Kommentar

6719 Tage für seine Stadt

Salzburg
20.09.2017 20:39

Wenn ich alleine bin
träume ich zum Horizont
und es fehlen die Worte,
ja ich weiß,
dass es kein Licht gibt
in einem Zimmer
wenn die Sonne fehlt.

Die deutsche Übersetzung der ersten Strophe des Welthits des blinden Sängers Andrea Bocelli.

"Time to say goodbye" sagte Heinz Schaden nach 6.719 Tagen im Amt und er verließ den Gemeinderat erhobenen Hauptes.

Ein leerer rötlicher Polstersessel und die berühmte goldene Glocke blieben zurück. Wie mit einer Peitsche hatte der Bürgermeister damit in all den Jahren die oft unterqualifizierten Mandatare angetrieben: Sie sollten weniger streiten, intrigieren und Worthülsen produzieren, sondern wesentliche Kernthemen der Stadt in Bewegung bringen. Heinz Schaden war politisch brutal, aber es war auch notwendig.

Nur ein Beispiel: Er komplimentierte seinen Stellvertreter aus der Polit-Arena hinaus, auch weil dieser - seiner Meinung nach - die Sanierung und den Neubau der Seniorenheime mit zu wenig Dynamik betrieben hatte. Heute sind die Objekte Vorzeige-Häuser. Und 2018 schon ist alles fertig.

Das scheint mir das eigentliche Schicksal von Heinz Schaden zu sein, nicht die fehlenden paar Versicherungsmonate für die Pension: Er brachte die ins Wachkoma diskutierten Projekte endlich auf die Reihe und jetzt erlebt er die Verwirklichung als Bürgermeister nicht.

Wenn ich von der Terrasse unseres Pressehauses über die Stadt blicke, so drehen sich in jeder Himmelsrichtung die Baukräne. Ein urbaner Zentralraum entwickelt sich, er muss leben.

Um die Verdienste Heinz Schadens für die Altstadt zu würdigen, müssen wir ein paar gute Jahrzehnte zurück gehen, als es in Salzburg noch keine regionale "Krone" mit kritischen und unbestechlichen Journalisten gab.

Eine Kamarilla von Politik, Beamten und Bauwirtschaft riss sich die Stadt unter den Nagel. Häuser im historischen Zentrum wurden ausgehöhlt, nur Fassaden blieben stehen, entlang der Hellbrunner Allee sollte eine Trabantensiedlung mit tausenden Wohnungen entstehen.

Deshalb bildete sich unter Herbert Fux und Richard Hörl die wachsame Bürgerliste, die nun zu einem Ableger der linksgrünen Bewegung degeneriert ist, nimmt man Johann Padutsch, den kongenialen Partner Heinz Schadens, als Ausnahme.

Heinz Schaden war höchst ungeduldig. Er versuchte, alle Termine in einen Abend zu packen, da ging sich oft nur der erste Akt einer Theater-Aufführung aus.

Der Bürgermeister musste vor Gericht, weil er nicht mit Steuergeld spekuliert hatte. Eine Ironie der Geschichte.

Heinz Schaden hätte - als er davon erfuhr - diesen ganzen Swap-Dreck sofort bei Gericht anzeigen müssen. Da siegte dann doch die Parteiräson, denn die Salzburger SPÖ wäre implodiert.

Thomas Bernhard ätzte, seine Heimatstadt sei in Wirklichkeit eine Todeskrankheit, in die ihre Bewohner hineingeboren oder hineingezogen wurden.

In 6.719 Tagen hat sich Heinz Schaden redlich bemüht, dies positiv zu verändern.

Dafür gebührt ihm Dank.

Hans Peter Hasenöhrl, Kronen Zeitung

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