Rücktritts-Frage:

Wie brutal ist die Politik heutzutage?

Oberösterreich
24.05.2017 17:20

Die Rücktritte von Reinhold Mitterlehner bei der ÖVP und von Eva Glawischnig bei den Grünen waren nicht nur Folge (partei)politischer Umstände, sondern auch persönlicher Befindlichkeiten. Denn durch die sozialen Medien wird nicht nur das Tempo des politischen Alltags gesteigert, auch früher nicht alltägliche Anfeindungen haben rasant zugenommen - ein rüder Umgangston unter den Politikern selbst, Hasspostings, sexistische Anwürfe, Shitstorms sind "en vogue".

"Politik ist kein Ponyhof", sieht FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner diese Entwicklung ähnlich pragmatisch wie HC Strache, der diese Woche in Linz war - siehe Interview in der Printausgabe. Seine "Waffe" gegen schwarze Gedanken ist der Humor: "Wir haben es untereinander (in der FPÖ) oft auch ganz schön lustig. Das ist, glaube ich, auch wichtig: Humor als eine gewisse Selbstreinigung." Das gilt nicht nur nach außen: "Dass man auch über sich selbst lachen kann, ist auch wichtig. Dass man sich nicht selber immer für den Nabel der Welt hält", so Haimbuchner.

"Schluss mit der Hetze!

Nicht so nonchalant wie Haimbuchner und Strache sieht das der grüne Landesrat Rudi Anschober, der sich im Landtagswahlkampf 2015 gar mit einer Videobotschaft unter dem Titel "Es reicht!" ans Volk wandte: "Schluss mit den Hasspostings im Internet! Schluss mit der Hetze am Stammtisch!" Und heute? "Ja, der Hass wurde bei einer kleinen Minderheit im Netz nicht weniger. Wir gehen konsequent dagegen vor", sagt Anschober.
Aber wie? "Rechtsschritte bündeln wir und gehen dabei bundesweit vor", erzählt der Grüne. Eva Glawischnig, zum Beispiel, habe mehr als 40 Verfahren gegen Hassposter geführt. Was natürlich auch Kraft kostet, kann man ergänzen. Persönliche Bedrohungen hänge er nicht an die große Glocke, sagt Anschober: "Sie werden der Exekutive übergeben." Drittens versuche er persönlich, eine positive politische Kultur zu leben und auch mit Andersdenkenden im Netz freundlich umzugehen. "Das gelingt meist", sagt er.

Status der Politiker hat sich geändert

Differenziert sieht die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle die Entwicklung: "Eine dicke Haut hatten Politiker immer schon nötig, denn der Ton zwischen den Parteien und ihrer Vertreter war immer schon ein rüder. Das zeigen frühere Wahlkämpfe sowohl in der Ersten als auch Zweiten Republik. Geändert haben sich aber der Status als Politiker und die Belastung. Politiker gelten heute nicht mehr als Respektspersonen. Und die öffentliche Beobachtung hat zugenommen - von Medien, aber auch durch die Bevölkerung, denn vor Smartphones ist niemand sicher.

"Shitstorm" im Wasserglas

Paul Eiselsberg, Chefforscher beim Linzer IMAS-Institut, stützt Anschobers These von der "kleinen Minderheit", die hetzt: "Das noch relativ junge Phänomen "Shitstorm" wird oft sehr breit wahrgenommen, obwohl es sich nicht selten nur um eine Art Sturm im Wasserglas handelt. Immerhin hat nur eine sehr kleine Minderheit von sieben Prozent der Facebook-User schon einmal daran teilgenommen. Weniger als 40 Prozent halten einen Shitstorm für geeignet, um entsprechende persönliche Ärgernisse zu äußern."

Werner Pöchinger, Kronen Zeitung

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