Deutschland in Angst

Polit-Puppenspieler: Hacker und Bots im Wahlkampf

Web
08.05.2017 09:13

Ein Gespenst geht um und versetzt Politiker in Aufregung: Wahlsabotage durch Hacker, Meinungsmache mit sozialer Software und "Trollen". Geht es nach US-Geheimdiensten, hat Wladimir Putin Donald Trump damit zum US-Präsidenten gemacht. In Frankreich haben Hacker am Tag vor der Wahl eine Interna-Bombe rund um Emmanuel Macron platzen lassen. Und auch in Deutschland herrscht nun Angst vor den Wahlen, die noch anstehen.

2015 wurde der deutsche Bundestag gehackt. Die damals gestohlenen Daten sind bis heute nicht wieder aufgetaucht. Zum Grund dafür gibt es laut einem Bericht der "Berliner Morgenpost" zwei Theorien: Entweder, die gestohlenen Daten waren nicht interessant genug, oder die Hacker warten auf den richtigen Moment für die Veröffentlichung. Im deutschen Superwahljahr 2017 - im Herbst muss sich Kanzlerin Merkel ihrer Wiederwahl stellen - könnte der Moment nun kommen.

Nicht nur die Kanzlerin scheut Enthüllungen und hat deshalb ihren Geheimdienst gebeten, mögliche Versuche Russlands zu prüfen, die Meinung in Deutschland zu manipulieren. Auch ihr wichtigster Widersacher, SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, kennt das Risiko und arbeitet eng mit den Sicherheitsbehörden zusammen.

Alle Indizien deuten auf Russland
Im Verdacht hatte und hat man bei Sabotageakten im Cyberspace immer wieder Russland. Nicht ohne Grund: Die Spuren bei Hackerangriffen auf politische Akteure führen häufig zu den Hackergruppen APT28 und APT29, denen eine Nähe zu den russischen Geheimdiensten nachgesagt wird. Verdächtige Server, die für Cyberangriffe genutzt werden, haben offenbar ebenfalls einen Russlandbezug. Die Existenz sogenannter "Trollfabriken" in St. Petersburg gilt als bewiesen. Und der Kreml hat angekündigt, sich für die "asymmetrische Kriegsführung" zu rüsten.

Teil dieser "asymmetrischen Kriegsführung" ist die sogenannte Gerassimow-Doktrin. Sie geht auf Putins Generalstabschef Waleri Gerassimow zurück und besagt, dass es heute keine klare Grenze mehr zwischen Frieden und Krieg gibt. Verdeckte Aktionen wie Hackerangriffe gewinnen dadurch an Bedeutung. Russland rüstet sich für diese Art der Kriegsführung, wirbt seit Jahren an russischen Unis, aber auch in Gefängnissen Informationskrieger für den Cyberspace an.

Die Indizien deuten auf Putin als Drahtzieher des Informationskriegs im Cyberspace. Doch seine Hacker sind gut: Den finalen Beweis, dass Russland Europa und andere Länder zu destabilisieren trachtet, haben sie noch nicht hinterlassen.

Kampagnen mit echten und gefälschten Daten
Eine wichtige Rolle bei der Manipulation der öffentlichen Meinung im Zuge solcher Kampagnen spielen allerdings nicht nur die Hacker, die in die internen Systeme politischer Akteure eindringen und mehr oder minder sensible Informationen entwenden. Auch Propagandaspezialisten sind im Einsatz. Der jüngste Hackerangriff in Frankreich zeigt, dass längst nicht alle angeblich gehackten Infos, die veröffentlicht werden, wahr sind.

Die Datenbombe für Macron bestand zum Teil aus echten, zum Teil aus gefälschten Dokumenten. Hätten Medien diese Infos unreflektiert veröffentlicht, hätten sie sich zum Komplizen gemacht und "Fake News" verbreitet. Erreicht haben die Hacker dieses Ziel nicht, in Frankreich verzichteten Zeitungen wie die renommierte "Le Monde" auf Veröffentlichungen zur Hackerattacke auf Macron. Doch schon der Versuch, mit gefälschten Dokumenten bestimmte Debatten vom Zaun zu brechen, spricht Bände.

Denn: In der Politik gewinnt, wer der Debatte seinen Stempel und seine Themen aufdrückt. Und wer womöglich unmittelbar vor einer Wahl mit dem Richtigstellen von Falschmeldungen beschäftigt ist, tut sich schwer, außerhalb dieses von außen erzeugten Themenkomplexes wahrgenommen zu werden. Erst recht, wenn - und hier kommen die "Trollfabriken" ins Spiel - ein Netzwerk dubioser Nachrichtenseiten und Hundertschaften in den sozialen Netzwerken die Falschnachricht als Faktum darzustellen versucht.

Politiker manipulieren die Meinung auch selbst
Nun täte man der Politik aber Unrecht, würde man davon ausgehen, dass ausschließlich ausländische Geheimdienste Meinungsmache und Wahlmanipulation im Internet betreiben. Urnengänge wie die US-Wahl oder die "Brexit"-Abstimmung im Vorjahr haben gezeigt, dass auch die Wahlkämpfer selbst nicht vor unlauteren Mitteln im Cyberspace zurückschrecken. Sowohl bei der "Brexit"-Abstimmung, als auch bei der US-Wahl hat sich gezeigt, dass gegensätzliche Lager versuchen, die Themenführerschaft in sozialen Netzwerken maschinell an sich zu reißen.

"Social Bots", also Computerprogramme, die dafür programmiert wurden, sich menschenähnlich zu verhalten und sozialen Netzwerken eine Meinung aufzudrücken, sind für manch eine Partei ein so logisches Wahlkampfinstrument wie der Dreiecksständer. In Großbritannien hat das "Brexit"-Lager im großen Stil mit Bots Stimmung gegen die EU gemacht, Donald Trumps Twitter-Gefolgschaft bestand zu Wahlkampfzeiten zu etwa einem Drittel aus Social Bots. In Deutschland hat die AfD angekündigt, im Wahlkampf mit Social Bots Meinungsmache betreiben zu wollen.

Wie viel Desinformation verträgt der Wähler?
Prinzipiell eine logische Entwicklung. Ein Wahlkampf ist immer ein Krieg der Emotionen und nicht unbedingt eine sachliche Debatte auf der Suche nach der Wahrheit. Da werden von Parteien selbst Facebook-Fans gekauft, am Wahltag SMS-Bomben verschickt, Videos gestellt oder niedliche alte Fotos ausgegraben, die den Kandidaten ins rechte Licht rücken sollen.

Hacker und Desinformationskampagnen fügen dem nun aber eine neue Komponente der Manipulation hinzu. Offen bleibt die Frage, ob die Bürger im Informationsnebel des Internets in der Lage bleiben, solche Manipulationsversuche zu erkennen und sich trotz allem eine fundierte Meinung zu bilden.

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