Auf Paket geeinigt

Was uns die Regierung als Erfolg verkaufen will

Österreich
29.01.2017 23:34

Sieben Tage hat die Regierung mit viel Aufwand und noch mehr Drama um die Erneuerung ihres Arbeitsprogramms gerungen. Ob Ergebnis und Wirkung in einem vernünftigen Verhältnis zum Aufwand stehen, wird sich erst zeigen. Am Sonntagabend gab ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner jedenfalls bekannt, dass man sich auf ein Paket geeinigt habe. Was vom "Plan A" des SPÖ-Kanzlers und dem "Österreich-Pakt" des ÖVP-Finanzministers am Ende geblieben ist, werden die Spitzen der Koalition so oder so als Erfolg verkaufen.

Eine erste Beurteilung des Ergebnisses der Regierungsverhandlungen lässt den Schluss zu, dass das jetzt aktualisierte und erweiterte Programm der Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2018 letztlich deutlich besser als erwartet ausfiel.

Das Misstrauen, das dem erneuerten Koalitionspakt entgegenschlägt, hat sich die Regierung allerdings selbst zuzuschreiben. Vor allem durch die von Bundeskanzler Christian Kern mit großem Getöse am 11. Jänner inszenierte Präsentation des SPÖ-Reformplans sind enorme Erwartungen geweckt worden.

Im Vergleich dazu hat der in einem weitaus bescheideneren Rahmen am 16. Jänner von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) vorgestellte "Pakt für Österreich" das Maß der Veränderungen speziell in Hinblick auf die Finanzierbarkeit wieder auf den Boden gebracht.

Mehr als zwei Dutzend SPÖ/ÖVP-Vereinbarungen
Dieser Mix aus Erwartungen und budgetärem Realismus spiegelt sich auch in den mehr als zwei Dutzend Vereinbarungen zwischen SPÖ und ÖVP wider. Es sind letztlich weniger oder kaum klassisch sozialdemokratische Forderungen, sondern überwiegend pragmatische bzw. wirtschaftskonservative Notwendigkeiten moderner Prägung, die in den kommenden Monaten umgesetzt werden sollen.

Von halber Flugabgabe bis zu Ökostrom-Gesetz
Eine Aufzählung sämtlicher geplanter Maßnahmen würde hier den Rahmen sprengen. Schließlich finden sich in dem Gesamtplan auch Details von der Halbierung der Flugabgabe bis zu einem Ökostrom-Sammelgesetz zur Stärkung des ländlichen Raums.

Für die Mehrheit der Bevölkerung schon weitaus entscheidender sind allerdings andere, umfassendere politische Vorhaben, auf die sich SPÖ und ÖVP einigen haben können:

  • Etwa ein Beschäftigungsbonus. Das bedeutet, dass für jeden zusätzlich geschaffenen Arbeitsplatz ab Juli 2017 dem Unternehmen in den nächsten drei Jahren 50 Prozent der Lohnnebenkosten erstattet werden.
  • Die Abschaffung der sogenannten kalten Progression nach dem "Schelling-Modell", mit der jeder Steuerzahler automatisch entlastet wird. Ab fünf Prozent aufgelaufener Inflation werden die ersten beiden Tarifstufen in den Intervallen 11.000 bis 18.000 Euro sowie 18.000 bis 25.000 Euro automatisch indexiert. Damit werden rund 80 Prozent der kalten Progression automatisch ausgeglichen.
  • Die steuerliche Forschungsprämie für Unternehmen wird erhöht.
  • Der Zuzug auf den österreichischen Arbeitsmarkt wird insofern beschränkt, indem Arbeitsmarktprüfungen eingeführt werden. Das heißt: Nur wenn sich für eine Stelle kein geeigneter in Österreich gemeldeter Arbeitsloser findet, kann der Job ohne Einschränkungen vergeben werden.
  • Rechtliche Maßnahmen gegen die Gewinnverschiebungen ausländischer Konzerne, vor allem im Onlinebereich. Ziel ist eine effizientere Besteuerung.
  • Im Bildungsbereich wird die von der ÖVP seit Langem verlangte und nun auch seit Kern von der SPÖ verfolgte Studienplatzfinanzierung mit ausgebauten Zugangsbeschränkungen umgesetzt. Dafür soll die Studienbeihilfe ausgebaut werden. An den Schulen sollen - allerdings erst später, vermutlich 2020 - Gratis-Laptop und Gratis-Tablet einziehen.
  • Eine Lockerung soll es beim Arbeitnehmerschutz - Stichwort Entbürokratisierung - sowie beim Kündigungsschutz für ältere Über-50-Jährige geben. Die Regierung will deren Anstellungschancen erhöhen.
  • Auch ein neues Integrationsgesetz mit Vollverschleierungsverbot bzw. Burkaverbot im öffentlichen Raum sowie Kopftuchverbot für Exekutive, Richter und Staatsanwälte ist vorgesehen. Neben der Einführung eines Integrationsjahrs - ein expliziter Wunsch der SPÖ - soll es für Asylberechtigte auch die Verpflichtung zu gemeinnütziger Tätigkeit geben. Bereits am Vortag hatte sich Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) über die Umsetzung einiger von ihm verfolgter Verschärfungen im Fremdenrecht gefreut, etwa mehr Überwachung für Dschihad-Heimkehrer sowie eine ausgeweitete Video-Überwachung.
  • Holpriger läuft es hingegen bei Arbeitszeitflexibilisierung und dem flächendeckenden Mindestlohn in der Höhe von 1500 Euro. Diese Fragen sind vorerst an die Sozialpartner delegiert worden, die bis Juni eine Lösung ausarbeiten sollen.

Bevor das kommt, fehlen aber noch Unterschriften, Gespräche mit dem Bundespräsidenten und in den Parteigremien.

Claus Pándi, Kronen Zeitung/krone.at

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