Kleine Hürden

Mobilität im Alter: barrierefrei wohnen

Wohnkrone News
19.08.2017 10:13

Ob man nun mit Kinderwagen, Rollator oder dem Einkaufs-Trolley unterwegs ist: Barrierefreiheit macht das Leben für alle ein gutes Stück leichter. Mobilität bedeutet Lebensqualität: Barrierefrei gestaltete Wohnungen erleichtern den Alltag - nicht nur im Alter.

Barrierefreies Bauen wird schön langsam zu einer Selbstverständlichkeit. Das gilt für öffentliche Gebäude und neu errichtete Mehrparteien-Wohnanlagen im Besonderen. Aber auch immer mehr Privatpersonen denken bei der Planung ihres Einfamilienhauses barrierefrei. Sie beweisen damit Weitblick. Was heute ein paar Euro mehr kostet, wird sich früher oder später als lohnende Investition entpuppen. Tatsächlich ist es so, dass barrierefreie Maßnahmen bei einem Neubau relativ leicht und kostengünstig umzusetzen sind. Schwieriger - und vor allem teurer - wird es, wenn später umgerüstet werden muss.

Wohnungen sind oft voller Stolperfallen
Barrierefreiheit betrifft eigentlich alle Menschen - nicht nur alte und gebrechliche Personen oder Rollstuhlfahrer. Auch junge Mütter mit Kinderwagen oder Personen mit vorübergehender Behinderung, z.B. einem Gehgips, tun sich in einem barrierefreien Umfeld um vieles leichter. Da und dort kann Wohnraum für Betroffene zu einem wahren Hindernisparcours werden. Manche privaten Wohnungen und Häuser sind voller Hürden und Stolperfallen. Jeder Bereich hat seine ganz spezifischen Tücken. Mit ein wenig Bewusstsein kann Abhilfe geschafft werden.

Außenbereich
Es beginnt schon draußen vor der Tür. Wer für den Pkw-Parkplatz 3,50 Meter Breite einplant, ist auf der sicheren Seite. Da lassen sich Autotüren ganz öffnen, Einkäufe können bequem herausgenommen, Kinderwägen leicht verstaut werden. Auch Rollstuhlfahrer haben ausreichend Platz zum Ein- und Aussteigen.

Auf dem Weg zum Haus sind Rasengittersteine keine gute Idee. Kieswege erschweren das Schieben des Kinderwagens, für Rollstuhlfahrer sind sie ein unüberwindbares Hindernis. Eine gute Probe ist der Stöckelschuh-Test: Beschreiten Sie den Weg in Stöckelschuhen. Funktioniert das ohne Probleme, sind die Bodenverhältnisse in Ordnung.

Oberflächen müssen leicht und erschütterungsarm berollbar sein. Die Fugenbreite zwischen Bodenplatten sind möglichst gering zu halten. Fußmatten sollen rutschfest und ebenfalls gut berollbar sein. Wenn sich die Matten farblich vom Boden abheben, sind sie zudem eine gute Orientierungshilfe für sehbehinderte Menschen.

Treppauf, treppab
Treppen stellen manche Menschen vor große Probleme. Leichter wird es, wenn die Treppe nicht schmäler als 120 Zentimeter ist und ein gutes Steigungsverhältnis aufweist (bequeme Stufenlänge, verringerte Stufenhöhe). Rutschfeste Kanten und kontrastierende Stufenmarkierungen verbessern die Trittsicherheit.

Höhenunterschiede lassen sich auch mit Rampen überwinden. In öffentlichen Räumen dürfen diese nicht mehr als sechs Prozent Neigung aufweisen. Im Privatbereich könnten sie auch steiler ausfallen, sofern die Benutzer mit der Neigung zurechtkommen.

Treppen und Rampen
Treppen und Rampen sollten auf beiden Seiten mit durchgängigen Handläufen (Höhe: 85 bis 90 Zentimeter) ausgestattet sein. Gut, wenn der Handlauf bereits vor dem Treppenanfang beginnt und über die letzte Stufenkante hinausreicht. Ein offener Handlauf sollte am Anfang und Ende gegen die Wand gebogen sein, damit man nicht daran hängen bleibt!

Treppenliftanlagen sind für gehbeeinträchtigte Menschen eine große Erleichterung. Diese komfortablen elektrischen Aufstiegshilfen gibt es in vielen Varianten, sie können praktisch überall montiert werden. Das Treppenhaus muss dafür nicht umgebaut werden, auch das Material der Treppe spielt keine Rolle. Plattformlifte für Rollstuhlfahrer benötigen eine Mindestbreite der Treppe von 120 Zentimeter.

