Doppelstaatsbürger

Weniger als ein Fünftel der Fälle verdächtig

Österreich
02.09.2017 08:29

Von den von der FPÖ behaupteten illegalen türkisch-österreichischen Doppelstaatsbürgerschaften dürfte nach der Überprüfung durch die Behörden nur ein geringer Teil übrig bleiben. Die Untersuchungen laufen zwar noch, lLaut den zuständigen Landesbehörden muss aber nur bei einem geringen Teil der Fälle ein Feststellungsverfahren eingeleitet werden.

Nach dem türkischen Verfassungsreferendum im März hatte die FPÖ einen Datenstick mit rund 100.000 Namen von Türken in Österreich an das Innenministerium übermittelt. Anfang August sprach Parteichef Heinz-Christian Strache dann von 20.000 "Scheinstaatsbürgern" - die wegen der Teilnahme an dem Referendum die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren müssten. Er forderte auch, diese 20.000 nicht an der Nationalratswahl teilnehmen zu lassen.

FPÖ verzichtet auf Einspruch
Das Innenministerium lehnte dies - gestützt auf ein Gutachten - ab: Das Wahlrecht könne nicht auf Verdacht pauschal aberkannt werden, sondern nur nach entsprechender Feststellung der Staatsbürgerschaftsbehörden. Die FPÖ habe aber die Möglichkeit, in jedem einzelnen Fall Einspruch gegen die Wählerevidenz einzulegen. Darauf hat die FPÖ verzichtet: Im Richtigstellungsverfahren gab es heuer nicht mehr Einsprüche als sonst - und bei den befragten Wahlbehörden war kein einziger Fall eines Einspruches wegen Doppelstaatsbürgerschaft bekannt.

Nur 256 Verfahren in Wien
In der Sichtung der - ihnen vom Innenministerium übermittelten - Daten sind die Behörden der verschiedenen Bundesländern teilweise unterschiedlich vorgegangen. So wurden in den meisten Ländern Feststellungsverfahren offenbar nur in wirklich unklaren Fällen eingeleitet - womit sich die Zahl etwa in Wien auf 256 beläuft. Aber der FPÖ-Landesrat in Oberösterreich meldete, dass 4.000 solcher Verfahren nötig wären.

Türkische Unterlagen sind vorzulegen
Das Feststellungsverfahren sieht unter anderem die Vorlage von Urkunden aus der Türkei innerhalb einer Frist von sechs Wochen vor. Die Betroffenen haben zudem ein Recht auf Parteiengehör. Danach wird mittels Bescheid entschieden. Gegen den Bescheid besteht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht. In Kärnten wurden laut einem Sprecher von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) 84 Feststellungsverfahren eingeleitet. In dem vom Innenministerium übermittelten Datensatz waren 624 in Kärnten wohnhaft.

Bisher 100 Verfahren in Niederösterreich
In Niederösterreich werden 4.000 Fälle sukzessive gesichtet. Bisher seien 100 Personen zur Beischaffung von Beweismitteln aufgefordert worden. Nahezu alle würden um Fristverlängerung ersuchen, weil die Beweise aus der Türkei zu beschaffen seien und dies langwierig sei, hieß es aus der Abteilung Staatsbürgerschaft und Wahlen im Amt der NÖ Landesregierung. In drei Fällen seien bereits Bescheide ergangen, diese seien aber noch nicht rechtskräftig.

Wohl keine Ergebnisse vor der Wahl
Auch aus Oberösterreich wurden 4.000 Verdachtsfälle von österreichisch-türkischen Doppelstaatsbürgerschaften gemeldet - und im Büro von Landesrat Elmar Podgorschek (FPÖ) wurde erläutert, dass zu all diesen Feststellungsverfahren eingeleitet werden müssten. Begonnen wurde bisher mit 50 Verfahren. Wegen der langen Dauer von mehreren Wochen bis Monaten sei mit Ergebnissen vor der Nationalratswahl nicht mehr zu rechnen.

1600 Doppelstaatsbürger in Salzburg
In Salzburg wurden rund 1.600 Personen ausgemacht, die zugleich österreichische wie türkische Staatsbürger sind. Derzeit wird geprüft, ob sie die Doppelstaatsbürgerschaft zu Recht besitzen, sagte Michael Bergmüller, der Leiter des Referats Wahlen und Sicherheit. "Wenn dafür kein Rechtsgrund ersichtlich ist, wird ein Verfahren eingeleitet."

Bergmüller geht davon aus, dass sich die Zahl reduzieren wird. Noch seien nicht alle Fälle geprüft, bisher wurden 80 Feststellungsverfahren eingeleitet. Aberkennungsbescheid gab es bisher keinen, erste Entscheidungen sollten demnächst vorliegen. Auch Bergmüller verwies darauf, dass "so ein Verfahren dauert."

Zuständige Behörde in Wien wird aufgestockt
In Wien hatte man es mit 18.500 potenziellen Verdachtsfällen von der Liste zu tun. Inzwischen sind 256 Feststellungsverfahren eingeleitet worden, sagte Werner Sedlak, Leiter der zuständigen MA 35. Wie lange es dauert, das gesamte Verzeichnis durchzuarbeiten, sei seriöserweise nicht absehbar. Jedenfalls ist die MA 35 inzwischen um sieben Mitarbeiter aufgestockt worden, weitere 13 werden demnächst ihren Dienst dort beginnen.

In der Steiermark müssen 171 Fälle näher überprüft werden, in Tirol 1838. In Vorarlberg sind es gar nur 19 Fälle, in denen die Prüfung noch im Gange ist. Der zuständige Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP) rechnete hier mit einer Klärung der offenen Fragen in der nächsten Woche.

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