Ouverture

Silben wie Salven im Klanginferno

Salzburg
26.07.2017 09:57

Es dröhnt erst nach Schlachtfeld, bald ist es wie Hufgetrappel, wenn Gulliver ins Land der Riesen zieht, dann scheppert Donner durch die Kollegienkirche: Gerard Griseys Schlagwerk-Dialog, gefolgt von ,The Tallis Scholars’, danach Griseys ,Vier Tode’ vom Klangforum Wien. Eine metaphysisch-musikalische Nightmare.

Ein halbes Jahrtausend trennt die Kompositionen des schwindenden Lebensnervs, die der Ouverture spirituelle hier zu meditativen Klängen abseits fast jeglicher musikalischer Komfortzonen erwachsen. Johannes Ockeghems ,Missa pro defunctis’ aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, das als erstes polyphones Requiem gilt, in schierer stimmlicher Vollendung dargebracht von den zehn Tallis Scholars. Gelenkt von Begründer Peter Phillips hat sich die Formation mit drei Frauen (zwei Sopran, einmal Alt) zu kaum vergleichbarer Fertigkeit geistlicher Renaissance-Musik entwickelt. Das international höchst erfolgreiche Ensemble erzeugte eine überaus diffizile Stimmung mit einem Werk, das möglicherweise einst Karl VII. von Frankreich gewidmet war.

Klarer ist der tragische Aspekt des zweiten Teils des ergreifenden späten Abends im Gotteshaus: Gerard Grisey, ein in der Klangschrift erkennbarer Schüler Olivier Messiaens, hat seine vier Gesänge, um die Schwelle (des Todes) zu überschreiten in der letzten Phase seines eigenen Lebens, 1996 bis 1998, geschaffen. Das Jenseitige wird bei den Toden des Engels, der Zivilisation, Stimme und Menschheit vom Klangforum Wien (Dirigent Emilio Pomarico ) beschworen. Bis zum dissonanten Inferno, das in manchen Passagen wie Luftangriff und Granatenhagel anmutet. Bewundernswert die belgische Sopranistin Katrien Baerts, deren Darbietung zuweilen zu Gesangsfragmenten schrumpft, zum salvenartigen Abfeuern von Koloratur-Silben.

Am Ende viel Applaus mit Andacht, auch für die vorweg donnernden Schlagwerker Lukas Schiske und Björn Wilker.

Roland Ruess, Kronen Zeitung

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