Petite Chansonnière

Annett Louisan im Interview

Musik
25.08.2007 17:10
Mit ihren ersten beiden Alben "Bohème" und "Unausgesprochen" machte sich Annett Louisan einen Namen als kecke Retterin des deusch-französischen Chansons. Wortwitz, Leidenschaft für Liebe und Humor gleichermaßen und ein verbaler Kussmund sind seither der 28-Jährigen Markenzeichen. Mit "Das optimale Leben" stürzt sie sich in ein neues Abenteuer voll zugespitzter Texte mit reichlich Pointen, Schadenfreude - und neuerdings auch Tiefschlägen. "Zufriedenheit steht mir nicht so gut", summiert die 152 Zentimeter große Sängerin ihr persönliches, "optimales Leben" im Krone.at-Interview.
(Bild: kmm)

Das neue Album unterscheidet sich beim ersten Anhören kaum von seinen beiden Vorgängern. Lateinamerikanische Rhythmen gepaart mit Blues, Walzer und Pop-Elementen - im Vordergrund Anetts hauchige Stimme und die pointierten, gedichtartig vorgetragenen Texte. Eine Formel, wie sie sich schon seit etwa drei Jahren bewährt.

Und doch ist die neue Platte etwas reifer, ausformulierter, weniger kindlich, aber trotzdem in angemessenem Maße verspielt, was abwegige Gedankengänge und maßlose Übertreibung betrifft. Vielleicht auch weil sich "Die Louisan" - großen (und kleinen) Diven soll man ja einen Artikel voranstellen - nicht mehr ausschließlich um die Liebe und das zwischenmenschliche bzw. zwischen-Mann-und-Frau-liche Scheitern Sorgen macht. "Das optimale Leben" erzählt abseits der Leidenschaft viele Geschichten über Gott und die Welt und über die Menschen, die in letzterer leben. Menschen, wie Annett Louisan zum Beispiel.

In fast schon philosophischen Erläuterungen baut die 28-jährige, (glücklich) verheiratete Sängerin komplizierte Gedankengerüste aus einzelnen Kapitelauszügen eines von ihr seit "Bohème" fachfrauisch zusammengetragenen Gesamtwerks über die Metaphysik des verliebten Miteinanders. Sie denkt ihre Geistesschöpfungen dabei aber nur so weit und nicht weiter, dass die vielen "Was wäre wenn"-Fragen gerade noch durch ein paar seidene Fäden zusammengehalten werden. Das hält die Sache spannend und die Zahnrädchen im Oberstübchen am rotieren. 

In Kombination mit dem trockenen Humor ihrer Erzählungen verbindet sich die Louisan'sche Philosophiestunde zu einer exquisiten "Special Blend": einmal nachdenklich, gedankenversunken, aber nie wirklich bierernst; auf der anderen Seite erheiternd, leichtfüßig und gerne auch ein bisschen schadenfroh - naja, optimal eben. 

Krone.at: Wie sieht das optimale Leben aus?

Annett Louisan: Wenn man das wüsste, dann wär man ganz nah dran, dann hätte man das Ass im Ärmel. Aber nach all dem, was ich erlebt hab, glaube ich, dass es das optimale Leben gar nicht geben kann. Das ist ’ne Illusion; es geht viel mehr um die Suche danach. Ich finde den Zustand, kurz bevor man etwas erreicht hat, eigentlich auch am schönsten. Da ist die Vorfreude noch da...

Krone.at: Das optimale Leben wäre also langweilig?

Annett Louisan: Ja, genauso wie Perfektion langweilig ist. Das kann es auch nicht geben. Wenn wir alle ständig glücklich wären, bräuchte man keine Definition für Glück. Wir könnten es dann auch nicht genießen. Es muss traurige und depressive Phasen geben, damit man wieder euphorisch und gut drauf sein kann.

Bei mir schlägt diese Mathematik auch komplett an. Ich bin von Natur aus kein zufriedener Mensch. Zufriedenheit steht mir nicht so gut. (lacht) Es motiviert mich nicht genug. Ich muss mich nach etwas sehnen können, ein Ziel haben; das ist der optimale Zustand für mich.

Krone.at: Also immer bittersüß und nie ganz zufrieden sein?

Annett Louisan: Ja, es klingt fast merkwürdig, wenn du das so sagst, aber da ist tatsächlich etwas Wahres dran.

Krone.at: Woran liegt der Reiz am Versuch, es zu erreichen - oder auch am Scheitern?

Annett Louisan: Ich habe nach meiner letzten Tournee nach einer neuen Gedankenwelt gesucht, nach neuen Themen – und irgendwie bin ich auf meine eigene gestoßen und hab diese erstmals übernommen. Nach all dem Erfolg hab ich mich gefragt: “Kann dich etwas noch mal so glücklich machen, wie die Erlebnisse ganz am Anfang deiner Karriere, als es so richtig los ging?” Denn ich müsste mich dann ja immer selbst übertreffen um wieder annährend das gleiche Gefühl zu bekommen! Nach dem Kick ist ja bekanntlich vor dem Kick. (lacht) Das hab ich so als großes Thema angepackt und das Album befasst sich dadurch mit Lebenswünschen, aber auch mit zerplatzten Lebensträumen.

