"Krone"-Interview

Dagmar Koller: "Ich war immer eine Nummer eins"

Adabei
19.11.2017 06:00

Dagmar Koller (78) hat ihr üppiges Archiv an Privatfotos geöffnet, um daraus das Buch "Goldene Zeiten" entstehen zu lassen. Ein Zeitdokument - lustig, bunt, schillernd - wie sie selbst. Mit der "Krone" plauderte die Musical-Lady über Schwiegermütter, knackige Popos, Botox und Zigaretten.

All diese vielen Erinnerungen, diese munteren Geschichten, die da immer auftauchen in Dagmar Kollers Kopf, sobald sie zu erzählen beginnt, immer ungeschönt und frei von der Leber weg - die wollte Michael Balgavy irgendwo abspeichern, als Hommage, verpackt zwischen zwei Buchdeckeln. Also drückte Dagi ihrem um 40 Jahre jüngeren Begleiter und Herzensfreund ein paar Kisten in die Hand, vollgestopft mit tausenden Privatfotos, und zu fast jedem gibt es eine Schnurre.

Irgendwie gelang es trotzdem, das übervolle Leben der Sängerin, Tänzerin und Helmut-Zilk-Ehefrau in einen Bild- und Erzählband zu bannen. Glückselig strahlend blättert die 52 Kilo leichte Operetten- und Musical-Diva nun in dem farbenprächtigen Werk, und schon beginnt sie wieder zu sprudeln …

"Krone":Wie ist es dir ergangen beim Betrachten der alten Bilder?
Dagmar Koller: Ich hab gelitten! Ich hab mir gedacht, um Gottes Willen, das sind ja Sachen, die hab ich selbst noch nie gesehen.

Haben dich die Fotos wehmütig gemacht?
Ja, sehr! Vor allem, weil die Veränderung so stark ist beim Älterwerden. Man muss lernen, damit fertig zu werden. Dabei hat das Alter Vorzüge, nur Vorzüge! Ich hab mich noch nie so frei gefühlt wie jetzt. Früher war ich immer unter dem Dings von jemandem - Direktoren, Regisseure. Auch der Zilk hat ganz schön aufgepasst, dass ich nicht zu vorlaut bin. Jetzt kann ich sagen, was ich will. Und ich hab das Glück, dass ich noch sehr aktiv bin und jeden Tag trainiere.

Du trainierst noch?
Ja, jeden Tag, also MEIN Balletttraining, das MEINEM Körper guttut. Etwa das Gehen in High Heels, das darfst du nie aufgeben, das ist so wichtig für den Hintern! Na ja, ganz so knackig ist er nicht mehr, es lässt schon nach, alles lässt nach. Aber den Schmähspagat, wo man sich von oben runter fallen lässt, den kann ich noch.

Du hattest noch nie kosmetische Eingriffe?
Nie! Ich hatte doch keine Zeit dafür. Nicht einmal Botox hab ich. Schau mal, diese Zornesfalte von mir, die hat doch kein Mensch mehr heutzutage. Aber ich hab sie ja gebraucht für die Aldonza in "Der Mann von La Mancha". Meine Haut hat auch schon viel mitgemacht, wenn ich denke, ich hatte ja drei Berufe damals: Da war ich die Frau vom Zilk, dann öffentlich mit ihm in der Politik unterwegs, und jeden Abend Vorstellung in der Volksoper. Ich hatte die schweren Rollen, "Hello Dolly", "Kiss me Kate". Nach dem Abschminken dann noch mal Schminken zum Ausgehen.

Aber Kolleginnen von dir…
… bei denen seh ich ja, wie schrecklich sie aussehen, nachdem sie was machen haben lassen. Ihr Gesicht ist gesichtslos. Bei mir entdecke ich jeden Tag eine neue Falte. Ich hab nicht einmal Zeit gehabt für eine Gurkenmaske, als der Zilk Bürgermeister war. Er hat immer die Leute in meine Vorstellungen geschickt. Ich war immer eine Nummer eins, immer Hauptrollen. Alle aus der Politik waren da - bis zum Bundespräsidenten, wenn ich Premiere hatte. Heute geht ja kein Politiker mehr ins Theater.

