Keine Weisung

“Schluss, wir steigen aus: Wir können das nicht”

Salzburg
08.06.2017 23:30

Tag drei im Prozess um die Swaps-Übertragung von der Stadt ans Land galt dem angeklagten Bürgermeister Heinz Schaden und Ex-Landesrat Othmar Raus: Beide bekannten sich nicht schuldig -und beide beteuerten: "Es gab keine politische Weisung!" Einen Tag zuvor hatte sie Ex-Finanzbeamtin Rathgeber belastet.

"Nicht schuldig" plädierte der Stadtchef vor Richterin Anna Sophia Geisselhofer. Der Druck, der seit Monaten wegen der Anklage auf ihm lastet, war nicht zu übersehen, dennoch blieb Heinz Schaden ruhig - wenn auch wenig auskunftsfreudig.

Der Bürgermeister bekannte sich nicht schuldig

Mehrfach bohrte die Richterin nach, wie die Vorgeschichte und Vorbereitung zur Übertragung der Swaps mit einem damaligen negativen Barwert von minus 4,8 Millionen Euro ablief und warum es keine Gegenleistung gegeben habe. Schaden holte nur am Anfang weit aus, schilderte wie die Stadt beinahe bankrott ging, als er 1992 zum Vizebürgermeister aufstieg: "Das hat sich bei mir eingebrannt. Als ich 1999 Bürgermeister wurde, wollte ich stets ausgeglichene Haushalte produzieren und keine Abenteuer für die Stadt eingehen. Ich bin eher der Typ, der sein Geld zur Sparkassa trägt, als in Aktien investiert."

Ab 2002 drängte der Rechnungshof förmlich darauf, Zinsen mit Tauschgeschäften zu sparen: "Eine Zeit lang ist das gut gegangen. Jedes Geschäft ist dem Gemeinderat vorgelegt worden. Im Mai 2007 habe ich erste Informationen bekommen, dass sich die Erfolgsaussichten verschlechtern könnten. Damit war klar, dass das Diskussionen geben wird. Ich habe einen Statusbericht über die Derivate in Auftrag gegeben und man hat erstmals über Klagen gegen Banken beraten. Dann habe ich gesagt: Aus. Schluss. Wir steigen aus! Wir können das nicht!"

Keine politische Weisung zu Swap-Übernahme

Geisselhofer bohrte nach: "Warum dann gerade 2007 der Ausstieg? Der Problem-Swap lief ja bis 2025."

"Mir sind diese Swaps unheimlich geworden", meinte Heinz Schaden.

Die Finanzabteilung habe ihm dann gesagt, es gibt ein Interesse des Landes für eine Übernahme der verbliebenen Swaps, mit der Begründung, dass "das gut ins Portfolio des Landes passen würde." Von drohenden finanziellen Schäden will er nichts gewusst haben, nur dass sich die Zinserträge nicht mehr so gut entwickeln würden.

Das Ausmaß (Anm.: Minus 4,5 Mio. Euro - das steht im Statusbericht vom Sommer 2007, den Schaden angefordert hat) habe er erst später durch das Gutachten von Christian Imo erfahren, den die Staatsanwaltschaft beauftragte. Dann ging es schnell: Am Rande einer Festspielveranstaltung habe er mit dem damaligen Finanzreferenten Othmar Raus kurz über das Thema gesprochen, mit der Bitte, die Stadt- und Land-Finanzabteilungen mögen sich zusammensetzen: "Es gab aber keine Weisung in irgendeiner Form!"

Ende August 2007 kam Schaden von seinem Asienurlaub zurück: "Ich habe dann die Information erhalten, dass das Land gewillt sei, die Derivate zu übernehmen. Ich habe die Papiere im September 2007 unterschrieben."

"Gab es eine Gegenleistung?", wollte die Richterin wissen: "Es ist kein Geld geflossen. Es ist zwar nichts ausgeschlossen worden, aber es hat keine Geldüberweisung gegeben. Ich habe meinen Beamten gesagt, Geschäfte mit Derivaten macht die Stadt nicht mehr. Schluss, Aus, Ende."