Hereinspaziert!
Manche Menschen brauchen etwas länger, um die Haustür aufzusperren. Wenn es regnet oder schneit, schützt ein überdachter Eingangsbereich. Dort ist auf eine ebene Fläche und ausreichend Platz zu achten. Die Eingangstüre selbst sollte mindestens 90 Zentimeter lichte Breite aufweisen - aber auch nicht breiter als 100 Zentimeter sein, damit der Türflügel nicht zu schwer wird. Eine Türschwelle ist am besten gar nicht vorhanden. Wenn doch, sollte die überrollbare Schwelle auf keinen Fall höher als zwei bis drei Zentimeter sein.

Im Vorraum geht es darum, effizient zu planen
Es sollte möglichst wenig herumstehen und doch braucht es genügend Platz für die wichtigsten Dinge: Schuhe, Mäntel, Ablageflächen für Einkaufstaschen sowie Abstellmöglichkeiten für Kinderwagen, Rollstuhl, Rollator - oder auch das sündteure Fahrrad, das man lieber nicht im Freien stehen lassen möchte.

Zur Standsicherheit ist eine Festhaltemöglichkeit hilfreich. Das kann ein Handlauf sein oder auch ein stabiles Möbelstück. Einen Sitzplatz zum An- und Ausziehen der Schuhe braucht es auf jeden Fall. Garderobehaken werden am besten in unterschiedlichen Höhen angebracht, damit alle Familienmitglieder bequem an ihre Sachen kommen.

Lob der Technik
Technische Lösungen sind eigentlich überall eine "smarte" Hilfe - und ganz besonders im Eingangsbereich. Das Öffnen einer Türe kann z.B. über großflächige Tasten an der Wand, Tastleisten am Boden oder - besonders bequem - durch Fernbedienung erfolgen. Auch die Koppelung mit einem Bewegungsmelder zum automatischen Einschalten des Lichts ist möglich - und sinnvoll.

Für Leute, die nicht mehr so gut hören, gibt es mobile Türklingel-Empfänger, die mit extra lautem Ton, Licht oder Vibration Signal geben. Ähnliche Lösungen existieren für Telefon, Babyphon oder auch Rauchmelder.

Moderne technische Systeme tragen viel zur Selbstständigkeit von beeinträchtigten Familienmitgliedern bei. Neben Steuerung der Haustechnik können intelligente Sensoren zum Beispiel auch erkennen, ob jemand gestürzt ist - und automatisch Hilfe herbeiholen.

Stolperfreies Wohnen
Im gesamten Wohnbereich sind Stolperfallen tunlichst zu vermeiden, das gilt auch für alle Übergänge nach draußen, also Richtung Terrasse oder Garten. Damit räumt man herumtollenden Kindern genauso wie älteren Menschen viele Probleme aus dem Weg.

Um für die ganze Familie Flexibilität in allen Lebensphasen zu ermöglichen, plant man die einzelnen Räume am besten so, dass sie vielseitig verwendbar sind. Ein Kinderzimmer kann zum Gästezimmer, Arbeitsraum oder vergrößerten Wohnzimmer werden. Wichtig: Bei einer mehrgeschoßigen Wohneinheit ist darauf zu achten, dass in der ebenerdigen (schwellenlos erreichbaren) Wohnebene im Bedarfsfall geschlafen, gekocht, gebadet und gewohnt werden kann.

Blick nach draußen
Große "französische" Fenster sehen nicht nur hübsch aus, sie bieten auch kleineren und älteren Bewohnern, die viel Zeit im Sitzen und Liegen verbringen, uneingeschränkt freie Sicht nach außen. Die Brüstungshöhe massiver, undurchsichtiger Bauteile sollte nicht mehr als 60 Zentimeter betragen (Absturzsicherung gemäß Bauordnung beachten!).

Übliche Drehkippflügelfenster ragen in geöffnetem Zustand in den Raum hinein - das kann man schnell übersehen und sich daran verletzen. Horizontale Schiebefenster und -türen beanspruchen keinen Platz, selbst wenn sie geöffnet sind. Bei allen Fenstern ist jedenfalls auf leichte Bedienbarkeit zu achten. Fenstergriffe sollten so tief wie möglich montiert werden. Außerdem muss sich der Griff mindestens 50 Zentimeter außerhalb der Raumecke befinden, damit man ihn gut erreicht.

Oberlichten oder Jalousien lassen sich über Kurbel- oder Hebelantriebe in der idealen Höhe von 80 bis 100 Zentimeter betreiben. Ein elektrischer Antrieb ist noch bequemer.

Balkonien
Für Menschen, die in ihrer Mobilitrrasse schwellenfrei zugänglich sind, die Balkontüre mindestens 80 Zentimeter breit und die Bewegungsfläche im Freien ausreichend ist (Durchmesser mindestens 150 Zentimeter). Schwellenfreie Übergänge lassen sich durch den Einbau von Ablaufrinnen vor der Terrassentür, durch Anheben des Terrassenbelags oder durch Magnet-Hebedichtungen erreichen.

