"Lamborghaudi"

Audi S8: Großes Herz und doch gnadenlos

Motor
14.01.2009 13:51
Der Audi S8 ist nichts für Protzer, und doch halbstark. Eine große Limousine und doch ein Rennwagen. Schwer und doch leichtfüßig. Kein Kostverächter und doch sparsam. Hat ein großes Herz und ist doch gnadenlos. Wie das alles zusammenpasst? Ausgesprochen gut.
(Bild: kmm)

Ohne ein Wort der Warnung sollte niemand dieses Auto bewegen, denn so giftig, wie die 6-Gang-Tiptronic jede Gaspedalbewegung umsetzt, hängt ein unbedarfter Fahrer gleich mal an der Stoßstange des Vordermannes. Beim Einsteigen würde man nicht drauf kommen, dass das Herz dieser 2-Tonnen-Limousine derart vehement schlägt. Ein Wunder ist es nicht, stammt die Maschine doch aus dem Lamborghini Gallardo. Das Gerät hat zwar Manieren anerzogen bekommen, die Krallen wurden auf 450 PS gestutzt, doch das ist immer noch halb so viel wie in einem Formel-1-Boliden. Und dementsprechend geht es zur Sache, wenn man es drauf anlegt. Aber zügeln wir uns noch ein wenig. 

Nicht mit der Beifahrerin verscherzen!
Ist das über fünf Meter lange Schiff erst mal in Bewegung und die Beschwerden der Beifahrerin (weil beim Anfahren der Gasfuß nicht ganz so zärtlich zu Werke ging wie zuvor die Hand in ihrem Nacken, und sie deshalb einen unangenehmen Ruck ins Kreuz bekommen hat) beschwichtigt, lernt man die Gleitqualitäten des S8 kennen. Der 5,2-Liter-V10 ist praktisch nicht zu hören. Was – am Rande bemerkt – fatal sein kann. Ich habe es tatsächlich fertiggebracht, bei laufendem Motor auszusteigen, das Auto zu verriegeln und wegzugehen, bei laufendem Motor. Ich habe ihn einfach nicht gehört. Starten kann man ihn auf Knopfdruck, wenn der Zündschlüssel in der Nähe ist; beim Weggehen läuft er weiter. Bei meiner Rückkehr war der Innenraum wenigstens schön warm. 

Souverän gleitet die gezähmte viertürige Gallardo-Limousine nahezu lautlos über die Straßen, die auf Komfort gestellte Luftfederung unterstreicht den Eindruck, ohne auch nur im geringsten weich zu wirken, ich schalte die optionale Bang-&-Olufsen-Surround-Anlage ein und genieße einfach. Bis ich das österreichische Staatsgebiet bei Passau verlasse und erfahre, warum der S8 das „S“ im Namen trägt. 

Festhalten!
Der Tritt aufs Gaspedal sorgt für eine nachdrückliche Beschleunigung (0-100 in 5,1 Sekunden), die erst endet, wenn 275 km/h auf dem Tacho stehen. Da wird elektronisch abgeregelt. Dass da noch viel mehr drin ist, sieht man daran, dass bei diesem Tempo nur 5.850 U/min. auf dem Drehzahlmesser stehen und dass die Beschleunigung bis zum Schluss einfach nicht nachlässt. Dabei wird aus dem sanften Rauschen des Motors ein heftiges, aber nicht sehr sonores Brüllen, das der edlen Sportlimousine kurzzeitig einen halbstarken Touch verleiht. Verlässt man die hohen Drehzahlbereiche, tut der S8, als wenn er kein Wässerchen trüben könnte. 

Trotz 5,06 Metern Länge und einem Radstand von 2,94 Metern macht der S8 nicht nur auf der Autobahn Spaß. Es ist schon erstaunlich, wie leichtfüßig er sich mit Kurven spielt. 

Selbst bei Höchsttempo kommt beim Fahrer keine Hektik auf, der S8 fährt sich so lässig, dass man sich zur nötigen Konzentration schon fast zwingen muss. Besonders angenehm ist es, wenn man den Automatikmodus verlässt und mit den Lenkradrasten oder per Schalthebel die Gänge wechselt. Dann spürt man die Power von unten heraus (540 Nm bei 3.500 U/min., mehr als 90 Prozent davon ab 2.300) und das Geräusch bleibt eher im souveränen Bereich. Wer die Automatik auf „Sport“ stellt muss sich gut anhalten, denn dann werden die Gänge gnadenlos ausgedreht, eine Rennstrecke wäre das passende Terrain. 

Der Verbrauch hält sich angesichts der gebotenen Leistung in Grenzen. Bei wirklich schneller Autobahnfahrt flossen nicht mehr als 18 Liter/100 Kilometer aus dem 90-Liter-Tank in die zehn Zylinder. 

Auch wenn er ein Sportwagen ist…
Bei aller Power lässt sich der S8, wenn die Finanzen keine Rolle spielen, durchaus auch im Familienrat rechtfertigen. Dass es sich um einen Sportwagen handelt, erkennt man nicht an zwei Türen und einer Bauhöhe von rund einem Meter, sondern hauptsächlich an dem dezenten V10-Zeichen an den vorderen Kotflügeln. In den 500-Liter-Kofferraum passt das Gepäck der Family wunderbar hinein, mit dem Skisack geht sich auch ein Winterurlaub aus. Die Rücklehne lässt sich aber leider nicht umklappen.  

Der Innenraum macht einen auf luxuriöse Sportlichkeit. Die Karboneinlagen im Testwagen sind (nicht meine) Geschmackssache, ansonsten sind die Ingolstädter absolut stilsicher. Die chromumrandeten Rundinstrumente sind chic, auch wenn sie die äußeren Ränder des Bordcomputers verdecken, das MMI-Display lässt sich dezent wegklappen, die Sitze sind bequem, wenn auch für meinen Hintern etwas zu schmal (drückt auf den Ischias), die Vierzonenklimaautomatik arbeitet perfekt.

Das Bediensystem MMI ist natürlich auch an Bord, und das ist gut so. Es ist intuitiv einfach zu bedienen. Allerdings wären Zifferntasten zum Anwählen von Radiostationen oder CDs im Wechsler angenehm. 

Sehenswerte Aufpreisliste
Der S8 ist in der Basisversion um 116.435,-- Euro beileibe nicht fad ausgestattet: Luftfederung, BOSE-Sound, Tempomat, Navigationssystem, beheizbare Sitze usw. Der Testwagen kommt allerdings zu einem Preis von über 150.000,-- Euro daher, weil kräftig in der Aufpreisliste gewütet wurde. Da findet sich eine perfekt funktionierende Automatische Distanzregelung für den Tempomaten (bis 200 km/h); eine großartige Rückfahrkamera; die je nach Lenkungseinschlag sogar anzeigt, wo man hinfahren wird; TV-Empfang analog und DVB-T, der Bildschirm bleibt während der Fahrt aber schwarz; Surroundsound von Bang & Olufsen (7.000,-- Euro); Türen, die sich wie von Zauberhand ins Schloss ziehen, elektrische Heckklappenbedienung; 4-Zonen-Klima; Personalisierung der Fahrzeugeinstellungen per Fingerabdruck (gut 2.000,--); Reifendruckkontrollsystem. 

Das Einzige, was auch gegen Aufpreis nicht zu bekommen ist: ein ganz normaler CD-Schlitz in der Mittelkonsole. CDs kann man nur im Sechsfachwechsler im Handschuhfach einlegen, wozu man während der Fahrt einen Beifahrer braucht.

Das würde ich glatt in Kauf nehmen.

Stephan Schätzl

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(Bild: kmm)



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