Filzmaier analysiert

Rechts und links als Polarisierung

Österreich
19.11.2017 08:28

Fragt man Politiker nach ihrer Ideologie, so gibt es immer wieder eine Standardantwort zu hören: Rechts oder links seien überholte Begriffe. Kaum jemand von den Freiheitlichen will als strammer Rechter gelten. Umgekehrt betonen viele Spitzenpolitiker aus der SPÖ, dass sie sicher keine sozialistischen Linken seien. Warum ist das eigentlich so? Politologe Peter Filzmaier analysiert.

Was bedeutet das Rechts-links-Schema überhaupt? Rechte Parteien sind libertär und am Markt orientiert. Sie vertrauen auf den freien Wettbewerb und auf eine Art unsichtbare Hand - so nannte es der Ökonom Adam Smith - als automatische Regelung der Wirtschaft. Eine Einflussnahme des Staates wird abgelehnt. Hier sind die NEOS mit ganzem Herzen sowie ÖVP und FPÖ halbherzig rechts stehend.

Müssen im Umkehrschluss linke Parteien immer für "mehr Staat" sein? Wirtschaftspolitisch ja, weil sie die Notwendigkeit staatlicher Regeln betonen, um gleiche Chancen und soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Das Motto einer solchen Gleichheit gilt genauso für Bildung & Co.

Es ist komplizierter
Wollen also die Rechten mehr und die Linken weniger Freiheit für den Einzelnen? Nein. Es ist komplizierter. Die FPÖ lehnt Rauchverbote ab, weil jeder in seinem Tun frei sei, sogar wenn es ungesund ist.

Von der Sicherheits- bis zur Zuwanderungspolitik wird eine ÖVP/FPÖ-Regierung jedoch - anders als Rote und Grüne in Wien - einen "Recht und Ordnung"-Kurs fahren. Zur besseren Überwachung werden persönliche Freiheitsrechte beim Datenschutz hingegen für weniger wichtig gehalten.

War die Nationalratswahl 2017 somit ein Rechtsruck? Rechnerisch ist das ungenau. ÖVP und FPÖ haben in Summe rund 13 Prozentpunkte gewonnen. Doch gingen rechts der Mitte fast zehn Prozent der Stimmen verloren, weil Team Stronach und BZÖ nicht antraten. Das ergibt einen Saldo zugunsten der Rechten, der aber kein Erdrutsch ist.

Mitte aus wahltaktischen Gründen bevorzugt
Wahltaktisch wollen Parteien sowieso in der Mitte stehen, wo sie die meisten Wähler vermuten. Aus demselben Grund beschimpfen sich Parteimenschen und deren Anhänger gegenseitig als Rechts- oder Linksaußen.

Zugleich herrscht große Wehleidigkeit, man selbst würde angeblich als Nazi oder Sowjetkommunist verunglimpft. Österreich hat aufgrund seiner Geschichte besonders beim Rechtsextremismus sensibel zu sein. Trotzdem helfen wechselweise Pauschalurteile wenig.

"Faschismus und Stalinismus sind keine diskutierbaren Meinungen"
Schriftsteller Erich Fried sagte, dass Unrecht der einen Seite nie Unrecht der anderen Seite begründen darf. Faschismus und Stalinismus sind keine diskutierbaren Meinungen, sondern Verbrechen. Wer sich ideologisch so aufstellt, dass rechts oder links davon bloß die Wand ist, der wird jede andere Meinung als Gegenextrem empfinden. Diese Polarisierung macht Angst.

Peter Filzmaier, Kronen Zeitung

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