Nach Terroranschlag

12 Tote in Berlin: Tunesier im Visier der Polizei

Nachrichten
21.12.2016 11:40

Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin fahnden die Ermittler unter Hochdruck nach dem womöglich bewaffneten Täter sowie etwaigen Komplizen. Am Mittwochvormittag dann eine heiße Spur: Nach Informationen von "Spiegel Online" wurde im Todes-Lkw ein Ausweisdokument gefunden. Es ist auf einen Tunesier ausgestellt. Nach dem Mann werde nun deutschlandweit gefahndet, hieß es.

Im Fußraum des Führerhauses des Lkw, der am Montagabend in den Berliner Weihnachtsmarkt gerast war, sei eine Duldung mit den Personalien gefunden worden, berichtete "Spiegel Online" am Mittwochvormittag. Das gefundene Ausweisdokument war demnach auf den Namen Anis A. ausgestellt, der Gesuchte wurde 1992 in der Stadt Tataouine geboren. Der Verdächtige soll auch unter zwei Aliasnamen bekannt sein. Der junge Tunesier sei der Polizei wegen Körperverletzung bekannt, konnte aber noch nicht angeklagt werden, weil er untergetaucht ist, berichtete die "Bild"-Zeitung.

Bereits zuvor hatte der Sender "RBB" berichtet, in den frühen Morgenstunden habe es eine weitere Festnahme gegeben. Der Verdächtige sei aber wieder freigelassen worden. Die Polizei gehe davon aus, dass der Täter verletzt sei. Im Fahrerhaus des Lkw seien DNA-Spuren gesichert worden. Deshalb suche die Polizei sämtliche Krankenhäuser in Berlin und Brandenburg ab.

Innenminister: "Niemand wird ruhen"
Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere versicherte in Berlin, die landesweiten Ermittlungen nach dem blutigen Anschlag mit zwölf Toten und rund 50 teils schwer Verletzten liefen auf Hochtouren. "Niemand wird ruhen, bis der Täter oder die Täter gefasst sind", sagte er am Dienstagabend in der ARD.

Der Vorsitzende des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, erklärte in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner Spezial": "Ich bin relativ zuversichtlich, dass wir in naher Zukunft einen neuen Tatverdächtigen präsentieren können." Vieles könne derzeit nicht verraten werden, aber es gebe "gute Hinweise" und "sehr viele Ansatzpunkte". Die Berliner Polizei habe mehr als 500 Hinweise zu dem Anschlag erhalten. Laut Schulz werten die Ermittler neben Zeugenaussagen DNA-Spuren und Fingerabdrücke aus. Mit GPS-Daten vom Tatabend werde nach dem Handy des Täters gesucht. Auf dieser Basis könne ein Bewegungsbild erstellt werden. "Wir haben viele Möglichkeiten, um die Person auch zu finden", sagte er.

IS reklamiert Anschlag für sich
Über sein Sprachrohr Amak hat der IS den Anschlag für sich in Anspruch genommen. Der Angriff sei demnach eine Reaktion auf die Aufrufe der Terrormiliz gewesen, die Bürger von Staaten der Anti-Terror-Koalition anzugreifen. Sollte sich tatsächlich bestätigen, dass der IS hinter der Tat steht, wäre es der erste islamistische Anschlag mit einer Vielzahl von Todesopfern in Deutschland. Allerdings sei es laut den deutschen Behörden auch möglich, dass der Täter auf eigene Faust handelte.

Pole lieferte sich Kampf mit Attentäter
Dabei hat womöglich der polnische Lkw-Fahrer, der bei dem Attentat auf dem Beifahrersitz saß, sogar noch Schlimmeres verhindert. Seine Obduktion habe ergeben, dass er zum Zeitpunkt des Anschlags noch lebte, berichtete die "Bild". Ein Ermittler habe von einem Kampf gesprochen, auch von Messerstichen sei die Rede. Erschossen worden sei der Mann erst, als der Lkw zum Stehen kam. Nach dem Attentat fand man den Polen tot im Führerhaus. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde er mit einer kleinkalibrigen Waffe erschossen. Von ihr fehlt bisher jede Spur. Der Mann arbeitete für die Speditionsfirma, der der Sattelschlepper gehört.

Das Video zeigt die Szenen nach dem Anschlag:

Zahlreiche Opfer ringen noch mit dem Tod
Der vermutlich entführte Lastwagen war am Montagabend in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz im Herzen Berlins gerast. Einschließlich des Polen starben zwölf Menschen, rund 50 wurden teils lebensgefährlich verletzt. Laut den Behörden konnten - neben dem Polen - bisher erst sechs Tote identifiziert werden. Bei ihnen handelt es sich um deutsche Staatsbürger. 14 Menschen rangen am Dienstagnachmittag noch mit dem Tod.

Heftige politische Debatte nach Blutbad
Nach dem Anschlag nimmt die politische Debatte über die Tat und die Schlussfolgerungen daraus Fahrt auf. So sagte CSU-Chef Horst Seehofer: "Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren." Zu diesem Zeitpunkt gab es allerdings bereits Zweifel, ob der als Verdächtige in Berlin festgenommene Flüchtling wirklich der Täter war. CDU-Vize Armin Laschet kritisierte Seehofer daraufhin für seine Wortwahl: "Was ist denn, wenn der Täter aus dem Inland oder aus einem Nachbarland kommt, wie bei den Anschlägen von Nizza oder Brüssel?", fragte er am Dienstagabend bei "Maybrit Illner spezial". Kurz darauf stellte sich dann tatsächlich heraus, dass der verhaftete pakistanische Flüchtling nicht für das Blutbad verantwortlich ist.

Die CSU bekräftigte auch ihre Forderung nach erweiterten Einsätzen der Bundeswehr im Inneren. Soldaten könnten mit ihrer speziellen Ausbildung und Ausrüstung die Polizei vielfach unterstützen, sagte Florian Hahn, Außen- und Sicherheitsexperte der Partei, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die SPD, die Opposition und auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sind jedoch der Ansicht, dass die Regeln für die Bundeswehr im Inneren ausreichend seien. Verfassungsrechtlich ist ein vorbeugender Einsatz der Bundeswehr ausgeschlossen und ansonsten nur in außerordentlichen Lagen im Zusammenhang mit Katastrophen oder auch mit einer Verkettung verschiedener Terrorlagen denkbar.

Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen nun auch in Wien
Unterdessen hat die Polizei nach dem Anschlag in Berlin vielerorts in Deutschland die Sicherheitsvorkehrungen auf Weihnachtsmärkten verstärkt. Zu den verschärften Maßnahmen gehören auch Durchfahrtsverbote für Lkws, Polizeiautos, die Zufahrtswege versperren sollen, und eine Aufrüstung der Polizisten mit Maschinenpistolen. Unter dem Eindruck des Anschlags in Berlin plant nun auch die Polizei in Wien zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen.

krone.tv fragte Besucher am Wiener Christkindlmarkt: Angst vor Terror?

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