Die Richterin gab sich nicht zufrieden: "Was haben Sie mit Ihrer Unterschrift bewirken wollen?" Schaden wich aus: "Wir hatten keine personellen Kapazitäten (Finanzdirektor Wilhelm Rader war schwer erkrankt, Sachbearbeiter Axel Maurer erst kurz im Dienst), das Land hatte die Fachleute."

"Sollte das Land die Papiere nur bewirtschaften oder wollten Sie, dass das Land in alle Rechte und Pflichten eintritt?", fragte die Vorsitzende nach: "Zumindest bewirtschaften", meinte Schaden.

Der Stadtsenat und die allgemeine Diskretion

Den Stadtsenat (Finanzgremium der Stadt) habe er damals nicht informiert: "Wenn Sie das im Stadtsenat besprechen, ist es tot. Wenn Sie hier Themen ansprechen, die noch nicht spruchreif sind, dann sind sie schneller als man glauben kann zerredet."

Es sei außerdem der Wunsch aller Beteiligten nach Diskretion gewesen: "Die Banken sind in Sachen Öffentlichkeit sensibel. Außerdem musste ich dem Senat auch nicht berichten, weil kein Geld geflossen ist. Ich wollte aber Diskretion."

"Es gab keine Weisung"

Wenig aufschlussreich für das Gericht war am Ende die Einvernahme von Heinz Schaden, dafür umso mehr jene von Ex-Finanzlandesrat Othmar Raus. Er habe Schaden und dann auch Hofrat Eduard Paulus im Festspielbezirk getroffen. Da sei erstmals über die Swap-Probleme in der Stadt gesprochen worden.

Staatsanwalt Gregor Adamovic wollte von Heinz Schaden Details zu den Dringlichkeitsverfügungen (erlaubt das Stadtrecht) wissen, die der Bürgermeister unter anderem bei den Umstrukturierungen der Swaps ein-setzte und erst danach im Gemeinderat die Genehmigung einholte. Doch gleich nach der Mittagspause wollte Schaden keine Fragen mehr von Adamovic beantworten: "Der Bürgermeister ist erkennbar unkonzentriert", rechtfertigte ihn sein Anwalt Walter Müller.

Ex-Landesrat Othmar Raus: "Nicht schuldig"

Othmar Raus gab im Anschluss mehr Auskunft: "Ja, ich habe Schaden am 6. August 2007 am Rande einer Festspielveranstaltung getroffen, zufällig ist auch Hofrat Paulus gesichtet worden. Schaden hat mich darauf angesprochen, dass er Probleme mit seiner Finanzabteilung hat und er sprach auch ganz allgemein von Derivaten, von denen er sich trennen möchte."

Besprochen wurde nichts Konkretes, keine Zahlen und kein Ausmaß des drohenden finanziellen Schadens. Der Bürgermeister habe aber auch den Wunsch geäußert, dass die zwei Finanzabteilungen über eine eventuelle Übernahme der Derivate sprechen. Dann habe er keine Informationen mehr erhalten, erst im November habe er nachgefragt, was nun daraus geworden sei. Die Antwort von Paulus: Alles geregelt. Drohende Klagen der Stadt habe er nur 50:50 ernst genommen und Rathgeber beruhigt.

Heute ist Ex-Finanzhofrat Eduard Paulus dran

Warum hat er die Bitte des Bürgermeisters nicht abgelehnt, als es um die Derivate ging?", fragte die Richterin: "Das ist nicht mein Stil. Einen Bürgermeister der Stadt abzukanzeln, ist nicht ratsam. Ich war immer ein Mann des Konsenses. Und ich habe ganz allgemein immer wieder Gespräche eingeleitet."

Die Initiative sei jedenfalls von Heinz Schaden ausgegangen: Danach habe ich Paulus gebeten, er solle doch schauen, dass es zu Gesprächen zwischen den beiden Finanzabteilungen kommt. Aber eine Anweisung oder gar eine politische Weisung an Paulus, dass das Land diese Problem-Derivate der Stadt übernehmen soll, hat es definitiv nicht gegeben Weder schriftlich noch mündlich!"

