Transfer-Wahnsinn

Gehaltsobergrenzen? Experte: “Nicht realistisch”

Sport
17.08.2017 09:13

Die überbordenden Transferausgaben in diesem Sommer haben wieder Forderungen nach einer Regulierung des europäischen Fußballs laut werden lassen. Gehaltsobergrenzen nach amerikanischem Vorbild ("salary caps") wurden schon als mögliches Instrument ins Spiel gebracht. Der Anwalt und Sportrechtsexperte Johannes Öhlböck schätzt die Chancen auf Umsetzbarkeit aber als sehr gering ein.

Das EU-Recht, speziell das Kartellverbot, erlaubt Eingriffe in den Wettbewerb nur unter ganz bestimmten, streng zu prüfenden Voraussetzungen, legte Öhlböck im Interview mit der Austria Presse Agentur dar. Eine Variante zur Umgehung des Kartellrechts wären Kollektivverträge. "Doch auch in diesem Fall müssten Rahmenbedingungen und Organisationen geschaffen werden, die aktuell noch nicht existieren", sagte der Jurist.

Teilweise werden nun Gehaltsobergrenzen im europäischen Fußball gefordert. Nach Ansicht von Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge könnte eine Deckelung der Spielergehälter durchaus mit den EU-Wettbewerbsgesetzen in Einklang gebracht werden. Wie realistisch ist das Ihrer Meinung nach?
Johannes Öhlböck: "Das EU-Kartellrecht und die vier Grundfreiheiten des EU-Rechts gelten auch für den Fußball in Europa. Der Europäische Gerichtshof hat dies in einem wegweisenden Urteil im Fall Bosman 1995 entschieden. Jede neue Regelung, die eine Deckelung von Gehältern der Fußballspieler vorsieht, ist am Maßstab des EU-Kartellrechtes, konkret dem Kartellverbot, zu prüfen. Das Kartellverbot verbietet Beschränkungen des Wettbewerbs, hierzu gehören etwa Preisabsprachen, Wettbewerbsverbote oder Marktaufteilungen."

Was davon trifft bei den Gehaltsausgaben von Fußballklubs zu?
Öhlböck: "Wenn Fußballklubs Salary Caps einführen, verzichten sie bewusst darauf, ihre Kalkulation unabhängig voneinander durchzuführen. Sie beeinflussen damit den Wettbewerb um die besten Spieler. Es ist damit in einem derartigen Fall zu erwarten, dass Spieler in Verhandlungen mit den Klubs nicht mehr jene Beträge ausverhandeln können, die bei einem freien und unverfälschten Wettbewerb erzielbar wären. Salary Caps würden mit hoher Wahrscheinlichkeit eine künstliche Preissenkung und einen künstlichen Nachfragerückgang bewirken. Liegt ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor, folgt daraus, dass die getroffenen Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig sind."

Könnte man davon, wenn es im Hintergrund den politischen Konsens gibt, im Ausnahmefall abgehen?
Öhlböck: "Eine Möglichkeit, diese Nichtigkeitssanktion zu umgehen, besteht nur, wenn eine freistellungsfähige Ausnahmesituation vorliegt. Die Grenzen dafür sind sehr eng. Es müssten sich nämlich aus der Vereinbarung von Salary Caps gesamtökonomische Vorteile ergeben, und die Verbraucher müssten daran angemessen beteiligt werden. Allein diese Voraussetzungen sind kritisch zu durchleuchten. Schließlich müsste die Wettbewerbsbeschränkung unerlässlich sein, was wohl ebenfalls schwer darstellbar ist."

Gibt es nicht die Möglichkeit, dem Kartellrecht über das Arbeitsrecht zu entfliehen?
Öhlböck: "Eine Alternative wäre die Einführung von Kollektivverträgen, wie sie in den USA teilweise existieren. Einschlägig dafür ist eine Entscheidung des EuGH aus 1999, die Tarifverhandlungen von Sozialpartnern in den Niederlanden zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen zum Gegenstand hatte. Doch auch in diesem Fall müssten Rahmenbedingungen und Organisationen geschaffen werden, die aktuell noch nicht existieren. Konkret wären das kollektivvertragsfähige Vertragspartner, und schließlich müsste dargelegt werden, dass auch im Spitzenbereich des Fußballs dieselben Parameter gelten wie im klassischen Arbeitsrecht. Zusammenfassend ist es nicht sonderlich realistisch, dass es gelingen kann, ein System zur Deckelung von Gehältern zu etablieren."

Hätten Gehaltsbeschränkungen automatisch einen Rückgang der teils enorm hohen Ablösesummen zur Folge?
Öhlböck: "Nein. Sollte es wider Erwarten gelingen, Gehaltsobergrenzen einzuführen, würde das nicht zwingend bedeuten, dass sich Ablösesummen verringern."

Angenommen es würden absolute Obergrenzen für Ablösezahlungen definiert, etwa von der UEFA oder dem Weltverband FIFA. Wäre eine solche Vereinbarung rechtlich haltbar?
Öhlböck: "Für Höchstgrenzen von Ablösezahlungen gilt das Gleiche wie für eine Deckelung von Gehältern. Letztlich ist auch das eine Maßnahme zur Beschränkung des Wettbewerbs der Vereine um die besten Spieler, die mit dem Kartellrecht in Konflikt steht."

Man könnte auch befristete Verträge abschaffen. Würde das die Ablösesummen erheblich reduzieren?
Öhlböck: "Eine Abschaffung von befristeten Verträgen wäre unzulässig. Es würde zu sehr in die Privatautonomie eingreifen, also das Recht nach eigenem Belieben Verträge zu schließen. Eine Bonusregelung zur Umgehung der Vereine wäre ebenfalls kartellrechtlich zu prüfen, und hier ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Die Spieler wären mit einer derartigen Regelung möglicherweise zufrieden, sicherlich aber nicht Ausbildungsvereine, die zu den klassischen Abgebern zählen."

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(Bild: KMM)



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