Satiriker vs Erdogan

Gericht entscheidet über Böhmermanns Schmähgedicht

Medien
07.02.2017 09:04

Fast ein Jahr nach der Ausstrahlung des Schmähgedichts des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan will das Hamburger Landgericht am Freitag seine Entscheidung zur zivilrechtlichen Zulässigkeit verkünden. Erdogan will per Unterlassungsklage erreichen, dass es nicht erneut öffentlich vorgetragen wird. Dagegen wehrt sich Böhmermann.

Bereits seit Mai vergangenen Jahres ist es Böhmermann aufgrund einer vorgeschalteten Eilentscheidung der zuständigen Kammer verboten, zahlreiche umstrittene Passagen des Gedichts zu wiederholen. Der Beschluss im sogenannten Hauptsacheverfahren, in dem die Richter die Angelegenheit noch einmal genau überprüfen, wird diese Entscheidung nun ersetzen.

Auch sie wird aber nicht zwingend eine endgültige Klärung herbeiführen. Die unterlegene Seite kann das Urteil anfechten. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz kündigte während des Hamburger Verfahrens bereits an, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.

Das Ende März 2016 in Böhmermanns ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" vorgetragene Gedicht hatte hohe Wellen geschlagen und Erdogan veranlasst, an verschiedenen Fronten juristisch tätig zu werden. Er erstattete eine Anzeige wegen Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft Mainz kam später allerdings zu dem Ergebnis, dass keine Beleidigung im strafrechtlichen Sinn vorliegt. Auch eine Beschwerde Erdogans gegen diesen Beschluss blieb erfolglos.

"Schmähend und ehrverletzend"
Zugleich klagte der türkische Präsident vor dem Hamburger Landgericht zivilrechtliche Unterlassungsansprüche gegen Böhmermann ein, welche die zuständige Kammer per Eilentscheid in großen Teilen gewährte. Bestimmte Teile des Gedichts nahm sie davon jedoch auch aus.

In ihrer damaligen Entscheidung bezeichneten die Richter insbesondere jene Passagen des Gerichts als "schmähend und ehrverletzend", in denen es sexuelle Bezüge gab. Zwar gelte für Satire ein großzügigerer Maßstab, diese Zeilen und andere Passagen mit religiöser Verunglimpfung und rassistischen Vorurteilen überschritten allerdings das zulässige Maß.

Während sich Erdogans Rechtsanwalt Michael-Hubertus von Sprenger angesichts dieser Bewertung des Gerichts zum Auftakt des Hauptverfahrens zuversichtlich gab, verteidigte Böhmermanns Prozessbevollmächtigter Schertz es als durch die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes geschützten künstlerischen Beitrag. Die vorangegangene Eilentscheidung des Gerichts nannte er rechtlich unzulässig.

Politische Kontroverse
Die Vorgänge um das Schmähgedicht hatten auch für politische Kontroversen gesorgt. Die Bundesregierung geriet in die Kritik, weil sie die strafrechtlichen Ermittlungen nach Erdogans Anzeige bei der Staatsanwaltschaft genehmigte. Diese fußten auf dem Paragrafen 103 des Strafgesetzbuchs, der für die Beleidigung ausländischer Staatschefs geschaffen worden war. Er soll zum 1. Jänner 2018 abgeschafft werden. Künftig müssten sich entsprechende Klagen dann auf den normalen Beleidigungsparagrafen des Strafgesetzbuchs beziehen. Ein Unterschied besteht dabei insbesondere im Strafmaß.

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