Deutsch-Schwäche

Wissenswüste macht Firmen zu schaffen

Oberösterreich
15.06.2017 05:01

Immer mehr Firmen hadern damit, dass Job-Bewerber einfachste Rechenaufgaben nicht lösen können und auch mit der Rechtschreibung auf Kriegsfuß stehen. Für Betriebe wird die Besetzung von Jobs und Lehrplätzen so immer schwieriger. Doch wer ist "schuld"? Eine Doppelseite mit dem Schwerpunkt "Bildungsmisere"!

"Wir sollen Leute vermitteln, die nicht einmal die Grundrechenarten beherrschen", sagt Arbeitsmarktservice-Landesgeschäftsführer Gerhard Straßer. "Wir als AMS sind da nach wie vor sehr oft die Reparatur-Werkstatt."
"Wenn’s um die Mängel in der Allgemeinbildung geht, da raschelt’s mittlerweile ordentlich", stellt auch Gerold Royda ernüchtert fest. Der Sprecher der oberösterreichischen Hotellerie hat immer wieder seine "Aha"-Erlebnisse mit Mitarbeitern. Eine Situation, die viele Firmen kennen.

OÖGKK coacht Lehrlinge
Die OÖ-Gebietskrankenkasse hat längst reagiert, führt zu Beginn der Lehrzeit etwa Trainings im Bereich Schriftverkehr durch. "Schon beim Auswahlverfahren wird ein hohes Level verlangt", heißt es aus dem Personalbüro der OÖGKK.
Mit Wissensmängeln ist auch die Polizei konfrontiert. 200 neue Auszubildende werden derzeit pro Jahr aufgenommen. Doch wer beim Deutsch-Diktat schwächelt, nimmt die Aufnahmehürde meist nicht. "Zu viele Fehler sind ein K.-o.-Kriterium", sagt Landespolizeidirektor Andreas Pilsl - siehe Interview unten.
Die Schwächen werden größer. Doch wer ist daran schuld? Versagt das Bildungssystem? Die Antwort ist vielschichtig. Für Bildungspolitik-Experte Fritz Dallamaßl spielt hinein, dass die Zahl der ungelernten Kräfte zurückgeht, dies aber zur Folge hat, dass Menschen mittlerweile in die Lehre vorstoßen, die diese früher gar nicht in Angriff genommen hätten. Auch die veränderte Gesellschaftsstruktur spielt eine Rolle. Die Zahl der nicht-intakten Elternhäuser steigt, oft fehlen zu Hause Vorbilder. "Die Lehrer haben ganz andere Aufgaben als früher, sie werden allein gelassen", klagt Paul Kimberger, oberster Vertreter der Pflichtschullehrer - siehe zweites Interview unten. Die Rechnung dafür bekommen die Betriebe.

"Das Niveau ist gesunken"
Einer von sechs Bewerbern wird bei der Polizei in Oberösterreich aufgenommen. "Früher war es härter", sagt Landespolizeichef Andreas Pilsl.

Beim Deutsch-Diktat, bei dem 50 Wörter in Lücken zu schreiben sind, scheitern viele, die sich bei der Polizei bewerben.
Deutsch hat einen hohen Stellenwert bei den Tests. Zu viele Fehler sind da ein K.-o.-Kriterium.

Beunruhigen Sie diese Schwächen?
Die Tests sind österreichweit vereinheitlicht. Aber man muss sich die Frage stellen, ob in Zeiten von Rechtschreibprüfungen am Computer nicht stärker ins Gewicht fallen sollte, wenn jemand etwa eine zusätzliche Fremdsprache beherrscht.

Sie alarmiert etwas anderes, stimmt’s?
Ja. Beim Aufnahmegespräch scheiden nämlich viele aus, weil sie nicht wissen, warum sie Polizist werden wollen.

Ist das eigentlich schlimmer geworden?
Das Aufnahmeniveau bei uns ist gesunken. Früher mussten 800 Punkte erreicht werden, um genommen zu werden. Heute ist man bei etwa 300 schon durch. Das hängt aber auch damit zusammen, dass wir viel mehr Leute aufnehmen.

"Es gibt Haushalte ohne ein Buch"
"Lehrer werden allein gelassen", sagt der Innviertler Paul Kimberger, oberster Vertreter der österreichischen Pflichtschullehrer.

Das Klagen der Wirtschaft über Mängel beim Allgemeinwissen wird laut. Sind die Lehrer schuld?
Ich halte das für kein neues Phänomen.  Man darf aber nicht vergessen, dass das Lehrerdasein dramatisch schwieriger wurde. Heute geht es viel mehr um psychologische Dinge als nur um Wissensvermittlung.

Wie erklären Sie sich das?
Schwierig. Teils leben Kinder in prekären sozialen Verhältnissen. Dann gibt’s die Helikopter-Eltern und auf der anderen Seite
die Wohlstandsverwahrlosung - für mich passt das alles nicht zusammen.

Was schlagen Sie vor?
Entwicklungen wie die "Schule ohne Schultasche" halte ich für falsch. Wir müssen Leistung von den Kindern verlangen und sie mit der Realität konfrontieren.

Wie erklären Sie sich die Deutsch-Schwächen?
Die Frage der Lesefähigkeit ist eine Frage des Elternhauses. Es gibt Haushalte ohne ein Buch.

Barbara Kneidinger, Kronen Zeitung

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