"Gottloser Brief"

Türkischer Anwalt erzürnt über Marcos Brief

Ausland
12.08.2007 20:34
Als „gottlos“ bezeichnet Ömer Aycan, Anwalt der 13-jährigen Britin Charlotte, jenen Brief, den ihr Marco aus dem türkischen Gefängnis schickte. Der wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen seit vier Monaten in der Türkei inhaftierte 17-Jährige aus Uelzen in Deutschland hat die Britin darin aufgefordert, ihre Anzeige zurückzuziehen. „Ich habe Dich sehr, sehr gern und wusste nicht, dass Du erst 13 bist. Du sagtest, Du wärst schon 15. Bitte zieh die Anzeige zurück“, lauten Zeilen aus dem Brief, die jetzt durch Aycan an die Öffentlichkeit gelangten.

Das Schreiben könne nicht als Entschuldigung gewertet werden, wie es türkische Medien getan hätten, sagte indes Marcos Anwalt, Nikolaus Walther. "Darin wird weder ein Fehlverhalten eingeräumt, noch eine Entschuldigung ausgesprochen." Die Bitte Marcos sei lediglich, dass das britische Mädchen, seine Anzeige zurückziehen möge. Er könne nicht verstehen, warum sie ihn in diese Situation gebracht habe.

Marco wird vorgeworfen, während eines Türkei-Urlaubs im April das Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Die Mutter des Mädchens hatte deshalb Mitte April Strafanzeige gegen den deutschen Schüler gestellt, der seitdem in Untersuchungshaft sitzt. Marco hat zu Protokoll gegeben, dass er mit Charlotte zwar Zärtlichkeiten ausgetauscht hat, diese aber von beiden gewollt gewesen seien.

Spermaspuren gefunden
Unmittelbar nach der fraglichen Nacht im April war Charlotte von einem türkischen Arzt untersucht worden, der anschließend einen Bericht erstellte. In der vor wenigen Wochen bekanntgewordenen schriftlichen Version des Gutachtens wurde angedeutet, dass zwischen Marco und Charlotte Geschlechtsverkehr stattgefunden haben muss. Während der zweistündigen Verhandlung am vergangenen Mittwoch sagte der Arzt Levent Hekim jedoch, es seien zwar Samen im Vaginalbereich des Mädchens festgestellt worden. Diese könnten aber auch auf anderem Wege als durch Penetration dorthin gelangt sein. Für Marco brachte diese Aussage eine gewisse Entlastung.

Auf Grundlage des schriftlichen Gutachtens beantragte der türkische Anwalt von Charlotte, Ömer Aycan, den Strafvorwurf gegen Marco vom Tatbestand des sexuellen Missbrauchs auf Vergewaltigung auszuweiten. Die Staatsanwaltschaft prüft noch, ob sie das ebenfalls tun will. Eine Entscheidung des Gerichts über Aycans Antrag lag zunächst nicht vor. Bei einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs müsste der minderjährige Marco nach dem türkischen Jugendstrafrecht mit einer Haft von zwei bis drei Jahren rechnen, bei Vergewaltigung wären es rund fünf Jahre.

Ungeklärt ist nach wie vor, wie Charlotte die Ereignisse vom April schildert. Das Mädchen, das sich in Großbritannien derzeit in psychologischer Behandlung befindet, soll in seiner Heimat von britischen Beamten vernommen werden. Die Aussage wird dann über die zuständigen Ministerien und Behörden an das Gericht in Antalya weitergeleitet. Charlottes Anwalt Aycan stellte in Aussicht, das Mädchen werde möglicherweise am nächsten Gerichtstermin im September in Antalya teilnehmen. Das hänge aber von der Erlaubnis von Charlottes Ärzten ab.

Urteil am 6. September?
Wenn Charlottes Aussage eintrifft, steht nach Einschätzung von Prozessbeobachtern einem Urteil im Fall Marco nichts mehr im Wege. Möglicherweise werde schon am 6. September entschieden, hieß es in Justizkreisen. Anders als die Verhandlung am Mittwoch, die von einem Ersatzrichter geleitet wurde, soll im September auch wieder der etatmäßige Richter anwesend sein.

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