Streit unterm Baum:

Stillste Zeit macht viele traurig und aggressiv

Oberösterreich
21.12.2017 06:10

Die "stillste Zeit des Jahres" erfüllt nicht alle Mitmenschen mit Freude und Hoffnung. Gerade in der Weihnachtszeit häufen sich psychische Krisen, die bis zum Selbstmord führen können, warnen Experten. Aber auch familiäre Gewalteskalationen unter dem Christbaum sind gar nicht so selten, oft sind Alkoholgenuss oder zu hohe Erwartungen Ursache für handfesten Zwist an den Feiertagen.

"Nicht alle Menschen assoziieren das Weihnachtsfest mit etwas Positivem", sagt Universitätsdozent Professor Werner Schöny, Vorstandsvorsitzender von pro mente OÖ. So stiegen Suizide im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent an. 211 Oberösterreicher - 169 Männer und 42 Frauen - haben sich im Vorjahr das Leben genommen.

Einsamkeit plagt vorm Fest
"Die Gründe sind vielschichtig, gerade in der Weihnachtszeit ist aber Einsamkeit ein wesentliches Motiv - vor allem bei älteren Menschen. Aber auch Junge fühlen sich immer öfter allein und im Stich gelassen", so Schöny.
"Suizide fordern in Oberösterreich fast dreimal so viele Todesopfer wie der Straßenverkehr, die Anzahl der Versuche dürfte zehn- bis dreißigmal so hoch sein", ergänzt Regina Nening-Dougan vom psychosozialen Verein "EXIT-sozial".

Krisentelefon
Oft hilft es Betroffenen, wenn sie mit jemandem über ihre Probleme reden können. Dafür steht die "Krisenhilfe OÖ" (Telefon 0 732/21 77) rund um die Uhr zur Verfügung. Im Vorjahr suchten dort 23.338 Mitmenschen Hilfe, davon waren 1984 hoch bis latent suizidgefährdet.

Gelassenheit hilft
In anderen Fällen wiederum steigt zur Weihnachtszeit die Aggressivität, Familienfeiern eskalieren und zurück bleibt statt Harmonie ein Scherbenhaufen. Die Psychologin Silvana Brunner rät, die Erwartungen an perfekte Weihnachten zu relativieren und damit gelassener zu den Familienfeiern zu kommen - siehe untenstehendes Interview.

Im Kepler-Uniklinikum arbeitet Dr. Silvana Brunner als Klinische- und Gesundheitspsychologin und gibt Ratschläge, wie das Fest gelingt.

"Krone": Alle wünschen sich stille Weihnachten, warum kracht’s dennoch so oft bei den Familienfeiern?
Silvana Brunner: Filme und Medien suggerieren, dass das Weihnachtsfest perfekt sein muss. Dadurch setzten sich die Leute selbst noch mehr unter Druck.

"Krone": Gibt’s eine Gegenstrategie?
Brunner: Vor allem die eigenen Ansprüche herunterschrauben und an das richtige Leben anpassen. Sind die Ansprüche zu hoch, wird alles, was passiert - und sei es objektiv nur eine Kleinigkeit - eine Katastrophe.

"Krone": Oft führen die vielen Familienbesuche zu Stress.
Brunner: Hier glauben viele, nicht "Nein" sagen zu können. Auch hier gilt: Den Großteil der Zeit mit jenen Menschen verbringen, die man gerne um sich hat. Meistens will man ja die Verwandtschaft zu Weihnachten sehen, Pflichtbesuche können ja kürzer ausfallen.

"Krone": Oder zu sich nach Hause einladen und alles auf einmal erledigen.
Brunner: Viele Leute empfinden es als weniger stressig, wenn die anderen kommen. Außerdem sind dann mehr Leute da, man muss sich nicht nur auf einen konzentrieren. Immer daran denken: Es muss nicht alles perfekt laufen.

Markus Schütz, Johann Haginger, Kronen Zeitung

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