Lasset uns lärmen!

Amplifiers “Insider”

Musik
12.10.2006 01:36
Er ist das Um, das Auf und das Herzstück einer jeden Gitarrenband: der Verstärker. Der Gitarrist muss mit seinem „Amp“ verwachsen sein, ihn kennen und die in sein innerstes Trommelfell flüsternde Bestie bändigen, die die Endstufe am liebsten so laut aufdrehen will, dass Schlagzeuger ihr eigenes Bumm-Tschack nicht mehr hören und Studiotechniker am alles niederbrüllenden Monstrum im Aufnahmeraum verzweifeln. Wahre Meister im kompromisslosen Verstärken sind Sel Balamir, Neil Mahony und Matt Brobin von „Amplifier“ – vielleicht haben sie deswegen gleich die ganze Band „Verstärker“ genannt…
(Bild: kmm)

Ihre Waffen: Endstufen, Boxen, Effektgeräte, Computer und Hochspannungsgeneratoren. Das Ziel: Ultimativer Sound, der drückt und drückt und drückt. Ihre Gegner: schwache Stromkreise, dünne Kabel und der Teufel in Gestalt des Kurzschlusses. Man spürt es, wie der FI-Schalter im Zählerkasten zittert, wenn man Amplifiers Neuling „Insider“ anschmeißt.

Während ihr Debütalbum „Amplifier“ von den Kritikern noch mit Worten wie „Sound, der sich im warmen Sonnenlicht badet“ umschrieben wurde, hat bei „Insider“ dichter Nebel den Himmel verdunkelt. Der Tempelvorhang ist in Fetzen gerissen und wenn Gitarrero und Sänger Sel Balamir beim instrumentalen Opener „Gustav’s Arrival“ die extratief gestimmte Klampfe bis zur Schmerzgrenze rückkoppeln lässt, dann merkt man, dass ihm das überhaupt nicht leid tut.

Was „Amplifier“ macht, ist genremäßig wahrscheinlich am ehesten Rock mit starker Tendenz zum Metal oder Progressive à la TOOL. Aber eigentlich ist es eine treibende, düstere und von Effekten überladene, nukleare Soundwolke, in der sich dann und wann auch eine Stimme zu Wort meldet und die Existenz der Menschheit mit gepressten aber melodischen Lauten in Frage stellt. Oktavierte Unisono-Parts von E-Gitarre und Bass, schnelle, temporeiche Riffs und Schlagzeug-Salven, hart an der Grenze zum Dauerfeuer, sind die Markenzeichen der Band, die aus einem Engländer, einem Waliser und einem Iren besteht.

Zur Ruhe kommen Amplifier auf „Insider“ kein einziges Mal. Auf „Mongrel’s Anthem“, dem vielleicht melodischsten Track des Albums, klingen sie noch am ehesten „ermutigend“; wenngleich Zeilen wie „Some people will love you, and some will hate you“ oder ein der Erkenntnis ebenso wenig auf die Sprünge helfendes „Well, some people make things and others destroy things“ wenig Trost aufkommen lassen. Das darauffolgende „RIP“ natürlich auch nicht.

Der Mystik von Moll und Dur und energisch zelebrierten Akkordfolgen mit ein paar abrupten Stop-and-Goes geben sich Amplifier auf den besten Tracks „Elysian Gold“ und „Hymn Of The Aten“ hin. Die Riffs von Sel Balamir und spannen sich von asiatisch anmutenden Zupf-Staccatos über derbe Heavy-Metal-Schrammeleien bis hin zu orientalischen Melodien. Man hört auch einen verzerrten Sitar heraus.

Die Musik von Amplifier ist härtester Rock von Effekttüftlern, die lieber noch ein Groupie von der Bettkantestoßen, bevor sie ihren Marshall von der Doppelbetthälfte verbannen. Eines ist sicher, in Sachen Verstärker und brüllenden Besiten muss man ihnen garantiert nichts vormachen. Lasset uns lärmen – bis zum Kabelbrand, wenn’s sein muss…

8 von 10 verstärkten Lautstärke-Junkies

Christoph Andert

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