Plädoyer-Marathon

Grasser-Anwalt sieht "politische Abrechnung"

Wirtschaft
14.12.2017 17:28

Tag drei des Buwog-Strafprozesses gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 13 weitere Angeklagte am Donnerstag ist ganz im Zeichen der Verteidigung gestanden. Nach den Ausführungen der Staatsanwaltschaft am Mittwoch bekam das Juristenteam von Grasser den gesamten Tag Zeit, die Gegenschrift zu präsentieren - und nützte dies auch unter dem bereits am Mittwoch von Strafverteidiger Manfred Ainedter angekündigten Motto "Was wirklich geschah". Für das Zerlegen der Anklageschrift war Grassers zweiter juristischer Vertreter Norbert Wess zuständig. An deftigen Sagern fehlte es aber auch diesmal nicht.

Wess begann sein Plädoyer gleich mit einer heftigen Attacke auf die Staatsanwaltschaft: "Mich hat Ihr gestriges Plädoyer betroffen gemacht. Das war kein rechtliches, das war ein rein politisches Plädoyer. Sie haben eine politische Abrechnung versucht. Fotos der Angeklagten wurden projiziert, wo man mit Namen völlig das Auslangen gefunden hätte. Sie haben eine Show abgeliefert, die ich von Staatsanwälten in meinen 15 Jahren hier noch nicht erlebt habe." Auch die "massive Vorverurteilung" seines Mandanten war wieder Thema. Dabei erinnerte Wess an eine Hausdurchsuchung bei Grasser, bei der sich Anwaltskollege Ainedter durch "grinsende" Fotografen und Ermittler kämpfen habe müssen, da die Staatsanwaltschaft die Hausdurchsuchung "angekündigt" habe.

"Bloße Mutmaßungen und Theorien"
Durch die Vorverurteilung sei Grasser "beruflich ruiniert". Knapper Kommentar: "Operation gelungen, Patient ist tot." Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft werde die Verteidigung "Zahlen, Zeugen und Fakten" zeigen, die die "bloßen Mutmaßungen und Theorien" widerlegen werden. Dies gesagt, warf Wess gleich die erste Powerpoint-Folie an die Wand. Die Anklageschrift wurde gleich einmal korrigiert bzw. abgespeckt: Diese wäre nicht 825 Seiten lang, sondern viel weniger, wenn man die Streichung von Verdachtsmomenten berücksichtige.

Zum "gemeinsamen Tatplan" der Freunde Grasser, Walter Meischberger, Peter Hochegger und Ernst Plech zählte Wess eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen Grasser auf, die eingestellt werden mussten - aus Mangel an Beweisen: Dorotheum, Novomatic, Börsengang der Post usw. Vor diesem Hintergrund könne in keinster Weise von dem Willen des damaligen Finanzministers die Rede sein, sich bereichern zu wollen.

"So kann man nicht anklagen"
Die Anklageschrift wurde von Wess zerpflückt, indem er "falsch interpretierte" Aussagen von Zeugen auflistete, was auch das Oberlandesgericht Wien im Zuge des Berufungsverfahrens bemängelt habe. "So kann man nicht anklagen", lautete der Vorwurf des Grasser-Verteidigers. Breiten Raum widmete Wess der Entscheidung für die Investmentbank Lehman Brothers bei der Begleitung der Buwog-Privatisierung - was allerdings gar nicht angeklagt und daher kein Teil des Verfahrens ist. Das OLG Wien hatte diesen ursprünglichen Anklagevorwurf verworfen.

Der linke und der rechte Ast des "Bestechungsorganigramms"
Bei den Ermittlungen zum skizzierten Organigramm des "gemeinsamen Tatplans" bemängelte Grassers Verteidiger die Tatsache, dass von den beiden "Ästen" lediglich der linke untersucht und angeklagt worden sei. Der rechte, an dessen Spitze der verstorbene Landeshauptmann von Kärnten, Jörg Haider, stand, jedoch nicht. Auch die Tatsache, dass bei Zeugeneinvernahmen zu den mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen der Name Grasser "nie gefallen ist", wertete Wess daher als Beweis dafür, dass solche "Behauptungen" mit den Ermittlungsergebnissen nicht in Einklang zu bringen seien. Es gebe auch viel "Hokuspokus", welcher an "Harry Potter für Erwachsene" erinnere.

