EU-Zukunftsdebatte

Osteuropa hat Angst vor “zweitem Eisernen Vorhang”

Ausland
10.03.2017 21:16

Seit Monaten brütet die Europäische Union über ihrer Zukunft. Geschockt von der abrupten Abkehr der Briten glauben viele, dass es so nicht weitergehen kann. Aber in welche Zukunft soll die EU geführt werden? Bei Beratungen der 27 EU-Staats- und -Regierungschefs in Brüssel am Freitag wurde deutlich, dass der Ansatz eines unterschiedlichen Tempos bei der Zusammenarbeit umstritten ist. Vor allem osteuropäische Mitglieder haben Angst, durch einen "neuen Eisernen Vorhang" isoliert zu werden.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versucht zu beruhigen: "Das ist nicht die Absicht." Er wolle "keine neue Trennlinie". Das Szenario mehrerer Geschwindigkeiten sage nur, dass "die, die mehr tun möchten, mehr tun können". Das sei ohne Vertragsänderung möglich. Außerdem existiere diese Möglichkeit bereits im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit und nicht nur bei Euro und Schengen. In der Eurozone gingen zehn Staaten der Währungsunion bei der Finanztransaktionssteuer voran, beim Scheidungsrecht hätten 17 Staaten mitgemacht, beim Europäischen Staatsanwalt ebenfalls.

Polen: "Lehnen Europa verschiedener Geschwindigkeiten ab"
"Wir lehnen jegliche Gespräche über ein Europa verschiedener Geschwindigkeiten ab", sagte die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo am Freitag. Polen werde "keinen Schritten zustimmen, die die Integrität des Binnenmarktes, des Schengenraums und der EU selbst gefährden", so Szydlo. Bereits am Donnerstag hatte Polen für einen Eklat gesorgt, als es als einziges der 28 EU-Länder die Wiederwahl des Polen Donald Tusk zum Ratspräsidenten blockierte.

Die Diskussionen in Brüssel hatten das Ziel, Leitlinien für eine Erklärung zu entwickeln, die zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge am 25. März in der italienischen Hauptstadt verabschiedet werden und die Zukunft der EU umreißen soll. Mit den Verträgen wurde die Grundlage für die Staatengemeinschaft geschaffen.

Kern: Rechtspopulismus am absteigenden Ast
Österreichs Bundeskanzler Christian Kern zeigte sich zuversichtlich: Die EU weise erstmals seit acht Jahren in allen Ländern ein Wirtschaftswachstum auf und Millionen neuer Jobs seien entstanden. "Das müssen wir auch selbstbewusst zur Kenntnis nehmen und darauf aufsetzen." Angesprochen darauf, ob es nicht in Richtung eines Zerfallsprozesses der EU gehe, winkte der Kanzler ab: "Nach Trump und Brexit erleben wir eher das Gegenteil. Die Chancen sind besser denn je. Wir brauchen europäische Antworten." Auch den Rechtspopulismus sieht der Kanzler auf dem absteigenden Ast.

Ob das nur Zweckoptimismus ist, wird sich spätestens nach den mit großer Spannung erwarteten Wahlen in den Niederlanden (nächste Woche) und in Frankreich (im April) zeigen. In beiden Ländern haben die Rechtspopulisten unter der Führung von Geert Wilders bzw. Marine Le Pen Chancen, an die Macht zu gelangen.

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