Schlafen Sie wohl
Neben einem ergonomisch gestalteten Bett braucht es ein stabiles Nachtkästchen, auf dem man sich beim Aufstehen abstützen kann. Es sollte groß genug sein, um alle wichtigen Dinge abstellen und erreichen zu können: Wecker, Telefon, Tabletten, Wasser, Bücher, Leselampe, Fernbedienungen und was man sonst noch so braucht.

Ein Notlicht mit Bewegungsmelder für den Weg vom Bett zum WC (auch für Gang- und Stiegenbereich) wäre eine Lösung. So ist alles gut ausgeleuchtet, ohne dass Mitbewohner in ihrer Nachtruhe gestört sind.

Barrierefreie Küche
Viele Küchen sind für "normal" gewachsene Köche gebaut, die ganz Großen und die Kleinen tun sich da oft schwer. Planen Sie höhenverstellbare oder unterschiedliche Höhen von Arbeitsbereichen ein. Auch Oberschränke können in der Höhe verstellbar sein. Entscheidend ist auch die intelligente Anordnung. Liegen Herd, Spüle und Arbeitsplatte möglichst nahe beieinander, verkürzen sich die Wege zwischen den einzelnen Arbeitsschritten. Kühlschrank und Herd sind allerdings keine guten Nachbarn, da ihr Nebeneinander den Energieverbrauch deutlich erhöht.

Unterfahrbare Arbeitsbereiche erleichtern all jenen die Küchenarbeit, die sitzend arbeiten möchten - oder müssen. Praktisch sind auch Backöfen mit herausziehbarem Backwagen. Man verbrennt sich nicht so leicht. Um gefahrlos mit einer Hand den Topf mit heißem Wasser kippen und ausleeren zu können, ist eine schräge Ausgusshilfe in der Spüle hilfreich. Und haben Sie gewusst, dass Blinde die Sensortasten bei einem modernen Herd mit Ceranplatten nicht spüren und den Herd daher nicht bedienen können?

Dusche oder Badewanne?
Ein barrierefreies Bad muss gar nicht übermäßig groß sein. Der Mindestplatzbedarf beträgt lediglich 150 Zentimeter Durchmesser. Stütz- und Haltegriffe sind große Hilfen, es braucht dafür aber unbedingt eine stabile Wandkonstruktion. Waagrechte Griffe dienen beim Überwechseln vom Rollstuhl auf WC, Duschsitz oder Wannenrand. Senkrechte Griffe helfen beim Hochziehen aus dem Sitzen.

Die Frage "Dusche oder Badewanne?" scheidet die Wellness-Geister. Wenn es um Barrierefreiheit geht, punktet eine bodengleiche Dusche mit vielen Vorteilen: man muss weder hineinsteigen noch sich aus liegender Position aufrichten. In der Dusche lässt es sich auch bequem sitzen, etwa auf einem Duschsessel. Die ebenen Flächen sind leicht zu reinigen, und etwaige Hilfestellung kann in aufrechter Haltung erfolgen. Ein rutschsicherer Bodenbelag in Dusche und Bad ist jedenfalls empfehlenswert. Die Türen von Bad und WC sollten, wenn möglich, nach außen aufgehen.

Was heißt barrierefrei?
Wenn man von Barrierefreiheit spricht, gibt es im Wesentlichen vier Punkte, die es im eigenen Heim zu beachten gilt:

  • Schwellenloser Zugang: Schon ein einziger Zentimeter kann zum Hindernis werden. Schwellenlose Zu- und Übergänge im Wohnbereich sind relativ einfach herzustellen. Zum Beispiel mit Schwellenkeilen, die leicht zu montieren und mobil sind.
  • 80 Zentimeter Durchgangsbreite: Eine ausreichende Durchgangsbreite bei allen (!) Türen von mindestens 80 Zentimeter ist beim Thema Barrierefreiheit das Um und Auf. Da passen Mütter mit Kinderwagen, kleine Racker mit Dreirad oder Menschen im Rollstuhl problemlos durch.
  • 150 Zentimeter Bewegungsraum: Ein Kreis von 150 Zentimeter Durchmesser beschreibt die Bewegungsfläche eines Rollstuhls. Überall dort, wo man sich umdrehen und manövrieren können muss, sollte mindestens so viel Platz sein. Um ein Gefühl für die Dimensionen zu bekommen, kann man den Kreis aus Karton ausschneiden und an verschiedenen Punkten der Wohnung auslegen: Im Vorraum, vor Türen und Schränken, neben dem Bett, in Küche, Bad oder WC.
  • Die richtige Höhe: Es gibt eine Höhe für Schalter und Griffe, die für alle passt: zwischen 80 und 110 Zentimeter. Das Gleiche gilt für Türöffner, Heizkörperventile u.ä. Steckdosen sollten mindestens 40 Zentimeter vom Boden montiert sein, Bedienelemente mindestens 50 Zentimeter außerhalb der Raumecke.

Günther Kralicek, wohnkrone.at

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