Ex-Teamchef

Austria-Legende Karl Stotz feiert 90. Geburtstag

Sport
27.03.2017 15:31

Er ist einer der besten Verteidiger in der Geschichte des österreichischen Fußballs. Im Kopfball- und im Stellungsspiel Weltklasse. Zentrale Figur in der Decker-Ära Anfang der 1960er Jahre. Mit der Wiener Austria holte er viermal den Meistertitel, zweimal den Cup und führte als Teamchef Österreich 1982 zur Fußball-WM, an der er dann nicht teilnehmen durfte. Karl Stotz ist heute 90 Jahre alt geworden.

1987 war es dann genug. Karl Stotz hatte mit 60 Jahre zum letzten Mal die Wiener Austria betreut. Mit Gattin Sylvia packte er seine Koffer und zog nach Seefeld in Tirol, wo er auch heute noch lebt. Vor sechs Jahren erlitt er ein tragisches Schicksal. Ein Schlaganfall lähmte in halbseitig. Seitdem ist Stotz auf einen Rollstuhl angewiesen. Zweimal wöchentlich geht er mit kräftigen Burschen "spazieren". Die Natur liebt er nach wie vor. Am Tag vor seinem Schlaganfall spielte der leidenschaftliche Golfspieler noch eine 18er-Runde und wanderte danach noch auf die Wildmooser Alm. "Ich hab ihn vor einigen Wochen gefragt", erzählt Rudi Rappel, ehemaliger Mitspieler bei der Wr. Austria in den 1950er Jahren, "wieviele Runden Golf wir heuer spielen werden. Und er hat gesagt: Naja, nicht viel, aber hin und wieder wird es sich schon ausgehen." Den Humor hat Karl Stotz nicht verloren.

Am 27. März 1927 wird Karl Stotz in Wien-Favoriten geboren. Mutter Barbara war Köchin im Hotel Imperial, aber "das beste Schnitzel hat der Vater gekocht", erzählt Stotz Jahre später. Vater Andreas starb früh, eine Art Ersatzvater fand Stotz in Alois "Papa" Watzinger, der nach seinem Tod auch im Stotz-Familiengrab beigesetzt wurde. Watzinger, der Trainer des FC Wien hatte einen legendären Ruf, Talente aufzuspüren. Spätere Teamspieler wie Walter Zeman, Franz Golobic, Bobby Riegler oder Pepi Hamerl gingen durch seine "Schule". Und auch Karl Stotz.

In den letzten Kriegstagen des zweiten Weltkriegs wurde der 18-jährige Stotz eingezogen. Auf dem Weg an die Ostfront wurde er gefangengenommen. Monate später kam er im Kriegsgefangenenlager in Stalingrad an. Von 5000 Gefangenen starb die Hälfte an Typhus. Stotz arbeitete in einer Traktorenfabrik, magerte auf 48 Kilo ab. Der Fußball sollte sein Lebensretter werden. Der Lagerkommandant war ein ausgesprochener Fußballfan und gründete eine Lagermannschaft. Beim Vorspielen sah Stotz seine Chance. Und tatsächlich war der Kommandant so angetan, dass er Stotz  im Team aufnahm. Was auch bessere Verpflegung bedeutete. Stotz kam wieder zu Kräften und 1948 wieder nach Hause.

558 Spiele für die Wiener Austria
Zu Saisonbeginn 1948/49 fand man den jungen Stotz im Kader der Reserve-Mannschaft wieder. Bis vor einem Spiel gegen die Wr. Austria sieben Stammspieler des FC Wien revoltierten. Trainer Watzinger ließ nicht mit sich feilschen, schmiss die sieben aus den Kader und füllte ihn mit Nachwuchsspielern wieder auf. Darunter auf Karl Stotz, der eine Top-Leistung bot. Was ihm 1951 auch den Wechsel zur Wr. Austria ermöglichte. 558 Spiele bestritt er bis 1963 für die Wiener Violetten. Vier Meistertitel und zwei Cupsiege standen zu Buche. Rudi Rappel erinnert sich an die Südamerika-Tournee im Winter 1954/55. "Ich war ein junger Spieler und mit allen von der Kampfmannschaft per Sie. Karl Stotz war der Erste, der mir das Du angeboten hat." Der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. "Er ist ein Sir. Auf und abseits des Feldes", sagte Rappel. "Tacklings nutzte er selten. Sein Stellungsspiel war Weltklasse."