Raus sprach noch von einem gewaltigen Fehlschlag bei der Information und der Kommunikation. "Ich hätte im Nachhinein zu Monika Rathgeber gesagt: "Warum haben Sie mich nicht angerufen oder ein Mail geschrieben? Darunter haben jetzt viele zu leiden."

Gründe könnten vielleicht die Angst davor gewesen sein, dass der Finanzplatz Salzburg und die Öffentlichkeit unruhig werden: "Ich weiß nicht, warum nicht eine gründliche Beratung dazwischen geschaltet wurde."

Raus und Schaden widersprechen also Monika Rathgeber und ihrem Mitarbeiter Christian Mittermair, die von einer politischen Weisung sprachen, die sie von Paulus erhalten hätten. Er sei es auch gewesen, der eine direkte Kommunikation mit Raus untersagt hätte.

Der Ex-Hofrat ist heute ab 9 Uhr mit seiner Einvernahme dran. Im U-Ausschuss 2013 hatte er ebenso von einer politischen Weisung gesprochen.

DER FINANZPROZESS

Ein guter Zuhörer 

Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic wollte von Ex-Landesrat Othmar Raus wissen, wie seine Ressorts im Land unterteilt waren. Als Raus eloquent und lange über seine Zeit als Regierungsmitglied sinnierte, unterbrach die Richterin. Raus dann zum Staatsanwalt: "Ich habe einen interessanten Menschen gefunden, der mir zuhört"

Ziegelstein auf Kopf

Als Raus mit der Aussage konfrontiert wurde, dass Ex-Hofrat Eduard Paulus ihn im U-Ausschuss belastet hatte, entfuhr im ein verärgertes: "Das war schmerzhaft. Ich dachte mir fällt ein Ziegelstein auf den Ko

Kommentar - Suche nach der Wahrheit

Sie wird mir immer sympathischer, die Richterin Dr. Anna Sophia Geisselhofer, die einen der heikelsten Prozesse in der Salzburger Justiz-Geschichte führt. Souverän und konsequent, manche sagen da straight, ohne irgendeine Scheu vor prominenten Namen oder redegewandten und medienaffinen Verteidigern, klar auf der richtigen Linie: Es kann ja nur eine Wahrheit in dem Fall geben.

Mit einem strategisch gut angelegten Verhör brachte sie den redegewandten Bürgermeister in Bedrängnis.

Doch die Sympathien im Volk sind klar auf der Seite von Heinz Schaden: Unheimlich seien sie ihm geworden, diese Hochrisiko-Geschäfte, diese Casino-Wetten, so sagte er am Donnerstag aus. Und die Meinung der Menschen geht in die Richtung: Einen Verlust für die Stadt habe er auf jeden Fall vermieden. Und: Im Land hätten sie ohnehin mit Milliarden spekuliert, mit unserem Steuergeld, das sie in rasender Geschwindigkeit rund um die Welt und zurück schickten, viele Millionen hatten sie auf den Kurs der türkischen Lira verwettet, ein finanztechnischer Irrsinn, ehe sich am bitteren Ende die Panik wie die Pest verbreitete und sie auf Teufel komm raus verkauften und einen Millionenschaden anrichteten.

Wenn zwei das Gegenteil beschwören, so lügt einer.

Gab es also diese politische Anweisung?

Es wird so gelaufen sein, wie es halt so dahin gegangen ist mit dem Geld, das nicht ihnen gehörte: Das waren ja wirklich Peanuts, Erdnüsse, Kleinigkeiten, wie die Banker zu sagen pflegen, Kursschwankungen, Reibungsverluste, das nehmen wir schon mit, Bilanz kann ohnehin keiner lesen.

Damit uns allen die Dimension dieses Finanzskandals bewusst wird: Das Land schrammte mehrmals an der totalen Pleite vorbei. Und schuld war niemand?

Hans Peter Hasenöhrl, Kronen Zeitung

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