Kaum Therapieplätze

Kinderseele in Not

Gesund
18.11.2017 06:00

Immer mehr junge Menschen kämpfen mit psychischen Krankheiten, werden aber oft nicht ernst genommen und bekommen kaum professionelle Hilfe. So besteht die Gefahr, dass aus ihnen kranke Erwachsene werden. Experten fordern gezielte Angebote und Vorsorgemaßnahmen.

Sie sitzen stundenlang am Computer, spielen mit dem Handy, sind übergewichtig, können sich nicht konzentrieren und haben immer öfter soziale Defizite: Wie unfair so eine Beurteilung einer ganzen Generation doch ist! Denn eigentlich müssten sich die Maßstäbe für die Befindlichkeit und Gesundheit unsere Kinder und Jugendlichen so anhören: Sie werden ausreichend und individuell gefördert, erlernen altersgerechte Vorsorgestrategien, haben Zugang zu Therapieplätzen und psychosozialen Einrichtungen, wachsen in geschützter familiärer Atmosphäre auf, werden nicht vernachlässigt oder Gewalt ausgesetzt und wenn, erhalten rasch Hilfe.

Das sind nämlich exakt die Forderungen der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga), die vor kurzem anlässlich eines großen Berichtes zum Thema formuliert wurden. Andernfalls ergibt sich eben anfangs erwähntes Bild. Präsident Dr. Christoph Hackspiel bei einer Pressekonferenz in Wien: "Es ist eigentlich eine Zumutung, dass eine so große und für die Zukunft Österreichs relevante Bevölkerungsgruppe keine Interessensvertretung hat!" In Österreich leben rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche, sie machen damit rund 20 Prozent der Bevölkerung aus. Obwohl bekannt ist, dass frühe Investitionen sich in einem besseren körperlichen und seelischen Gesundheitszustand von Kindern und damit später auch der Erwachsenen niederschlagen, erhalten sie nur ca. 6 Prozent der Gesundheitsaufwendungen! Damit rangieren wir europaweit auf einem der letzten Plätze.

170.000 Betroffene

Auch beim Wissen um Gesundheitsthemen ist es nicht weit her, wie Untersuchungen zeigen, hier sind Schulen und Bildungseinrichtungen in der Pflicht. Besonders, wenn es um psychische Krankheiten geht. Schätzungen zufolge gibt es zumindest 170.000 Betroffene, die einer Therapie bedürfen. Depressive Verstimmungen, Bindungs-, Angst-, Zwangs- und Essstörungen, Rückzug in virtuelle und nicht selten viel zu früh in pornografische Welten usw. nehmen nicht nur deutlich zu, es leiden immer mehr Minderjährige darunter. "Enttabuisierung und verständliche, konkrete Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche wären wichtige nächste Schritte zur Verbesserung der Situation", plädiert Mag. Hedwig Wölfl, Psychologin und Vizepräsidentin der Kinderliga für mehr Unterstützung.

Dazu gehören mehr Kassenstellen für speziell geschulte Psychiater, multiprofessionell besetzte Ambulatorien (gibt es kaum), Akutbetten und stationäre Therapieeinrichtungen (es fehlen zwei Drittel). Dr. Hackspiel betont, dass moderne gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die Eltern mehr Zeit geben, sich um den Nachwuchs ausreichend zu kümmern, notwendig wären und regt die politische Einrichtung eines Bundeskinderbeirates an.

Karin Podolak, Kronen Zeitung

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