Interview zum 90er

Wie sind Sie nur so frisch geblieben, Frau Haas?

Adabei
11.06.2017 07:00

90 Jahre! Im großen Geburtstags-Interview mit Conny Bischofberger spricht Publikumsliebling Waltraut Haas über ihre Geheimrezepte gegen Fältchen und Kilos, den Verlust der heilen Welt und zwei Schutzengel, die auf sie aufpassen.

Eine romantische kleine Villa am Wiener Küniglberg. Waltraut Haas steht im Rosengarten und winkt schon von Weitem. Immer an ihrer Seite: Pudeldame "Puppi", die ihre Ohren richtig spitzt, wenn Frauchen zu ihr spricht. "Braves Mädi!"

Im Wohnzimmer stehen viele Blumensträuße, die Glückwunschkarten stapeln sich. "Vor dem Beantworten hab ich ein bisschen Angst", seufzt die Jubilarin. Zum 90. Geburtstag am vergangenen Freitag bereiteten ihr Künstlerfreunde im "Marchfelderhof" ein großes Fest, Sohn Marcus ließ 90 Luftballons in den Himmel steigen.

"Krone": An runden Geburtstagen ziehen viele Menschen Bilanz. Wie ist es, sein Leben noch einmal Revue passieren zu lassen?
Waltraut Haas: Wunderschön! Am stärksten sind die Erinnerungen an meinen Mann. Wir sind viele Jahre lang auf der MS Europa und auf anderen Schiffen aufgetreten. Durch ihn habe ich die ganze Welt kennengelernt. Nur die Galapagos-Inseln fehlen mir. Im Rückblick erscheint mir mein Leben eigentlich wie eine Kreuzfahrt über alle Meere mit dem Menschen, den ich am meisten geliebt habe.

Sie waren 45 Jahre mit Erwin Strahl verheiratet, 2011 ist er gestorben. Wie sind Sie mit ihm in Verbindung?
Ich besuche ihn jeden Sonntag auf dem Friedhof. Ich träume auch von ihm, zuletzt hatte ich wieder zwei ganz intensive Träume. Das ist eigentlich kein Trost. Aber so weiß ich wenigstens, dass ich nicht allein bin, denn er passt oben auf mich auf. So wie meine Mutter. Ich habe zwei wirklich starke Schutzengel.

Als der Zweite Weltkrieg begann, waren Sie zwölf Jahre alt. Welche Erinnerung taucht auf, wenn Sie an den Krieg denken?
Dass die Jalousien immer unten sein mussten, wegen der Flugzeuge. Sie durften nicht sehen, wo Licht brannte. Wenn der Bombenalarm losging, sind wir hinunter in den Luftschutzkeller. Er lag direkt unter unserem Gasthaus - meine Mutter war die "Stöcklwirtin" vom Meidlinger Tor. Ich habe meistens Karl May gelesen dort unten. "Schatz im Silbersee". Einmal hat es einen ganz fürchterlichen Einschlag gegeben. Ich habe gefragt, ob das "Stöckl" jetzt kaputt ist. Da hat meine Mutter gesagt: "Nein, nur unsere Wohnung." Auch der Tiergarten Schönbrunn wurde durch die Bomben völlig zerstört. Fünf tote Elefanten. Herumirrende Äffchen. Es war eine schlimme Zeit.

Sie wurden 1947 als "Mariandl" im Film "Hofrat Geiger" bekannt. War die heile Welt des Heimatfilms nach dem Krieg eine Art Zuflucht für die Menschen?
Ja, das glaube ich ganz bestimmt. Nach dem Krieg wollten die Leute im Fernsehen nicht auch noch Schreckliches sehen, Krimis und so. Sondern schöne Filme. Das Mariandl hat ihre Sehnsucht gestillt.

Gibt es ein Kapitel Ihrer Karriere, auf das Sie besonders stolz sind?
Stolz ... Ich bin höchstens stolz darauf, dass ich nie arrogant geworden bin. Das ist bei Künstlern, die so große Erfolge hatten wie ich, eigentlich selten.

Die 90 Jahre sieht man Ihnen nicht an. Wie alt fühlen Sie sich selber?
Nicht älter als 70. Wobei ich mir über das Alter nie besonders viele Gedanken gemacht habe.

