Das große Interview

„Kein Risiko bei Steuergeld“

Salzburg
04.08.2017 20:52

Professor Meinhard Lukas, mittlerweile Rektor an der Johannes Kepler Universität Linz, war sowas wie der erste "Brandsachverständige", als im Land Salzburg die leidige Finanzaffäre zu einem Flächenbrand ausartete. Seine offizielle Aufklärungsarbeit hat er in Salzburg längst beendet, zur jüngsten gerichtlichen Entwicklung und mehr hat ihn die "Salzburg Krone" befragt.

Herr Prof. Lukas, in Salzburg gab es nun einen weiteren Prozess im Zuge der Finanzaffäre, mit deren erster Aufarbeitung Sie betraut waren. Manche Beobachter sind der Meinung, dass strafrechtlich relevante Kernfragen um die damals verantwortlichen Politiker noch immer im Raum stünden - können Sie das nachvollziehen?

Die Swaps der Stadt Salzburg sind im Vergleich zur gesamten Finanzcausa des Landes eher ein Nebenschauplatz. Es geht daher auch um die Frage der Verhältnismäßigkeit. Es wäre kaum einzusehen, wenn das jetzige Urteil der Schlusspunkt der strafrechtlichen Aufarbeitung der gigantischen Spekulationen wäre.

Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, dass Körperschaften für ihre Entscheidungsträger, auch und gerade in der Politik, entsprechende Rechtsschutzversicherungen abschließen, um das persönliche Risiko zumindest finanziell zu minimieren?

Das geht mir zu weit. Das ist Eigenverantwortung der Politiker. Es ist Sache des einzelnen, hier individuell vorzusorgen.

Wäre es im Sinn der Politikhygiene anzuraten, dass ein angeklagter Mandatar sein Amt zurück legen muss, bis der jeweilige Fall ausjudiziert ist?

Das ist eine heikle Frage. Auf der einen Seite steht die Unschuldsvermutung, auf der anderen Seite der hohe Anspruch an Spitzenpolitiker. Ermittlungen alleine sind aber im Normalfall noch kein ausreichendes Argument für einen Rücktritt. Sobald die Verurteilung durch ein Gericht erfolgt, ist die Sache natürlich anders.

Sollte man ein Bundesgesetz installieren, dass jegliche Spekulationsmöglichkeiten mit Steuergeldern verbietet?

Das ist heute aus gutem Grund bereits weitgehend geltendes Recht.

Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreter Christian Stöckl hat angekündigt, in absehbarer Zeit eine Art Endbilanz aus der Affäre vorzulegen. Ist eine objektive Endabrechnung aufgrund der unübersehbaren Zahl von Derivat- und anderen Finanz-Geschäften nach so vielen Jahren überhaupt seriös erstellbar?

Absolut. Wir wissen, dass dem Land ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe entstanden ist. Nur deswegen war es auch möglich, die beteiligten Banken zu hohen Rückzahlungen zu bewegen.

Umgekehrt gefragt, war für Sie jemals eine hypothetische Chance erkennbar, dass unter dem Strich für das Land ein immenser Gewinn hätte zustande kommen können, wenn, wie es etwa damals von der Landeshauptfrau insinuiert wurde, man die Finanzmarktentwicklung im Sinne eines idealen Zeitpunkts abgewartet hätte?

Hochriskante Spekulationen mit Steuergeld sind auch dann kategorisch abzulehnen, wenn eine realistische Gewinnchance besteht. Die gibt es im Casino auch.

Welche Lehren soll oder muss die Republik aus den Vorgängen in Salzburg ziehen?

Eine Finanzverwaltung muss von Profis geführt werden, die das Steuergeld keinem Risiko aussetzen. Die Finanzdirektion des Landes ist hier inzwischen sehr gut aufgestellt.

Sie haben eingangs Ihrer Ermittlungen einmal gesagt, ein Bundesland sei immer ein guter Finanz-Partner, weil es de facto nicht pleite gehen könne. Sehen Sie das in Anbetracht akuter Entwicklungen noch immer so - in letzter Konsequenz bedeutet dies ja, dass der Steuerzahler immer ein unfreiwilliger Gläubiger bleibt?

Hier haben die Banken auch wegen der Vorkommnisse in Kärnten mittlerweile europaweit umgedacht. Gebietskörperschaften werden inzwischen sehr ähnlich wie Unternehmen behandelt. Das ist auch im Interesse der Steuerzahler.

Roland Ruess, Kronen Zeitung

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