"Alles wird besser"

Die wunderbare Welt der Wahlversprechen

Österreich
07.09.2017 13:56

Wenig Steuern, nie wieder volle Ambulanzen, hohe Pensionen, eine Menge Pflegegeld - müssten Politiker nach der Wahl alle Versprechen umsetzen, wäre es eine wunderbare Welt. Das tun sie aber nicht.

Vor Wahlen sind Politiker wie Angler. Sie werfen den Köder aus, frisch und saftig glänzt er in Griffweite - wer der Versuchung unterliegt, der hängt am Haken. Was für eine wunderbare Welt wäre das, wenn alle Wahlversprechen von Gesetz her realisiert werden müssten: Wir würden weniger Steuern zahlen, die Ambulanzen wären nicht mehr voll, es gäbe soziale Gerechtigkeit und Fairness, hohe Pensionen und viel Pflegegeld.

Aber weil Koalitionen von Kompromissen leben (und ein paar Politiker an schwerer Amnesie leiden), stirbt bei Politehen vor allem eines: das Ehrenwort. Bzw. 50 Prozent davon. Politologin Katrin Praprotnik, heute an der Universität Hamburg tätig, analysierte für ihre Dissertation sämtliche österreichischen Wahlversprechen der Jahre 1990 bis 2013 - und verglich sie mit Gesetzestexten, Medienberichten und Statistiken.

Ihr Fazit: Die erste SPÖ-ÖVP-Koalition mit Werner Faymann als Bundeskanzler hielt immerhin 57 Prozent der Versprechen. Eingebracht wurden vor der Wahl 149 Ankündigungen der SPÖ und 70 von ÖVP-Seite.

"Wenn alle Parteien bei den Wahlversprechen auf 100 Prozent Umsetzung bestünden, dann würde es in Koalitionsverhandlungen nie eine Einigung geben", so Politologe Peter Filzmaier. "Das weiß der Wähler aber auch. Die Frage ist eher: Wo werden Wahlversprechen zu plump und zu unrealistisch oder Kompromisse bei den Verhandlungen zu groß."

Große Umfaller
Eines ist klar: Viele Versprechen wurden zu Koalitionsopfern, viele waren auch nur Lügen. Hier ein paar der größten Umfaller:

  • "Sechs Monate sind genug", erklärte schon Bruno Kreisky von der SPÖ im Jahr 1970 und meinte damit den Grundwehrdienst. Sechs Monate waren dann auch genug - allerdings erst 36 Jahre später.
  • Pensionisten sind ein beliebtes Thema. Bei den Nationalratswahlen 1995 versprach Franz Vranitzky (SPÖ) in dem sogenannten Pensionistenbrief, die Kürzungspläne der ÖVP zu verhindern. Nach dem Wahlsieg wurde gekürzt.
  • "Bei Platz drei sind wir in Opposition" - ein Satz von Wolfgang Schüssel (ÖVP) vor der Wahl 1999, der heute noch für Gelächter sorgt. Die ÖVP landete mit 26,9 Prozent der gültigen Stimmen auf dem dritten Platz hinter SPÖ und FPÖ. Schüssel wurde Kanzler.
  • "Die ÖVP ist die Partei der Eurofighter - die SPÖ ist die Partei der Sozialfighter", schimpfte Alfred Gusenbauer noch 2006. Neben "Ja, wir schaffen die Studiengebühren ab" versprach er auch das Abbestellen der Eurofighter. Sie fliegen heute noch.
  • Katrin Praprotnik fand für ihre Dissertation zudem heraus: Am häufigsten eingehalten werden Ankündigungen, die eine Beibehaltung des Status quo versprechen. Aber "Mit mir bleibt alles beim Alten" liest sich auf Plakaten eben nicht besonders gut.

Bitte glauben Sie nur die Hälfte
Etwas mehr als die Hälfte aller Wahlversprechen werden eingehalten. Auch heuer mangelt es nicht an Verlockungen.

  • Die SPÖ verspricht 200.000 neue Arbeitsplätze, mehr Personal beim Heer und der Polizei, illegale sowie Wirtschaftsmigration wird auf null gesenkt, als Zweiter geht Christian Kern in Opposition, Steuergerechtigkeit usw.
  • Die ÖVP will eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent, Zahlungen an Migranten sollen gekürzt werden, mehr Gerechtigkeit, Steuerbonus für jedes Kind usw. Die FPÖ würde für weniger Steuern sorgen, die Sozialausgaben werden gekürzt, die "Zwangsmitgliedschaften" bei den Kammern fallen weg, Mindestsicherung nur noch für Österreicher usw.
  • Die Grünen wollen die Weiterentwicklung Europas, fairen Handel, Grundsicherung und -pension, eine Erbschaftssteuer ab 500.000 Euro, günstige Öffis, 100 Prozent erneuerbare Energie usw.
  • Die NEOS versprechen eine Staats- und Verwaltungsreform, ein Ministerium für Innovation und Digitalisierung, Chancenbonus für Kinder, bessere Bildung usw.
  • Liste Pilz: Reform des Sozialstaates, Halbierung der Parteienförderung usw.

Michael Pommer, Kronen Zeitung

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