Krone.at: Liebst du Zufälle? Es gibt da nämlich einen Song auf deinem Album, da singst du darüber, dass wir alle nur Produkte des Zufalls wären – so, als wäre an einem lauen Sommerabend nichts besseres im Fernsehprogramm gelaufen, und das Ergebnis neun Monate später ist ein neuer Mensch…

Annett Louisan: Schön, dass du diesen Song ansprichst. Es ist zwar eine rein fiktive Geschichte, dennoch ist der Song sehr persönlich. Ich bin von meiner Mutter allein großgezogen worden – und ich war tatsächlich ein Produkt des Zufalls, nämlich ein One-Night-Stand! Gottseidank, bin ich da und meine Mutter hat sich für mich entschieden. (lacht) Wenn ich diese Geschichte erzähle, reagieren die meisten überrascht oder geschockt. Und das hat mich dann gereizt, denn offensichtlich misst man der eigenen Entstehung unglaublich viel Bedeutung zu. Aber bei mir war es eben ein kleiner Zufall...

Kaffee kommt. Annett fragt höflich, ob es stört, wenn sie raucht.

Krone.at: Dürfen Sängerinnen denn rauchen?

Annett Louisan: Ja, ich bin ja nicht so der verbissene Typ. Ich versuche mein Leben zu leben und zu genießen – und da gehören Laster nun mal dazu. Wie durchaus auch Macken, die man übrigens hegen und pflegen sollte.

Krone.at: Deine liebenswerteste Macke?

Annett Louisan: Naja, eine harmlose ist, dass ich ein irrsinniger Morgenmuffel bin. Ich neige am Morgen zum Aggressivsein. Man lässt mich dann mit meinem Kaffee lieber allein und ich starre die nächsten Minuten wie ein Dackel gegen die Wand und schwelle erst einmal ab. Das ist natürlich für Menschen, die mit mir zusammenleben müssen nicht so einfach. Ansonsten bin ich ungeduldig, schrecklich und absolut unvernünftig…

Krone.at: Wie gerne bist du grausam? Zu Männern zum Beispiel…

Annett Louisan:
Mmmh. Ich glaube auf dem Album ist das ganz gut ausgeglichen, was das Fett betrifft, das Männer und Frauen hier abbekommen. Ich hab das Gefühl, dass man manchmal durch Sarkasmus oder Ironie die Dinge einfacher machen kann. Humor tut gut, das Ganze ein bisschen lockerer zu sehen. Ich versuche nie, Menschen bloß zu stellen - das können meine Songs auch gar nicht, weil sie immer offen und allenfalls Wahrscheinlichkeiten sind. Grausam bin ich eigentlich nie bewusst, aber das Leben an sich, sehe ich schon etwas desillusioniert – und davon kommt auch der Humor.

Krone.at: Wie ziehst du in deiner Musik die Grenze zum Schlager?

Annett Louisan:
Ich hab da eigentlich keine Angst davor; selbst wenn man mich in die Kategorie Schlager legt, dann ist es ebenso. Das ist heute auch schwer zu definieren, denn alles, was deutschsprachiger Pop ist, kann man irgendwie zum Schlager zählen. Aber übersetz dir mal Robbie Williams, und lass den Song von einem Schlagersänger performen – da würde man sich auch wundern, wie das klingt. Es kommt immer auf die Interpretation an, und beim Chanson ist es absolut schwierig in einzuordnen, weil er sich allen Genres bedient; Blues, Waltzer, lateinamerikanische Rhythmen…

Krone.at: Wie schwierig im Umgang mit Mitmenschen ist die Musikerin Annett Louisan und wie schwierig die Privatperson Annett Louisan?

Annett Louisan: Ich glaube, dass die Musikerin wesentlich einfacher zu händeln ist, als die Privatperson – oder hast du das Gefühl, ich sei schwierig? (lacht) Ich umreiße diese Bühnenfigur mittlerweile sehr klar. Das konnte ich am Anfang noch nicht; etwa als ich zum ersten Mal vor tausend Leuten spielte – da konnte man mein Herz übers Mikrofon klopfen hören! Mittlerweile habe ich gelernt, dass, wenn du selbst ein klein wenig persönlich auf der Bühne bist, dass auch deine Zuhörer persönlich werden – und das will ich nicht verlieren. Trotzdem muss ich mich auch ein bisschen schützen und darf mich nicht zu hundert Prozent entblößen. Es sind immer noch Fremde, die da unten sitzen.

Krone.at: Bist du als Mensch, mit dem man leben will/muss, sehr anstrengend beziehungsweise fordernd?

Anett Louisan: Jein; ich bin emotionalraus schöpfe ich viel Power, viel Energie und es hilft mir, mit Kritik umzugehen. Aber ansonsten – ich bin eigentlich ganz nett. (lacht) Kein kleiner Kampfzwerg!

Im Februar 2008 kommt Annett Louisan nach Österreich. Tickets für die Shows in Wien, Graz und Linz gibt's in der Infobox.


Christoph Andert

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