Manfred Wegscheider

“Kapfenbergs Image in Wien ist ein Problem”

Steiermark
27.07.2017 16:26

Eine Ära geht in Kapfenberg zu Ende: Manfred Wegscheider zieht sich Ende Juli, kurz vor dem 68. Geburtstag, aus der Politik zurück. Er war lange Bürgermeister (1999-2005, ab 2012), von 2005 bis 2010 Landesrat und danach zwei Jahre lang Landtagspräsident. Die "Steirerkrone" traf ihn im Bürgermeisterbüro zum großen Abschiedsinterview.

"Krone": Herr Wegscheider, viele Männer können von wichtigen Ämtern nicht loslassen. Sie hingegen ziehen sich jetzt aus der Politik zurück. Was war ausschlaggebend?
Manfred Wegscheider: Zum einen habe ich vom Alter her Anspruch auf die Pension, zum anderen haben wir in den vergangenen Jahren intensiv am wirtschaftlichen Wiederaufstieg der Stadt gearbeitet. In den nächsten Monaten stehen viele Eröffnungen und Spatenstiche an, Ende September fällt im Voestalpine-Aufsichtsrat die Entscheidung über das neue Stahlwerk. Es wird unseren Leitbetrieb für 50 Jahre absichern.

"Krone": Warum warten Sie diesen Moment nicht mehr ab?
Wegscheider: Ich denke, es ist sinnvoll, wenn mein Nachfolger Fritz Kratzer, der an meiner Seite gearbeitet hat, die Ernte einfährt. Ende dieses Jahres wollte ich ohnehin aufhören, jetzt vollziehe ich den Rücktritt halt ein paar Monate früher als geplant.

"Krone": Sie bezeichnen Kapfenberg als "Motor der Obersteiermark". Dennoch hält sich das Image einer Krisenregion hartnäckig in vielen Köpfen…
Wegscheider: Das ist wirklich ein Problem. Wir hatten in den vergangenen 13 Jahren im Schnitt ein Wirtschaftswachstum von 4,1 Prozent. Von außen werden wir aber oft falsch beurteilt, besonders stark in Wien. Da wird noch gerne das Wort von der Krise der verstaatlichen Industrie in den Mund genommen. Einige Medien gehen gezielt auf die Suche nach Abbruchhäusern. Man findet in jedem schönen Garten eine verwelkte Pflanze…

"Krone": Sie haben zuletzt ja auch versucht, die Stadt durch die Aktion "Good morning Kapfenberg" optisch aufzuhübschen…
Wegscheider: Beim Image als Industriestadt denken viele an rauchende Schlote, auch wenn das nicht mehr stimmt. Wir wollten der Stadt ein neues Bild geben, Farben und Architektur spielten eine Rolle. Der Höhepunkt war das 18-minütige Lipdub-Video mit Opus, bei dem 6000 Menschen mitwirkten. Solche Emotionen wie bei der ersten Vorführung des Videos habe ich noch nie erlebt.

"Krone": 2005 erreichten Sie bei der Gemeinderatswahl 77,7 Prozent. Ihr kommunalpolitischer Höhepunkt?
Wegscheider: Ja, sicher. Es war aber eine andere Zeit. Die Leute waren mit der schwarz-blauen Bundesregierung unzufrieden. Es ist uns damals auch gelungen, die Stadt erfolgreich in das neue Jahrtausend zu führen.

"Krone": Zuletzt verlor die SP teils schmerzhaft in ihren obersteirischen Hochburgen…
Wegscheider: Es gibt ein stark emotionales Thema, das seit Jahren alles überschattet, auch die wichtigen politischen Themen Arbeitsplätze, Bildung, Gesundheit, Wohnen und Pflege: Es ist das sogenannte Ausländerthema. Die unkontrollierte Zuwanderung im Herbst 2015, als niemand mehr an der Grenze registriert wurde, war auch für mich ganz schlimm. Ich verstehe, dass die Menschen damals Angst bekamen.

"Krone": Hat die SPÖ bei diesem Thema falsch reagiert?
Wegscheider: Viele SPÖ-Wähler haben existenzielle Ängste - das Thema wurde aber der FPÖ exklusiv überlassen, das hat sie interessant gemacht. Zudem haben wir die Partei immer ausgegrenzt, in meinen Augen war das falsch. Die Nazikeule ist keine Lösung. Einbindung heißt die Devise. Im Moment versucht sich übrigens jeder bei Vorschlägen zum Thema Zuwanderung zu übertreffen. Sebastian Kurz ist für mich dabei am populistischsten.

"Krone": Sie waren fünf Jahre lang Umwelt- und Sportlandesrat - in der Periode vor der "Reformpartnerschaft". Wie zerrüttet war damals das Verhältnis von SP und VP?
Wegscheider: Naja, es gab auch damals eine gute Zusammenarbeit, und wir standen zu unpopulären Maßnahmen. Ich lehnte mich etwa besonders beim Feinstaub weit hinaus. Der IGL-100er auf den Autobahnen ist aber eine bleibende Lösung, auch die Osterfeuer in Graz gehen kaum jemandem ab. Als ich gegen die Wiederinbetriebnahme des Kohlekraftwerks in Voitsberg war, stimmte sogar meine eigene Fraktion gegen mich. Heute sind alle froh, dass es abgerissen wurde.

"Krone": Waren Sie lieber Landes- oder Kommunalpolitiker?
Wegscheider: Ich habe die Landespolitik gerne gemacht, die Gemeindepolitik aber noch lieber. Da bist du noch näher bei den Menschen. Wenn ich durch die Stadt gehe, spüre ich gegenseitigen Respekt, das ist schön. Ich kann auch um Mitternacht noch in ein Lokal gehen, ohne angepöbelt zu werden.

Jakob Traby, Kronen Zeitung

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