"Geht zu langsam"

Flüchtlinge in Arbeitsmarkt noch wenig integriert

Ausland
07.12.2017 08:00

Ein düsteres Bild zeichnet der Leiter des Center of Excellence for Migration and Integration (CEMIR) am ifo-Institut in München, Gabriel Felbermayr, was die Arbeitsintegration von Geflüchteten in Österreich und Deutschland betrifft. "Wir haben es nicht geschafft, die Integration in den Arbeitsmarkt zu verbessern", sagte er am Mittwoch in Berlin. "Es geht deutlich langsamer voran als erhofft", sagte Felbermayr.

Die Nettobelastung für die deutsche Volkswirtschaft sei mit jährlich 20 bis 25 Milliarden Euro erheblich, so Felbermayr. Diese Belastung bestünde selbst dann weiter, wenn die Migranten in den Arbeitsmarkt hineinwachsen würden: Aufgrund deutlich unterdurchschnittlicher Löhne würden sie nur unterdurchschnittlich Steuer und Sozialversicherung einzahlen. Aber: "Nicht zu integrieren, würde die 20-Milliarden-Rechnung jedes Jahr neu kommen lassen."

65 Prozent der Migranten in Beschäftigung seien in schlecht bezahlten Berufen, etwa als Hilfsarbeiter oder in der Gastronomie, eingesetzt, teilweise befristet, "im unteren Segment, hart am Mindestlohn", sagte der Experte. "Die Qualifikationsprofile sind nicht so, dass sie Mangelberufe ausfüllen können." Diese wären etwa Pflegeberufe, aber dafür brauche man Deutschkenntnisse. Doch nur 20 Prozent der 2015 ins Land gekommenen Migranten würden von sich behaupten, gut bis sehr gut Deutsch zu sprechen. Diese geringe Rate liege auch an der Überforderung der Einrichtungen, die Deutschkurse anbieten.

"Bringt dem Sozialsystem nichts"
Allerdings gebe es auch in Pflegeeinrichtungen Küchen, und würden Migranten dort eingesetzt, mache dies die Dienstleistungen aufgrund der Dämpfung des Lohnauftriebs erschwinglicher. Den Sozialsystemen bringe das aber nichts. "Aus der Flüchtlingsgeschichte ein Geschäft zu machen, ist zynisch", warnte Felbermayr.

Derzeit würden sich in Deutschland 1,6 Millionen Geflüchtete aufhalten, rund eine Million von ihnen seien Männer unter 30 Jahren. Nicht viel anders sei die Situation in Österreich: "Es ist frappierend, wie ähnlich die Dinge laufen", sagte Felbermayr, aber: "In Österreich ist es eher noch schwieriger."

Deutliche Diskriminierung in Österreich
Hierzulande würden Migranten auf dem Arbeitsmarkt deutlich gegenüber Einheimischen diskriminiert, insbesondere im Vergleich zu Skandinavien, aber auch zu Deutschland. Als besorgniserregend bezeichnete der Wissenschaftler, dass der Anteil von Geflüchteten, die das duale Ausbildungssystem nützen, gering sei. "Dieses Tor scheint eher geschlossen als offen zu sein."

Das habe mit den Flüchtlingen vom Westbalkan gut funktioniert. Felbermayr sprach in diesem Zusammenhang von einem "mangelnden Grundkonsens" mit den Arbeitgebern, besonders was Pünktlichkeit und Arbeitsethik angehe. Zudem seien Geflüchtete häufiger krank als einheimische Arbeitskräfte, weil sie zum Teil noch traumatisiert seien. Bei der Gruppe von Geflüchteten aus den Hauptherkunftsländern wie etwa Syrien, Irak und Eritrea seien die Integrationsprobleme am größten. Kaum vorhanden seien sie bei Migranten aus Fernost, Südamerika oder Europa. Hinzu komme, dass Abschlüsse und Zertifikate aus zahlreichen Ländern mit denen in Europa nicht vergleichbar seien. 2015 habe es eine Euphorie gegeben, dass nun Chefärzte ins Land kommen würden. "Das ist nicht so", stellte Felbermayr fest.

Befürchtungen zu Familiennachzug "maßlos übertrieben"
Hingegen würden demnächst ein Viertel aller Hartz IV-Empfänger in Deutschland Flüchtlinge sein - das wäre eine Million Menschen. Insgesamt sinke zwar die Zahl der Hartz-IV-Empfänger seit 2005, aber "die nächste Rezession kommt bestimmt", so der Experte. Befürchtungen der AfD, wonach der Familiennachzug bis zu eine Million Menschen ins Land bringen werde, bezeichnete Felbermayr als "maßlos übertrieben". Er rechne mit bis zu 150.000 Menschen, da die Mehrzahl der im Land Lebenden aufgrund ihres geringen Alters keine Kinder habe.

Der Wissenschaftler appellierte an die Politik, die Asylverfahren zu beschleunigen und eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Integration sei auch aus sozialpolitischen Gründen nötig: Es sei Konsens, dass der Flüchtlingszustrom zu einem Anstieg der Kriminalität beigetragen habe, sagte Felbermayr. "Das hat aber mit der Zusammensetzung zu tun: Junge Männer, auch Deutsche, haben mehr Neigung zum Schwarzfahren als andere." Bei schwereren Delikten wie etwa Diebstahl seien Migranten oft selbst Opfer. Felbermayr spricht da von "Kompositionseffekten": Viele Taten fänden in Flüchtlingsunterkünften statt. "Das liegt aber nicht daran, dass Migranten krimineller sind als Einheimische", sagte der Experte.

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