Wie kommentierst du die Geschichte von der "Bild"-Zeitung, wo du eingestanden haben sollst, ein Verhältnis mit einem Regisseur gehabt zu haben?
Ich hab denen nie ein Interview gegeben! Kannst du dir vorstellen, dass ich jemanden sage: "Ich bin mit dem Mann ins Hotelzimmer gegangen, esse mit ihm in Liebe und gehe dann mit ihm ins Bett? So habe ich Helmut Zilk betrogen!" Kannst du dir das vorstellen? Das ist doch pervers! Das ist aus dem Jahr 1973, da war ich in der DDR sehr, sehr aktiv und sehr berühmt, da hab ich den Helmut noch nicht gehabt, war nur seine Bekannte, ihn hab ich erst 1978 geheiratet. Ich wohnte damals in der Schweiz, in Zürich, hier war ich nur zu Besuch. Seine Mutter führte den Haushalt, ich hab mich über die Wohnung immer furchtbar aufgeregt, weil sie hatte so rote und grüne Wände. Zilks Mutter aber hab ich so gerne gehabt!

Und auch das Herz der Schwiegermutter gewonnen?
Ja, das war mein Trick! Das Wichtigste ist, dass du mit der bösen Schwiegermutter gut auskommst. Zu all den anderen Frauen war sie eine Hexe, zu mir - die Liebste! Ich hab immer zu ihr gesagt: Jöö, das hast du schön gemacht! Sie hat mir gezeigt, wie man die Wäsche macht, wie man die Strümpfe ineinanderstülpt, wie man die Unterhosen zusammenlegt.

Wie war deine Mutter zum Zilk?
Die haben sich gehasst. Sie war todunglücklich, dass ich ihn auserwählt hab. Sie wollte für mich nicht jemanden, der schon zweimal verheiratet war. Ich hatte eine sehr strenge Mutter, heute bin ich ihr sehr dankbar, sie hat mich auf die Härte des Lebens toll vorbereitet. Oft ertrug ich sie nicht, aber ich war lieb zu ihr, weil sie ja alleine zwei Kinder, mich und meinen Bruder, großgezogen hat. Ohne einen Groschen von einem Mann.

Wie siehst du die aktuelle #metoo-Debatte über sexuelle Übergriffe?
Das ist schon jeder Frau passiert, auch mir. Ich war immer ein Mädchen, das sehr begehrt war. Dass mich alle verehrt haben, hat mir auch gut getan. Aber da waren schon welche, die mir zu nahe gekommen sind. Wenn sie mich küssen wollten, hab ich ihnen eine geschmiert. Ich hab mich sofort gewehrt. Da oben beim Busen haben sie bei mir zwar nie gegrapscht, weil da war nichts zum Grapschen.

Haben sie dir auf den Hintern geklopft?
Immer! Immer! Das hat auch der Helmut gemacht. Wenn eine Frau einen schönen Arsch gehabt hat und er kannte sie, dann - patsch. Das machte er auch vor mir. Im Burgtheater hat er sich einmal vertan. Vor uns ist die Frau Jungbluth gegangen, die war sehr attraktiv, sie hatte auch einen Ballon von einem Hintern. Auf einmal macht der Zilk patsch, sie dreht sich um - war das eine fremde Frau. Er hat sich sofort entschuldigt, wir haben alle gelacht. Aber ich finde es gut, dass diese Hollywoodstars jetzt alle aufstehen, ja, mit Recht tun sie es.

Wie war das bei dir?
Es war gang und gäbe damals. Was hab ich nicht oft in meiner Garderobe bitterlich geweint, ich war schon immer wieder richtig geschockt. Einmal hat ein Mann, dessen Name ich nicht verraten will, beim Vorsprechen die Türe zugesperrt, das war hier in Wien in seinem Büro. Gott sei Dank kam seine Frau, eine berühmte Schauspielerin, sie rüttelte an der Tür.

