"Heast, du Wappler!"

Die Wiener reagieren sich beim Schimpfen ab

Österreich
23.10.2017 11:24

Nicht gerade selten entfährt dem echten und gelernten Wiener ein mehr oder weniger deftiger Ausspruch. Einer Studie zufolge wollen die wenigsten damit aber wirklich beleidigen. Im Zunehmen ist demnach das Schimpfen, um sich abzureagieren. Scherzhaft-kosendes Fluchen à la "Heast, du Wappler!" sei hingegen seltener geworden. Die Top-Schimpfwort-Klassiker haben sich allerdings nicht verändert ...

Ein herzhafter Kraftausdruck sei entgegen vieler Annahmen nicht unbedingt dazu gedacht, einem gerade anwesenden oder durch Abwesenheit glänzenden Gegenüber eine Kränkung oder Beleidigung auszurichten. Viel häufiger gehe es dabei um eine reinigende Funktion. Belege für diese Hypothese sammelt die gebürtige Ukrainerin Oksana Havryliv seit 2006 in Wien mit ihrem ergiebigen Schimpfwort-Reservoir. Möchte man tatsächlich etwas über das Fluchen herausfinden, müsse man sich dem Dialekt zuwenden, "denn der ist den Sprachträgern emotional einfach näher", ist die Forscherin vom Institut für Germanistik der Universität Wien überzeugt.

Schimpfen, um negative Emotionen loszuwerden
In zwei Untersuchungen im Verlauf von sieben Jahren zeigte sich, dass die gängige Sprachpraxis vor allem "produktive Aspekte" und weniger destruktive Züge aufweist. In beiden Studien wurden jeweils 36 Interviews geführt und 200 Fragebögen von Personen ausgewertet, die den größten Teil ihres Leben in Wien zugebracht haben. Erstaunlicherweise lag der Anteil jener Befragten, die angaben, tatsächlich eine gewalttätige oder beleidigende Intention zu verfolgen, jeweils bei exakt elf Prozent. Bei Weitem am häufigsten wird geschimpft, um negative Emotionen loszuwerden. Der Anteil an Personen, die vorrangig aus diesem Grund fluchen, stieg demnach sogar von 64 auf 73 Prozent.

Mehr Zurückhaltung beim "Wiener Schmäh"
Eher scherzhaft gemeinte Kraftausdrücke - also beispielsweise der Einsatz des sprichwörtlichen "Wiener Schmähs", wie "Heast, du Wappler" - kommen Wienern mittlerweile offenbar etwas weniger leicht über die Lippen. "Jetzt trauen sie sich das weniger, weil sie nicht wissen, wie Leute aus anderen Kulturen auf die Beschimpfung reagieren", sagte Havryliv. Manche Befragte fürchteten sogar, dass aus dem Unverständnis ein handfester Streit entstehen könnte.

Mit politischer Korrektheit habe das weniger zu tun. Deren Auswirkung zeige sich eher unter Schülern. Mittlerweile würden Mitschüler zwar weniger häufig aufgrund ihrer Herkunft beschimpft, "aber Schimpfwörter, die auf geistige oder körperliche Besonderheiten abzielen, wie 'Behinderter' oder 'Opfer', haben zugenommen", sagte Havryliv.

Frauen fluchen vielfältiger
Unterschiede zwischen Mann und Frau ergaben sich laut der Forscherin nur wenige. Salopp gesagt, zeigte sich jedoch, dass Frauen etwas vielfältiger und auf bestimmte Anlässe hin gezielter schimpfen. "Frauen gaben auch öfters an, ein bestimmtes Wort etwa nur im Freundeskreis zu verwenden", so die Wissenschaftlerin. Einen sehr ähnlich ausgeprägten Hang zur Selbstbeschimpfung ("Ich Trottel") hätten aber beide Geschlechter.

Video: Wie man mit einem einzigen Wort Wienerisch spricht

Top-3-Ranking
Was die angegebene Häufigkeit der verwendeten Wörter betrifft, setzen die Wiener auf Altbewährtes: Deutlich am häufigsten werden demnach Klassiker wie "Arschloch", "Trottel" oder "Idiot" (in dieser Reihenfolge) gebraucht. Auch wenn sie einer gewissen Veränderung unterliege, müsse man sich um die Wiener Schimpfkultur laut der Germanistin keinesfalls Sorgen machen.

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