Hans Dichand, unser verstorbener Herausgeber, hat einmal gesagt: "Käme das Alter zur Tür herein, man würde sich umdrehen und davonrennen. Aber es schleicht sich so freundlich heran ..." Haben Sie es auch so empfunden?
Ja, es kommt so unbemerkt. Plötzlich sind da diese Fältchen. Um den Mund herum sind es immer mehr geworden.

Was tun Sie dagegen?
Ich bin jahrelang in die Beauty-Residenz von Helga Dolezal nach Neusiedl gefahren. Leider gibt es sie nicht mehr. Dort habe ich mir so Straffungsmasken auflegen lassen.

Nie versucht gewesen, sich Botox zu spritzen?
Um Gottes Willen, nein. Da erkennt man Sie nachher nicht mehr wieder.

Welche Pflege verwenden Sie?
Dürfen wir Werbung machen? Ich schmiere seit jeher die Cremen von Maria Galland. So bescheiden wie Lotte Tobisch bin ich nicht, dass ich nur Nivea-Creme brauch. (Lacht).

Wehwehchen?
Seit dem Sturz über die Kellertreppe hab ich zwei Titan-Schrauben im Nacken. Mein Bewegungsradius hat sich sehr verkleinert und ich kann leider nicht mehr Auto fahren, was mich sehr kränkt. Unser nilgrünes BMW-Cabrio steht draußen in der Garage und weint. Ich lerne auch nicht mehr so leicht Text wie früher. Ansonsten bin ich aber ganz fit. Ich turne jeden Morgen fünf Minuten lang, dann gehen "Puppi" und ich unsere Runde rauf zum ORF und erst dann gibt's Frühstück.

Haben Sie auch Tage, an denen Sie das nicht schaffen?
Nein, das ist bei mir wie eine Automatik. Ich kann gar nicht anders.

Zuletzt sind Christine Kaufmann und Hilde Sochor gestorben. Was geht bei Todesnachrichten von Kolleginnen durch Ihren Kopf?
"Vielleicht bin ich ja die Nächste." Wenn ich es ausspreche, dann wird mein Sohn immer ganz wütend. Dann denke ich: "Lieber Gott, lass mich noch ein paar Jahre bleiben."

Möchten Sie 100 werden?
Wenn ich gesund bleibe, schon. Ich hätte mir ja auch nie erträumt, dass ich 90 werde.

Darf ich Sie fragen, ob Sie Angst vor dem Sterben haben?
Sie dürfen alles fragen. Aber ich denke über das Sterben nicht nach. Man soll positiv denken. Wie's kommt, kommt's. Man kann sich's ohnehin nicht aussuchen.

Machen Sie sich manchmal Sorgen um die Welt? Ein unberechenbarer US-Präsident, Brexit, Terror, Klimawandel ...
Sehr ... Ich habe eigentlich in einer wunderbaren Welt gelebt, in einer Welt, die es heute nicht mehr gibt. Es ist sehr traurig, dass sich alles zum Negativen gewandelt hat. Die Menschen sind auch nicht mehr so nett wie früher. Nur am Theater gibt es nach wie vor diese Liebenswürdigkeit. Ich kann ja nicht mehr so gut über Treppen steigen, da helfen mir alle Kollegen und sind einfach zauberhaft zu mir.

Sie treten in Gerald Pichowetz' Gloria-Theater auf. Hat man ihm Unrecht getan?
Ich will zu dieser Mörbisch-Sache nicht viel sagen. Nur so viel: Wer weiß, was ihm da erspart geblieben ist.

Ihre Karriere
Geboren am 9. Juni 1927 in Wien, aufgewachsen im Schloss Schönbrunn, wo ihre Eltern ein Restaurant betrieben. Der Vater stirbt, als Waltraute (so steht es in der Geburtsurkunde) fünf Jahre alt ist. Vor ihrer Schauspielausbildung besucht sie auf Wunsch der Mutter eine Haushaltsschule. Neben ihren Paraderollen spielt sie in mehr als 70 Filmen. 2011 stirbt ihr Ehemann Erwin Strahl, mit dem sie 45 Jahre lang verheiratet war. Unter der Regie ihres Sohnes Markus Strahl steht Waltraut Haas bis heute auf der Bühne.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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(Bild: kmm)



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