"Zeit ohne Gnade"

Mahnmal prangt am ehemaligen Wiener Aspangbahnhof

Österreich
07.09.2017 16:37

Auf dem Areal des ehemaligen Aspangbahnhofs in Wien-Landstraße erinnert ab sofort ein Mahnmal an die äußerst dunkle Geschichte des Ortes. Denn die Nationalsozialisten führten hier zwischen 1939 und 1942 Abtransporte von rund 47.000 Menschen - fast ausschließlich Juden - in Ghettos und Vernichtungslager durch. Die Gedenkstätte für die Deportationsopfer wurde am Donnerstag offiziell eröffnet.

Auf das Grauen der Vergangenheit nimmt das Mahnmal im Leon-Zelman-Park direkt Bezug: Auf einer Länge von 30 Metern verlaufen - parallel zur Aspangstraße - zwei konisch sich verengende Betonschienen am Boden, die die Gleisstränge der in den 1970er-Jahren endgültig abgerissenen Verkehrsstation symbolisieren sollen. Diese münden schließlich in einen dunklen hohlen Betonblock, der für den Tod, das Verschwinden stehen soll.

47.035 Deportationen in die Vernichtungslager
"Die Shoah hat nicht nur in fernen Vernichtungslagern stattgefunden", sondern eben auch "mitten in der Stadt, vor den Augen der Bevölkerung", sagte Historikerin Heidemarie Uhl. Sie erinnerte an die 47.035 Deportierten, die in 47 Transporten per Zug in die Vernichtungslager geschickt worden waren. Nur 1073 Menschen überlebten. Zahlen, die auch am Denkmal aufgebracht sind.

"Kein Zeichen von Mitgefühl und Menschlichkeit"
Einer der wenigen, die zurückgekommen sind, ist Herbert Schrott. Der Zeitzeuge sprach am Donnerstag vor allem vom Spott und Hohn der Wiener, der ihm auf dem Weg zum Aspangbahnhof von der Bevölkerung entgegengebracht wurde. "Die Tragödie war damals den Wienern ein Triumph", es habe "kein Zeichen von Mitgefühl und Menschlichkeit" gegeben. Die Familie Schrott wurde zuerst ins Ghetto Theresienstadt, dann nach Auschwitz, dann in ein Nebenlager von Dachau gebracht. Mutter und Sohn überlebten, der Vater kam ums Leben: "Dieses Mahnmal soll an eine Zeit ohne Gnade erinnern."

"Niemals vergessen"
Vertreter der rot-grünen Stadtregierung - unter ihnen Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (beide SPÖ) und der grüne Rathaus-Klubchef David Ellensohn - betonten ebenfalls, dass das Grauen vor den Augen und auch unter Mithilfe der Wienerinnen und Wiener stattgefunden habe. Im Sinne der Mahnung "Niemals vergessen" sei vor allem Vermittlungsarbeit wichtig.

"Es beginnt oft sehr harmlos"
Mailath-Pokorny und Ellensohn betonten beide, dass Erinnerungsorte und das damit verbundene Gedenken auch dazu da seien, "Taten für die Zukunft" daraus abzuleiten, also Ausgrenzung und Antisemitismus nicht zuzulassen und sich für Friede und Menschlichkeit einzusetzen. "Ich sage das jetzt im Hinblick auf den gegenwärtigen Wahlkampf: Es beginnt oft mit Worten und es beginnt oft sehr harmlos", sagte der Kulturstadtrat.

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