Vorfahren-Rätsel

Menschheitsgeschichte nicht mehr korrekt?

Wissenschaft
09.08.2007 15:35
Muss die bisher gelehrte Menschheitsgeschichte umgeschrieben werden? Ein 1,44 Millionen Jahre alter Kieferknochen weckt Zweifel am bisherigen Wissen zur Evolution des Menschen. Er lässt vermuten, dass die beiden Frühmenschenarten Homo habilis und Homo erectus für fast eine halbe Millionen Jahre Seite an Seite in Ostafrika lebten. Bisher hatten Experten angenommen, dass sich Homo erectus aus dem früher lebenden Homo habilis entwickelt hat.

Fred Spoor vom University College London und sein internationales Team um das berühmte Mutter-Tochter-Archäologengespann Meave und Louise Leakey entdeckten den Kieferknochen im Jahr 2000 östlich des Turkana Sees in Kenia. Aufgrund von Größe und Form der sechs erhaltenen Zähne ordneten die Forscher den Knochen der Frühmenschenart Homo habilis (geschickter Mensch) zu.

Bilder der Knochenfunde findest du in der Infobox.

Diese habe somit länger als bisher vermutet - und damit auch zeitgleich mit Homo erectus (aufgerichteter Mensch) - in Ostafrika gelebt. Homo erectus tauchte erstmals vor etwa 1,9 Millionen Jahren in Afrika auf. Die Wissenschaftler berichten im Fachjournal "Nature" (Bd. 448, S. 688) über ihre Entdeckung.

Unterschiedliche ökologische Nischen
Die Tatsache, dass beide Frühmenschenarten für lange Zeit nebeneinander gelebt haben, mache es unwahrscheinlich, dass sich Homo erectus aus Homo habilis entwickelt hat, schreiben die Wissenschaftler.

Vermutlich hätten die beiden Arten unterschiedliche ökologische Nischen besetzt und dadurch direkte Konkurrenz vermieden. So gäbe es Hinweise darauf, dass Homo habilis mehr pflanzliche Nahrung zu sich genommen habe, Homo erectus hingegen mehr Fleisch und Fett.

Ganz ausschließen können die Forscher eine direkte Abstammung des Homo erectus vom Homo habilis allerdings nicht. Es sei denkbar, dass eine solche Entwicklung außerhalb des Überlappungsgebietes geschehen sei und sich die beiden quasi Arten nachträglich in der Turkana-Region getroffen hätten. Vermutlich aber stammten beide von einem gemeinsamen Vorfahren ab, der vor zwei bis drei Millionen Jahren in Afrika gelebt hat, schreiben die Forscher.

Bedeutender Schädelfund
Mit einem weiteren Fossilienfund rüttelt das Forscherteam noch an einer anderen Hypothese zur Entwicklungsgeschichte des Menschen. Es handelt sich dabei um einen ausgesprochen gut erhaltenen Schädel eines Homo-erectus-Frühmenschen.

Die Wissenschaftler datierten ihn auf ein Alter von 1,55 Millionen Jahren. Bisher nahmen Experten an, dass Homo erectus abgesehen von seinem kleinen Gehirn dem modernen Homo sapiens bereits sehr ähnlich war. Dies stimmt womöglich nicht. Der neu entdeckte Schädel ist nämlich ausgesprochen klein. Genau genommen ist es der bislang kleinste gefundene Homo-erectus-Schädel überhaupt.

Homo erectus lebte eher polygam
Die Größenunterschiede zwischen den verschiedenen bislang gefundenen Schädeln seien so groß wie man es heutzutage unter anderem von Gorillas kennt, schreiben die Forscher. Bei diesen haben die männlichen Tiere sehr viel größere Schädel als die weiblichen und dieser Unterschied hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass die Tiere mehrere Partner haben. Womöglich habe es bei Homo erectus ähnliche Geschlechtsunterschiede gegeben. Diese werden grundsätzlich als primitiv angesehen. Es sei denkbar, dass Homo erectus eher polygam lebte und sich damit deutlicher vom heutigen Homo sapiens unterscheidet als vermutet. 

Foto: APA/EPA/STEPHEN MORRISON

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