Armutsgrenze

Mindestpensionist: “Fühle mich im Stich gelassen”

Österreich
27.08.2017 06:00

Die Hälfte der 2,8 Millionen österreichischen Pensionisten lebt an der Armutsgrenze. In der "Krone" sprechen zwei Mindestrentner. Darüber, dass sie kaum genug Geld für Essen haben - und dass für sie eine kaputte Waschmaschine eine Katastrophe bedeutet.

Seine 58-Quadratmeter-Wohnung im zweiten Stock eines Gemeindebaus wirkt fast wie ein kleines Museum. Altes Kinderspielzeug, verblichene Bücher, Bilder, Vasen, Statuen, die vor langer Zeit gefertigt wurden, stehen überall in den Regalen oder sind feinsäuberlich in Holzkisten verpackt. Erinnerungsstücke an das Früher, "als mein Leben noch schön war", sagt Herbert L., und seine Augen füllen sich mit Tränen.

"Mir bleiben bloß knapp 200 Euro"
Der 78-Jährige ist einer jener 1,4 Millionen Pensionisten in Österreich, die Mindestrente beziehen und damit ein Dasein an der Armutsgrenze führen. 917,48 Euro bekommt der Mann, der einst "im Sommer am Bau, im Winter als Schneeräumer" gearbeitet hat, monatlich vom Staat ausbezahlt: "Würde eine liebe Nachbarin nicht oft für mich mitkochen, dann bliebe mir nichts anderes übrig, als nur Nudeln und Reis zu essen. Denn abzüglich der Miete, der Kosten für Strom, Gas, Haushaltsversicherung und für die vielen Medikamente, die ich brauche, bleiben mir bloß knapp 200 Euro."

Herbert L. leidet an Diabetes, "außerdem hatte ich schon einen argen Hinterwandinfarkt". Trotz seines geringen Einkommens lehnte die Krankenkasse bislang sämtliche seiner Anträge auf Befreiung von der Rezeptgebühr ab. Mit der Begründung, dass seine Bezüge um ein paar Euro zu hoch seien: "Da fühle ich mich ziemlich im Stich gelassen."

"Die Einsamkeit macht mir zu schaffen"
Wie verbringt er seine Tage? "Ich bin meistens daheim." Alleine. "Die Einsamkeit macht mir zu schaffen." Und die Trauer. "2015 starb meine Frau plötzlich in meinen Armen an Herzversagen." Vor einem Jahr der nächste Schicksalsschlag. Sein Sohn, er war erst 35, "mein einziges Kind", hatte eine Grippe nicht auskuriert - und erlitt in der Folge ein multiples Organversagen. "Die Begräbnisse finanzierte ich zum Teil von meinem wenigen Ersparten, bis heute stottere ich Raten beim Bestatter ab."

Herr L., gibt es überhaupt noch irgendwelche Freuden für Sie? "Ja, wenn ich manchmal die Kraft habe, mich in einen Bus zu setzen, raus aus der Stadt zu fahren und in einem Wald spazieren zu gehen." Wovon träumen Sie? "Davon, noch einmal das Meer sehen zu dürfen."

"Die Wünsche werden bescheiden"
"Die Wünsche werden bescheiden, mit wenig Geld", weiß Helene St., 63, aus eigener Erfahrung. 844 Euro stehen ihr monatlich zur Verfügung, in der Rente. "Obwohl ich von Jugend an geschuftet habe." Zunächst als Kindergartenhelferin, später als Funksprecherin, Taxlerin und Teilzeitkraft in einem Callcenter. "Ich bin zwischendurch auch zuhause gewesen. Nachdem mein Bub auf die Welt kam - und später, in meiner zweiten Ehe, kümmerte ich mich um die Kinder meines Mannes. Der allerdings irgendwann eine jüngere Frau fand und sich von mir scheiden ließ."

Weshalb sie, "dann ganz auf mich gestellt, mit meiner frühzeitigen Pensionierung wegen eines offenen Beins" in ein finanzielles Desaster schlitterte. "Ich bin froh, dass ich einen kleinen Garten habe. Da baue ich Obst und Gemüse an, was ich davon nicht gleich verbrauche, koche und friere ich ein. So komme ich das ganze Jahr halbwegs über die Runden."

Und sonst? "Gibt es nicht viel zu berichten - denn die Möglichkeiten, ein Leben außerhalb meiner eigenen vier Wände zu führen, sind beschränkt."

Kaffeehausbesuch wäre "ein Luxus"
"Zum Glück bin ich nicht eitel und verwöhnt, das ist jetzt ein großer Vorteil", sagt Helene St. und lacht sogar ein bisschen. Kleidung kauft sie ausschließlich in Secondhand-Läden. Friseurbesuche "kann ich mir nicht leisten, ich schneide meine Haare mittlerweile selbst". Ein Kaffeehausbesuch wäre "ein Luxus, auf den ich gerne verzichte. Weil ich versuchen muss, jede Woche einige Euroscheine wegzulegen, für Notfälle."

Sollte ihr geliebter Hund, "meine 'Flocke'", eine Tierarztbehandlung brauchen, "oder eines meiner Geräte den Geist aufgeben". Eine kaputte Waschmaschine bedeutet für die 63-Jährige nämlich "eine echte Katastrophe".

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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