gefangene der Junta, Angehörige der Opfer und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen in Freudenrufen und Beifall aus.

Der 69-jährige Deutschstämmige hatte während der Militärdiktatur (1976 bis 1983) den Rang eines Polizeioffiziers. Er war Beichtvater und einer der engsten Vertrauten des inzwischen verstorbenen Sicherheitschefs von Buenos Aires, Ramón Camps, der als einer der Hauptverantwortlichen für die Verbrechen unter der Militärjunta galt. Während der Militärdiktatur wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen etwa 30.000 Menschen verschleppt, gefoltert und ermordet. Von Wernich hatte damals öffentlich die Folter im Kampf gegen die Guerilla gerechtfertigt.

Mit seinem Urteil folgte das Gericht den Forderungen der Staatsanwaltschaft. In seinem Schlussplädoyer erklärte es Staatsanwalt Carlos Dulau Dumm für erwiesen, dass sich von Wernich immer wieder in den geheimen Folterlagern der Junta aufhielt: "Es ist klar, dass er dort nicht seinen seelsorgerischen Pflichten nachkam, sondern eine aktive Rolle bei den Verhören spielte". Vergeblich forderte die Verteidigung Freispruch mangels Beweise. Von Wernich nahm den Schuldspruch ohne größere Regung hin. In seinem Schlusswort sprach er sich unter wiederholter Anrufung der Bibel für eine Versöhnung aller Argentinier aus.

Erster Priester vor Gericht in Argentinien
Von Wernich war erst 2002 unter falschem Namen als Priester einer Gemeinde nahe Santiago de Chile enttarnt worden. Im Mai 2003 wurde er in Argentinien inhaftiert. Er ist nicht der erste Priester, dem Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur vorgeworfen werden, aber der erste seit der Rückkehr Argentiniens zur Demokratie, der vor Gericht gestellt wurde.

Kirche soll zu Menschenrechtsverletzugen Stellung nehmen
Der seit Anfang Juli laufende Prozess hat in dem lateinamerikanischen Land die Debatte über die Rolle der katholischen Kirche während der Diktatur neu entfacht. Menschenrechtsaktivisten, darunter Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel, riefen die Kirchenspitze wiederholt dazu auf, zu von Wernichs Fall und ihrer eigenen Rolle während der Zeit Stellung zu nehmen.

In ihrer ersten Reaktion seit Beginn des Prozesses erklärten der Primas der katholischen Kirche, Buenos Aires' Erzbischof Jorge Bergoglio und weitere Vertreter des Episkopats am Dienstag ihre "Betroffenheit". Wenn ein Mitglied der Kirche die "gewaltsame Repression unterstützt" habe, so habe es "gegen Gott, die Menschlichkeit und sein Gewissen gesündigt", hieß es in der Erklärung. Die Bürger des Landes wurden darin aufgerufen, "Hass und Groll" abzulegen und sich zu versöhnen.

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