Schauspielhaus

Graz erlebt ein hochbrisantes Theaterereignis

Steiermark
04.03.2017 15:07

Ein Abend, der sein Publikum fordert und mit jeder Menge Fragen und Diskussionsstoff nach Hause schickt, ist dem Duo Jan-Christoph Gockel und Michael Pietsch am Grazer Schauspielhaus gelungen. "Der Auftrag: Dantons Tod" verknüpft die Texte von Georg Büchner und Heiner Müller zum hochbrisanten Theaterereignis.

Die französische Revolution gilt als Wiege der Moderne, Abgesang auf den Absolutismus, Geburtsstunde der Bürger- und Menschenrechte. In Zeiten, wo all das wieder zur Debatte steht, könnte man kaum ein aktuelleres Unterfangen auf der Bühne angehen, als sich mit Revolutionen und deren Scheitern auseinanderzusetzen. In Graz tut das Regisseur Jan-Christoph Gockel mit seinem Team (Bühne: Julia Kurzweg, Kostüme: Sophie du Vinage), in dem er zwei gewaltige und sehr kritische Texte zu diesem Thema zusammenspannt: Georg Büchners "Dantons Tod" als (Puppen-)Theater auf dem Theater und Heiner Müllers "Der Auftrag" als passendem Rahmen.

Dass die beiden Texte nicht lange voneinander getrennt bleiben, überrascht nicht. Geht es bei Büchner noch um eine kritisch distanzierte Erkundung der Revolution, schickt Müller drei Emissäre des französischen Konvents nach Jamaika, um dort einen Sklavenaufstand anzuzetteln, Und lässt sie nach der Machtübernahme Napoleons im Regen stehen.

Pures, gewaltiges Theater mit großartigem Ensemble
Was nach intellektueller Spielerei klingt, entpuppt sich als pures, gewaltiges Theater. Mit allen Mitteln vom bewährten Figurentheater (Puppenbauer Michael Pietsch ist seit vielen Jahren Gockels kongenialer Bühnenpartner) zur Live-Musik, von Videosequenzen zum Durchbrechen der vierten Wand wird hier das Scheitern der Ideale ausexerziert und die folgende Anarchie lustvoll zelebriert.

Die Themenpalette ist riesig. Neben der Revolution und ihren Begleiterscheinungen - die pervertierten "Wir sind das Volk"-Rufe kennen wir zur Genüge - bieten auch Verrat, Kolonialismus und Kulturimperialismus viel Diskussionsstoff.

Drei Stunden höchste Konzentration
Das herausragende Ensemble trägt wesentlich zum Gelingen dieses Unterfangens bei. Die Emissäre Julia Gräfner (unfassbar wandelbar), Florian Köhler und Komi Mizrajim Togbonou, Michael Pietsch und Raphael Muff als Erzähler und Puppenspieler sowie Evamaria Salcher (nicht nur) als Engel der Verzweiflung halten die Spannung hoch.

Auch wenn dieser hochpolitische Abend drei Stunden höchste Konzentration einfordert und mitunter Längen hat, ist er ein gewaltiger Denkanstoß in viele Richtungen. So kann und soll Theater heute wieder sein!

Michaela Reichart, Kronen Zeitung

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