Dutzende Verletzte

“Welcome to Hell”: Chaos & Gewalt bei G20-Protest

Ausland
07.07.2017 06:18

Unter dem Motto "Welcome to Hell" (Willkommen in der Hölle) hatten radikale Globalisierungsgegner zu einem Protestmarsch gegen den G20-Gipfel in Hamburg aufgerufen. Tatsächlich herrschten am Donnerstagabend und Freitagfrüh Chaos und Gewalt: Kurz nach dem Start des Demozuges versuchte die Polizei, die Vermummten von den friedlicheren Demonstranten zu trennen. Es flogen Steine, Flaschen und Rauchbomben. Die Polizei setzte Pfefferspray und Wasserwerfer ein. Sie sprach von mindestens 111 verletzten Beamten, ein "Welcome to Hell"-Initiator von "zahlreichen" verletzten Demonstranten. Für Freitag sind weitere Demos angekündigt.

Etwa 1000 Vermummte hatten sich nach Angaben der Polizei unter die rund 12.000 überwiegend friedlichen Demonstranten gemischt.

Zahlreiche Gewaltbereite konnten sich demnach in der ganzen Stadt verteilen. Sie bildeten später mehrere kleine Gruppen, die ihre eigenen Marschrouten aufnahmen.

Die Auseinandersetzungen mit der Polizei dauerten bis tief in die Nacht hinein an, 29 Menschen wurden festgenommen. Die Einsatzkräfte appellierten an "Unbeteiligte", sich von den Gefahrenzonen zu entfernen.

Dabei hatte alles durchaus friedlich begonnen: Am Donnerstagnachmittag gab es Musik und Redebeiträge. Da sich aber immer mehr vermummte Teilnehmer unter die nicht vermummten mischten, rief die Polizei die Veranstalter dazu auf, sich von dem gewaltbereiten Block zu trennen.

In einem Tweet der Hamburger Polizei hieß es: "Vermummung bitte ablegen, dann kann es weitergehen!" Der Appell verhallte aber ohne Wirkung. Als die Einsatzkräfte versuchten, den "Schwarzen Block" der Vermummten vom Rest der Kundgebung zu trennen, eskalierte die Lage.

"Unsere Wasserwerfer mussten eingesetzt werden", teilte die Polizei via Twitter mit. Die Einsatzkräfte wurden demnach mit Latten angegriffen, zudem habe es "massiven Bewurf mit Flaschen und Gegenständen" gegeben.

Polizeisprecher während Interview attackiert
Zuvor waren nach Angaben der Polizei ihr Pressesprecher und ein weiterer Beamter während eines Interviews "plötzlich von unbekannten Tätern massiv bedrängt und attackiert" worden. Die beiden Polizisten flüchteten in einen Rettungswagen. "Die Täter versuchten immer wieder, die Tür des Rettungswagens aufzureißen, und schlugen auf diese ein", erklärte die Polizei. Der Wagen habe daraufhin den Einsatzort verlassen, die beiden Beamten seien unverletzt geblieben.

Der einzige von den Behörden genehmigte Demonstrationszug hätte eingentlich über die Reeperbahn gehen und rund 300 Meter vor den Messehallen enden sollen, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Amtskollegen empfangen wird.

Streifenwagen attackiert
Freitagfrüh kam es erneut zu Ausschreitungen. Im Stadtteil Altona hätten rund 60 Vermummte Polizisten mit Steinen und Böllern angegriffen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Auch drei Streifenwagen seien attackiert worden. Die Polizei teilte auf Twitter mit, dass in Altona mehrere geparkte Autos angezündet worden seien. Anschließend zogen kleinere Gruppen von Autonomen durch die Stadt, griffen Polizisten an, errichteten teils brennende Barrikaden und beschädigten Autos und Gebäude. Die Feuerwehr berichtete am Freitag von 156 Einsätzen rund um die G20-Proteste, darunter 61 wegen Feuers.

Bereits seit Tagen angespannte Lage
Zu kleineren gewaltsamen Ausschreitungen war es bereits in den vergangenen Tagen gekommen. So gab es in der Nacht auf Donnerstag einen Brandanschlag auf ein Autohaus in Hamburg. In der Nacht auf Mittwoch war die Polizei mit Wasserwerfern gegen Aktivisten vorgegangen, die eine Kreuzung blockiert hatten.

Demonstranten wollen am Freitag in Hochsicherheitszone vordringen
Hamburg steht auch am Freitag vor neuen, möglicherweise ebenfalls gewaltsamen Protesten. Die Gruppe "Block G20 - Colour the red zone" hat angekündigt, in die engste Hochsicherheitszone vordringen zu wollen. "Unser Ziel ist es, den Ablauf des G20-Gipfels spürbar zu stören und die Inszenierung der Macht, die der Gipfel darstellt, zu brechen", heißt es in einer Selbstdarstellung. Um 19.30 Uhr ist eine "Revolutionäre Anti-G20-Demo" unter dem Motto "G20 entern - Kapitalismus versenken" angemeldet. Insgesamt wurden für den Gipfel-Zeitraum an die 30 Kundgebungen bei den Behörden angemeldet.

Trump-Drohgebärden vor Gipfel
Vor dem G20-Gipfel am Freitag und Samstag sorgte US-Präsident Donald Trump mit Drohgebärden gegen Russland und Nordkorea international für neue Spannungen. Bei einem Besuch in Polen kündigte er am Donnerstag Schritte gegen das "destabilisierende Verhalten" Moskaus an. Er will dem NATO-Partner Polen offenbar auch Patriot-Raketen zum Schutz vor möglichen Aggressionen des mächtigen Nachbarn im Osten liefern. Der Auftritt in Warschau sorgt für zusätzliche Brisanz vor dem ersten Treffen zwischen Trump und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin.

Merkel führte Vorgespräche mit Trump und Erdogan
Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen traf Trump dann am Nachmittag zu seinem ersten Deutschlandbesuch als Präsident in Hamburg ein. Kurz nach der Ankunft traf er sich mit Kanzlerin Merkel.

Erdogan bereut Nazi-Beschimpfungen nicht
Auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan führte Merkel am Donnerstag ein Vorgespräch. Vor seinem Besuch beim Gipfel hatte Erdogan keinerlei Bedauern über seine Nazi-Beschimpfungen an die Adresse Deutschlands gezeigt. "Ich bereue das überhaupt nicht", sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gegenüber dem TV-Sender France 24 auf eine entsprechende Frage. Mit Blick auf die Verbote von Wahlkampfauftritten von Vertretern seiner Regierung in Deutschland im Frühjahr meinte Erdogan: "Dieses Verhalten ist eines, das dem Nazismus entspricht, und ist absolut ein Anzeichen von Faschismus."

Erst kurz vor dem G20-Gipfel hatte die deutsche Bundesregierung Erdogan selbst einen von ihm gewünschten Auftritt vor Landsleuten am Rande des Treffens in Hamburg untersagt. Erdogan übte scharfe Kritik an dieser Entscheidung. Das Verbot sei bezeichnend dafür, wie liberal Deutschland tatsächlich sei, sagte er.

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