Stotz war auch anders. Er bildete sich weiter, ging ins Burgtheater, um seine Sprache zu verbessern und arbeitete als Vertreter für Rechenmaschinen, dann für Computer. Für das ÖFB-team bestritt Stotz 42 Spiele und erzielte ein Tor. Bei der WM 1954 war er noch Reservist, zur WM 1958 schoss er Österreich mit einem Gewaltelfer in der letzten Minute beim 3:2 gegen die Niederlande.

"Seine Abseitsfalle war legendär"
Erst in der Decker-Ära in den frühen 1960ern, mit schon über 30 Jahren, blühte er im Team richtig auf. Bot eine Weltklasse-Leistung nach der anderen. "Er war wahrscheinlich der kopfballstärkste Verteidiger Österreichs", sagt Rappel. Wenn nicht der Welt. 1955 wurde er ins FIFA-Weltteam einberufen, dass von seinem Teamkollegen Ernst Ocwirk angeführt wurde. Kam aber nicht zum Einsatz. "Auch seine Abseitsfalle war legendär", erinnert sich der ehemalige ORF-Reporter Hans Huber über Stotz. Rappel ergänzt: "Wenn er die Hand gehoben hat, aber sich danach an die Nase gefasst hat, wusste ich, dass es ein Schmäh war."

Als Trainer holte er mit der Wiener Austria einen Meistertitel (1975/76) und einen Cupsieg (1976/77). Dann kam der Ruf des ÖFB. Nach der WM 1978 wurde Stotz Teamchef. Die legendäre Cordoba-Mannschaft mit Krankl, Prohaska, Pezzey und Co. spielte unter ihm den besten Fußball einer österreichischen Nationalmannschaft in der jüngeren Vergangenheit. Scheiterten sie noch knapp an der EM-Quali 1980, qualifizierte sich die Mannschaft noch souverän für die WM 1982.

Von Sekanina ausgebootet
Was folgte, war Stotz wohl bitterste Niederlage. ÖFB-Präsident Karl Sekanina wollte - im Irrglauben Ernst Happel aus Hamburg loseisen zu können - Stotz los werden. Und drehte ihm einen Strick, dass Stotz den Teamchefposten für private Geschäfte nutzte. Stotz wurde entlassen, Happel (ein langjähriger Freund des Teamchefs) sagte ab. Stotz klagte und bekam als Entschädigung knapp eine Million Schilling. Das Geld konnte aber den Verlust der WM in Spanien nicht aufwiegen. Das positivste an der Teamchef-Ära: Stotz lernte in dieser Zeit seine zweie Frau Syliva kennen, die als Direktorin im Hotel President arbeitete, in dem auch das Nationalteam logierte.

Lange war der Name "Sekanina" ein rotes Tuch im Hause Stotz. Heute hegt er keinen Groll mehr. Äußert sich gar nicht. Auch nicht zum gegenwärtigen Fußball. "Den Fußball von heute mit dem von damals zu vergleichen, das geht nicht", sagte er einmal. Ins 90-Jahre-Team der Austria wurde einer der besten Verteidiger unsrer Geschichte noch gewählt. Im 100-Jahre-Team haben Stotz die Fans bereits vergessen. Langjährige Freunde wie Rudi Rappel aber nicht. "Ich wollte ihn besuchen fahren, aber das wäre zu anstrengend für ihn geworden", sagte sein ehemaliger Mitspieler. So gibt es Gratulationen aus der Ferne. Gefeiert wird im Kreise seiner Liebsten.

Clemens Zavarsky

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(Bild: KMM)



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