Diktatur befürchtet

Mehrere Tote bei Verfassungswahl in Venezuela

Ausland
31.07.2017 21:41

Explosionen, Schüsse, bürgerkriegsähnliche Szenen: Die umstrittene Wahl für einen Umbau der Verfassung in Venezuela ist von zahlreichen Todesfällen überschattet worden. Die Opposition boykottierte die Wahl, Regierungsgegner werfen Präsident Nicolas Maduro vor, er wolle sich "diktatorische Vollmachten" sichern. Die EU, die USA und mehrere lateinamerikanische Länder kündigten an, das Abstimmungsergebnis nicht anzuerkennen, die US-Regierung verhängte am Montagabend Sanktionen gegen Maduro.

Nach Angaben der Opposition starben am Wochenende mindestens 16 Menschen, die Generalstaatsanwaltschaft bestätigte acht Tote. Der Bürgermeister der Hauptstadt Caracas, Jorge Rodríguez, sagte dagegen: "Das ist eine Lüge. Es gab nicht einen Toten im Zusammenhang mit dem Wahlereignis."

Es gab jedoch reihenweise Schießereien und kriegsartige Szenen. Zudem gab es Angriffe auf Wahllokale, Wahlcomputer wurden verbrannt. In Caracas gab es sieben verletzte Nationalgardisten bei einem Anschlag, mutmaßlich verübt von Gegnern des sozialistischen Staatspräsidenten. Zudem wurde nach Angaben der Opposition auf Hunderttausende Arbeiter in staatlichen Unternehmen Druck ausgeübt, an der Wahl teilzunehmen.

Behörde: 41,5 Prozent der Venezolaner stimmten ab
Nach Angaben der nationalen Wahlbehörde haben sich 8,1 Millionen Menschen an der umstrittenen Wahl beteiligt. Das entspreche einer Beteiligung von 41,5 Prozent, sagte die Präsidentin der Behörde, Tibisay Lucena, Montagfrüh in Caracas. Maduro wertete die Abstimmung als Erfolg. "Wir haben eine verfassunggebende Versammlung", sagte der Staatschef in der Nacht auf Montag in Caracas vor Hunderten Anhängern. Es sei die "größte Abstimmung für die Revolution". Bei den Unruhen zuvor waren seit April über 120 Menschen gestorben.

Opposition: "Größter Wahlbetrug in unserer Geschichte"
Die Opposition sprach von einem Wahlbetrug, da die von der Wahlbehörde genannte Zahl viel höher sei, als es den Tatsachen entspreche. Schon Stunden vor der Bekanntgabe des Ergebnisses hatte der Präsident des Parlaments, der Oppositionelle Julio Borges, unter Verweis auf Informationen aus der Wahlbehörde mitgeteilt: "Das ist der größte Wahlbetrug in unserer Geschichte. Lucena wird mehr als acht Millionen Stimmen verkünden, sie verdreifachen fast das wirkliche Resultat." Die Opposition verwies auf Zahlen aus der Behörde von nur 2,4 Millionen abgegeben Stimmen - bei 19,4 Millionen Wahlberechtigten. Oppositionsführer Henrique Capriles sagte nach der Wahl: "Dies ist ein schwarzer Tag, verursacht von den kranken Ambitionen einer einzigen Person." Die Wähler seien massenhaft zu Hause geblieben.

USA verhängen Finanzsanktionen gegen Maduro
Die US-Regierung verhängte am Montagabend persönliche Finanzsanktionen gegen Maduro. Mögliche Vermögenswerte des Staatschefs in den USA würden eingefroren, US-Bürgern würden alle Geschäfte mit Maduro verboten, teilte das Finanzministerium in Washington mit. Kritik gab es auch vonseiten der EU, die das Votum nicht anerkennen will, ebenso wie Argentinien, Peru, Chile, Brasilien und Kolumbien, die die Wahl "illegal" nannten. Befürchtet wird eine weitere Verschlimmerung der Lage, Zehntausende Venezolaner sind bereits nach Kolumbien und Brasilien geflohen.

Panne bei Maduros Stimmabgabe: "Person existiert nicht"
Präsident Maduro selbst musste bei der Wahl viel Spott über sich ergehen lassen. Er wollte das perfekt funktionierende Wahlsystem demonstrieren und ließ bei seiner Stimmabgabe seinen Ausweis scannen. Nach einigen Sekunden erschien auf der digitalen Anzeige: "Diese Person existiert nicht oder der Ausweis wurde annulliert." Durch das Scannen der Daten wurde kontrolliert, wer wählen geht und wer nicht.

Auch Maduros Ehefrau wurde gewählt
Die von Maduro verfügte Zusammensetzung der verfassunggebenden Versammlung mit vielen Vertretern der Arbeiterklasse und Gewerkschaften sicherte eine Mehrheit mit Sympathisanten der Sozialisten. Rund 5500 Kandidaten hatten sich um die 545 Sitze beworben - auch die bis vor Kurzem als Außenministerin amtierende Delcy Rodríguez wurde gewählt, ebenso die Ehefrau von Maduro. Mitte der Woche soll die Versammlung ihre Arbeit aufnehmen, und zwar im Gebäude des Parlaments, in dem die Opposition seit Anfang 2016 die Mehrheit hat. Es gibt Befürchtungen, dass die Verfassungsversammlung das Parlament dauerhaft ersetzen könnte.

Präsident steht massiv unter Druck
Maduro steht seit Wochen unter massivem Druck. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt steht am Rande des Ruins, Menschen hungern, es fehlt an Lebensmitteln und Medikamenten. Er gibt dem gefallenen Ölpreis die Schuld. Um seine Stellung zu festigen, hatte er eine Verfassungsreform vorgeschlagen, obwohl die bisherige von seinem Mentor und Vorgänger Hugo Chavez stammt. Es gehe um eine "ruhige Zukunft", um Frieden für Venezuela, so Maduro.

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