Doppelinterview

“Bedingungen nach Wahl wird nicht die SPÖ stellen”

Österreich
24.06.2017 20:03

Schwarz-Blau: In Wien verstehen sich die Oppositionsparteien blendend. Gleiche Ziele, gemeinsamer Kampf gegen Rot-Grün. Mit der "Krone" sprachen die Spitzen - ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel und der freiheitliche Vizebürgermeister Wiens, Johann Gudenus - über Kopierer, künftige Koalitionen und Kriterien.

"Krone": Die Bundes-Chefs gehen weniger harmonisch miteinander um als Sie. Heinz-Christian Strache kritisiert Sebastian Kurz täglich als FPÖ-Kopierer. Was kopiert denn die ÖVP?
Johann Gudenus: Man sieht, dass in den letzten zwei Jahren viele unserer Forderungen übernommen wurden. Da ist die Flüchtlingsfrage, die Islamisierung, die Mindestsicherung, die Sicherheit. Die ÖVP merkt, dass unsere Themen gut ankommen, und übernimmt sie. Das sehen wir als Bestätigung für unsere Linie. Nur ist Sebastian Kurz da ein Ankündigungsweltmeister.
Gernot Blümel: Wenn ein Politiker Umsetzungsweltmeister ist, dann Sebastian Kurz. Er hat die Balkanroute im Alleingang geschlossen.
Gudenus: Das haben schon die Ungarn gemacht. Und die Serben. Sind die jetzt Befehlsempfänger von Kurz?

Blümel: Sie haben seinen Anstoß jedenfalls dankend angenommen. Faktum ist, dass Sebastian Kurz Probleme gelöst hat, als sie da waren - und dafür lassen wir uns gerne von allen kritisieren und von Christian Kern sagen, seine Ankündigung, die Mittelmeerroute zu schließen, sei ein Vollholler.
Gudenus: Die Mittelmeerroute wird Kurz auch nicht im Alleingang schließen können. Und was die Balkanroute betrifft, hat Ungarn die Grenzen dicht gemacht, während in Wien jede Tempo-30-Zone besser bewacht wurde als die österreichischen Grenzen. Spät hat man begonnen nachzujustieren.
Blümel: Bei der Balkanroute hat auch jeder gesagt, das kann nicht sein, Kurz hat es trotzdem gemacht.

Wollen Sie die Wahl mit dem Migrationsthema gewinnen?
Gudenus: Es ist ein wichtiges Thema. Wir sind für Zuwanderung von Leistungsträgen, die Steuern zahlen oder Arbeitsplätze schaffen. Wir haben aber eine Zuwanderung in Sozialsysteme, vor allem in Wien, und eine Abwanderung der klügsten Köpfe von 30.000 Personen pro Jahr nach Kanada, England und Co., wo das Innovationsklima besser ist.
Blümel: Kurz hat drei Bereiche definiert: zu hohe Steuerbelastung, Sozialpolitik und Migration wie Sicherheit. Da wird die Schließung der Mittelmeerroute eine große Rolle spielen. Es kann nicht sein, dass sich jemand in Afrika in ein Boot setzt und dies das Ticket nach Europa ist. Die Menschen gehören in Versorgungszentren außerhalb Europas gebracht, und dort ist zu klären, ob jemand einen Asylgrund hat.

Gudenus: Das fordern wir schon lange. Es gehört auch abgeschoben. Es wäre die Aufgabe von Kurz gewesen, Rückführungsabkommen zu verhandeln, da ist nichts passiert.
Blümel: Wir sind für Entwicklungshilfe in den Herkunftsländern. Die FPÖ auch?
Gudenus: Auch das fordern wir, nur nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern kontrolliert.

Was unterscheidet die ÖVP noch von der FPÖ?
Blümel: "Wir unterstützen nicht Marine Le Pen. Wir feiern nicht den Brexit. Und wir sind auch nicht bei der Angelobung von Donald Trump zum Präsidenten vertreten. Ich warte auch gespannt auf ein Wirtschaftsprogramm der FPÖ. 2013 hat sie die höhere Besteuerung von Besserverdienern gefordert. Ich bin sehr gespannt, ob sie das wieder tut.
Gudenus: Uns geht es um faire Behandlung von Leistungsträgern. Die Abgabenquote von derzeit 44 Prozent muss runter. Das Programm kommt nach dem Sommer.

Orientieren Sie sich da jetzt am ÖVP-Programm?
Gudenus: An der Vernunft.
Blümel: Fühl dich frei: Copy Paste!
Gudenus:(lacht) Wie der Schelm denkt. Copy Paste.

Können Sie sich Schwarz-Blau als Regierung vorstellen?
Blümel: Wir grenzen niemanden aus. Das gilt für die SPÖ nicht. Auf Bundesebene öffnet sie sich für die FPÖ, Wien schließt die FPÖ aber kategorisch aus. Niemand kennt sich aus. Ist Wien jetzt gegen Kern?
Gudenus: Kern drückt sich unklar aus, um einen Konflikt mit Michael Häupl zu vermeiden. Er ist immerhin Chef von Wien. Wir fragen uns schon, ob diese Öffnung ernst gemeint ist.
Blümel: Die Ausgrenzung galt bisher nicht für die ÖVP. Das ist jetzt ein Thema geworden, da Kern inhaltliche Bedingungen stellt.
Gudenus: Die Bedingungen nach der Wahl wird ohnehin nicht die SPÖ stellen.

Ist eine SPÖ-ÖVP-Fortsetzung denkbar?
Blümel: Aus unserer Sicht stellt sich diese Frage derzeit definitiv nicht. Vieles muss und wird sich ändern.
Gudenus: Ich schließe nichts aus. Häupl wünscht sich die Fortsetzung. Um jeden Preis machen wir die Regierung auch nicht.

Ihre Kampagnen unterscheiden sich: Herr Strache kritisiert häufig Herrn Kurz. Andersrum kaum.
Gudenus: Wir kritisieren auch Herrn Kern. In der Regierung ist nichts weitergegangen, wir kritisieren die Verantwortlichen für den Stillstand, die Politik der offenen Grenzen. Und zur schlechten Wirtschaft: Den Minister hat die letzten Jahre immer die ÖVP gestellt.
Blümel: Das ist eine Stilfrage. Es ist unappetitlich zuzusehen, wie alle mit allen Mitteln versuchen, Sebastian Kurz etwas Schlechtes nachzusagen. Das ist ein Stil, auf den wir uns nicht einlassen. Wir zeigen gute Politik. Wir brauchen keine Schlammschlacht.

Maida Dedagic, Kronen Zeitung

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