"Runter! Terrorist!"

Neuer Trend: “Schieß-Abenteuer” im Heiligen Land

Ausland
16.11.2017 12:41

Männer und Frauen in T-Shirts und kurzen Hosen stehen zwischen Marktständen und filmen mit ihren Handys die Umgebung. Plötzlich knallt es, Soldaten mit Schnellfeuerwaffen rennen herbei, rufen: "Runter! Terrorist!" Sie schießen, einer zieht eine Frau hinter sich und kauert sich auf den Boden. Nach wenigen Sekunden ist der Spuk vorbei - und drei Pappfiguren sind durchlöchert.

Willkommen bei "Caliber 3" im besetzten Westjordanland: israelische Schießanlage für Soldaten und Wachleute sowie Anbieter von zweistündigen "Schieß-Abenteuern" für Touristen inklusive simulierter Messerattacke und Schießtraining mit Schnellfeuerwaffen. Preis: knapp 100 Euro pro Person. Bis zu 25.000 Urlauber besuchen "Caliber 3" nach dessen Angaben pro Jahr, Tendenz steigend.

"Wenn die Leute kommen, wissen sie nicht, was sie erwarten sollen", sagt Eitan Cohen, Leiter der Kampfausbildner. "Caliber 3" biete ihnen etwas Ungewöhnliches. "Wir nennen es 'out of the box'." Alle Ausbildner haben jahrelang bei der israelischen Armee gedient - unter anderem in Eliteeinheiten.

Ganze Touristengruppen kommen, um zu schießen
Viele Besucher kommen aus den USA, andere stammen aus Südamerika, Europa oder China. "Ich bin hier, um einen Einblick zu bekommen, wie die israelische Armee arbeitet und womit sie sich Tag für Tag auseinandersetzt", sagt der Tourist Dave Coen.

Der Leiter Eitan Cohen spricht mit der Gruppe über die simulierte Attacke auf dem Markt. Während sich die Gruppe auf Cohen konzentriert, greift einer der Ausbildner mit einem schwarzen Plastikmesser plötzlich Dave Coen an. Doch der tritt ihn, die anderen Soldaten reißen den Angreifer zu Boden, entwaffnen ihn. In Sekunden ist auch diese simulierte Attacke vorbei.

In den vergangenen zwei Jahren haben immer wieder Palästinenser Israelis mit Messern angegriffen. Bei der Gewaltwelle wurden insgesamt rund 50 Israelis getötet sowie rund 300 Palästinenser - die meisten bei ihren eigenen Anschlägen.

Über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern wollen die Mitarbeiter von "Caliber 3" allerdings nur ungern reden. "Wir versuchen, nicht in den Konflikt zu geraten", sagt Ausbildner Yaacov Ehrlich. "Das ist nicht der Bereich, in dem wir uns auskennen. Wir sprechen auf einem taktischen Level" - wie mit der Situation umzugehen ist.

Großer Ärger über "Caliber 3"
"Caliber 3" liegt südwestlich von Bethlehem nahe der israelischen Siedlung Efrat - und der palästinensischen Kleinstadt Beit Fajjar. "Es hat unser Leben beeinflusst", schimpft der dortige Bürgermeister, Akram Takatka, über die Schießanlage. Ein Teil des Landes sei früher landwirtschaftlich genutzt worden. "Wir können unser Vieh nicht mehr dorthin bringen." Die Menschen würden sich auch fürchten, in die Nähe zu gehen. "Die Schießgeräusche sind laut und machen Angst."

Nach Auffassung der Vereinten Nationen verstößt die Einrichtung sogar gegen internationales Recht, da sie sich auf besetztem Gebiet befindet. Israel hatte 1967 während des Sechs-Tage-Krieges unter anderem das Westjordanland erobert und kontrolliert es bis heute weitgehend. Die Palästinenser beanspruchen das Gebiet für einen unabhängigen Staat Palästina.

"Esch, Esch, Esch" und Feuer frei
Dave Coen und seine Mitreisenden interessiert das nicht, sie sind begeistert von der Anlage. Nach einer inszenierten Grenzkontrolle mit Wachhund dürfen sie schießen. Erst trainiert die Gruppe mit Holzattrappen die richtige Haltung: ein Bein vor, Waffe mit der Schulter stabilisieren. Dabei ruft die Gruppe "Esch, Esch, Esch" - Hebräisch für "Feuer". Anschließend feuern sie auf Luftballons.

"Caliber 3" ist nicht die einzige Einrichtung dieser Art. Auch in Israel bieten ehemalige Soldaten Ähnliches. "Es ist ein wachsender Markt", sagt Hani Sand vom Reiseanbieter "Travel Composer" in Tel Aviv.

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