Wer außer Grasser hätte Geheimtipp weitergeben können?
Die zentrale Frage, wer jene Information weitergegeben hatte, der in der allerletzten Buwog-Angebotsrunde das bis dahin zweitplatzierte Österreich-Konsortium mit 961 Millionen Euro knapp an die Spitze hieven sollte, wurde von Anwalt Wess ebenfalls seziert. Einerseits hätten Mitglieder der Vergabekommission die bewusste Beeinflussung der Entscheidung durch Grasser oder ihm nahe stehender Personen nicht bemerkt - vielmehr seien Gründe für eine Favorisierung vorgelegen. Andererseits hätte die Staatsanwaltschaft nie andere Möglichkeiten der Informationsweitergabe als den Weg von Grasser zu Meischberger angedacht (von Mitarbeitern Grassers, der Vergabekommission oder der CA Immo selbst?). Zudem sei vom damaligen Immofinanz-Chef und Nachfolger von Karl Petrikovics, Eduard Zehetner, in einem Zeitungsinterview die Aussage zu lesen gewesen, am Wiener Immobilienmarkt hätte jeder gewusst, was die maximale Angebotssumme des bis dahin bestbietenden CA-Immo-Konsortiums gewesen sei.

"In den Aufzeichnungen steht nie das Wort 'Schmiergeld'"
Den Vorwurf der Aktenwidrigkeit hörte das Gericht während des Plädoyers sehr oft. Damit wird der Umstand gemeint, dass bestimmte Schlussfolgerungen aus den genannten Quellen sich nicht zwingend oder überhaupt nicht ergeben. Immer wieder entschuldigte sich Wess bei den Schöffen für die doch sehr technischen Ausflüge in die Strafprozessordnung und die Finanzwirtschaft. Für einige schmunzelnde Gesichter bei den Zuschauern sorgte die Aussage des Verteidigers, dass unter den "Indizien" der Staatsanwaltschaft - hier vor allem Zeugenbefragungen und Tagebucheinträge - kein einziges Mal das Wort "Bestechungsgeld" oder "Schmiergeldzahlung" zu finden sei. Die Frage, ob denn solche Zahlungen nicht auch als "Vermittlungsprovision" bzw. "Erfolgshonorar" getarnt werden könnten, blieb dabei unausgesprochen im Raum stehen. Die Conclusio des Verteidiger-Teams am Ende: "Grasser ist nicht schuldig und wir sich auch nicht schuldig bekennen."

Grasser gibt sich im Gericht gut gelaunt
Das mediale Interesse hat mittlerweile ein wenig abgenommen, im Verhandlungssaal fanden sich kurz vor Beginn noch immer viele leere Sitze. Grasser traf mit seinen Anwälten ziemlich zeitig ein. Der Hauptangeklagte zeigte sich bei der Sicherheitskontrolle des Landesgerichts recht gut gelaunt. "Heute habe ich nichts drin", meinte der 48-Jährige zum Security-Beamten beim Präsentieren seiner Aktentasche.

Vor dem Verteidigerplädoyer hatte wie in den vergangenen Tagen erneut über einen Antrag der Verteidigung beraten werden müssen. Diesmal ging es um den Wunsch eines Angeklagten, der wegen der langen Prozessdauer seine Existenz gefährdet sieht, aus beruflichen Gründen "abwesend" zu sein. Dem Antrag wurde nicht stattgegeben. Der als Mittäter in der Causa Terminal Tower Linz geführte Angeklagte muss vorerst bis zu einer möglichen Ausgliederung seines Falles warten.

Anwalt versucht, belastende E-Mail zu streichen
Ein anderer Antrag hat es übrigens in sich: Da versucht der Verteidiger von Gerald Toifl, seines Zeichens früherer Anwalt von Meischberger, die Streichung einer von der Staatsanwaltschaft am Mittwoch präsentierten E-Mail seines Mandanten, das auch in der Anklageschrift zitiert ist. Hinsichtlich dieser Unterlage bestehe ein Beweisverwertungsverbot, so der Verteidiger. Es geht um eine Nachricht vom 19. September 2009 an einen Kanzleikollegen. Zuvor war ein Artikel des auf der Zeugenliste der Staatsanwaltschaft befindlichen Journalisten Ashwien Sankholkar im Magazin "Format" über den Korruptionsverdacht bei der Buwog-Privatisierung erschienen. Toifl schrieb dazu: "Habe do auf fr nacht mit meischberger (ex-fpoe) und grasser verbracht, ergebnis war selbstanzeige fuer meischi......hintergrund ist top-story im format dieser woche, dazu wuerde ich zum kauf buwog gerne auch deine strafrechtliche meinung wissen, lies die mal die geschichte vom sankholkar, sie stimmt, betrug, amtsmissbrauch, untreue, eigene straftatbestaende im vergabeverfahren? da rollt einiges auf uns zu...."

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