Was hat sich für dich nach dem Tod von Helmut Zilk verändert?
Das Alleinleben finde ich entsetzlich. Entsetzlich! Ich sitz da, schau in den Fernseher rein, dann hol ich mir einen Whisky, auch ein Zigaretterl, es liegt auch eine Pfeife da, auch die zünd' ich mir manchmal an - dann riecht es hier in der Wohnung wenigstens ein bisserl.

Wie stehst du zum Rauchverbot?
Ich bin gegen jedes Verbot. Natürlich morden darfst du nicht … Aber zu rauchen, eh nur hie und da, hab ich erst zum Spaß angefangen wegen des Verbots. Als Protest. Ich bin keine Raucherin, gar nicht, ich schau ja nur meinen Kugerln zu, ich inhaliere nicht. Natürlich bin ich froh, dass es im Flugzeug nicht mehr stinkt, das war früher entsetzlich, die Augen haben so arg gebrannt.

Seit du den 38-jährigen Michael als Begleiter an deiner Seite hast, wurde ja viel spekuliert über eure Freundschaft …
Die "Bunte"-Zeitschrift hat das gebracht, da haben wir zusammen in Sansibar Urlaub gemacht. Wir waren nicht einmal miteinander schwimmen. Nur einmal sagt der Michael zu mir: "Du, Dagmar schau, du hast da ein Wimmerl hinten am Rücken", und zeigt hin. Und ich, geich ganz eitel, kennst mich eh: "Wo? Wo? Wo?" Genau in dem Augenblick wurden wir geknipst, da stand er sehr nahe bei mir. Jetzt ist er bekannt bis Kiel. Oft werde ich nun von alten Damen auf der Straße angesprochen, die gratulieren mir, das ist doch entzückend. Durch den Michael krieg ich jetzt viel mehr mit, wir gehen oft ins Theater, auch in Kellertheater.

Ein großer Altersunterschied ist ja immer ein Thema?
Ja, wie beim Emmanuel Macron und seiner Brigitte. Die beiden liebe ich, die sind so süß. Und er scheint auch so sensibel zu sein. Die sind ein Vorbild für uns.

Melania und Donald Trump auch?
Diese hübsche Frau tut mir leid, wie sie da immer dahinter herlaufen muss. Aber über die zwei kann ich kein Urteil abgeben, weil er mir ja gar nicht liegt als Typ.

Wie definierst du denn eigentlich dein Verhältnis zu Michael?
Er ist ein wirklicher Herzensfreund, als ich krank war, hat er mir sogar was zu essen gebracht. Chili con Carne, das Rezept ist im Buch drinnen. Der Michael ist ein sehr gescheiter und sozialer Mensch, er mag nicht, wenn man einsam ist.

Bereust du es, keine Kinder bekommen zu haben?
Nein. Aber der Helmut und ich, wir wollten schon welche, der Arzt hat auch gesagt, dass das möglich wäre. Aber dann gab mir die Volksoper das Engagement der "Hello Dolly". Da hab ich zum Helmut gesagt, du, ich würde die Dolly so gerne einmal in meinem Leben gesungen haben … Irgendwann wollten wir ein Kind adoptieren, ein chinesisches. Wir sind nach Macau geflogen und waren im Waisenhaus, haben ein drei Monate altes Baby ausgesucht, einen Buben. Aber dann hieß es, ich muss hier jetzt drei Monate bleiben, um das Kind an mich zu gewöhnen. Na, das ging doch nicht, ich musste ja singen … Dann haben wir den Wunsch weggedrängt. Aber ich wäre eine gute Mutter gewesen.

Was kommt noch auf dich zu?
Ich weiß, dass ich noch gute 10 Jahre leben werde. Meine Mutter wurde 97 und hat mich bis dahin terrorisiert.

Karin Schnegdar, Kronen Zeitung

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(Bild: kmm)



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