Opfer erzählt

“Als Fünfjährige musste ich nackt im Gang stehen!”

Tirol
17.12.2016 23:55

Jahrezehntelang hat Brigitte H. (63) die traumatisierenden Erlebnisse verdrängt, nun bricht sie ihr Schweigen: Fünf Jahre ihrer Kindheit verbrachte sie in Heimen, die unter der Obhut des Landes Tirol waren, und wurde dort schwer misshandelt. 8000 € erhielt sie als Entschädigung - ein Betrag, der in ihren Augen nicht angemessen ist. Denn andere Opfer bekamen bis zu 20.000 €.

"Mit fünf Jahren kam ich zum ersten Mal in ein Heim. Im Laufe meiner Kindheit war ich in drei Anstalten - und zwar im Mädchenerziehungsheim in Scharnitz, im Städtischen Kinder- und Jugendheim Pechegarten in Innsbruck sowie auf der Kinderbeobachtungsstation in Innsbruck-Hötting", erklärt die 63-jährige Brigitte H.

"Sie steckten mich in Einzelhaft"

Vor allem auf der Kinderbeobachtungsstation unter der Leitung von Maria Nowak-Vogl wurde sie qualvoll behandelt. "Ich habe einmal mit meinem Finger aus dem Marmeladeglas genascht. In den Augen der Leiterin war das schwerer Diebstahl. Sie steckte mich in Einzelhaft", erinnert sich die Tirolerin und ergänzt: "Hinter mir ist eine Eisentür zugefallen. Im Raum gab es ein Holzbrett mit einer kratzenden Filzdecke. An der Wand befand sich ein Abhörgerät. Jedes Mal, wenn ich weinte, kam eine Erzieherin herein, packte mich an meinen Haaren am Pferdeschwanz und sie schleifte mich derart oft über den Lärchenboden, bis ich große, lange Schiefer im Rücken hatte."

Finger in den Kot gesteckt

Dem aber nicht genug: Sie wurde oft mehrere Stunden lang nackt in den Gang gestellt und wurde mit diversen Medikamenten ruhig gestellt. "Und wenn ich an meinen Nägeln gekaut habe, haben sie mir die Finger in Kot gesteckt. Zudem litt ich unter Essensentzug. Fleisch und Wurst gab es nur einmal in der Woche. Sie meinten, dass diese Speisen aggressiv machen würden", schildert Brigitte H. ernüchternd. Bis vor wenigen Wochen hat die 63-Jährige über diese traumatisierenden Erlebnisse geschwiegen. "Nicht einmal mein Mann und meine drei Kinder wussten davon", sagt sie. Erst vor wenigen Wochen entschloss sie sich, ihr Schweigen zu brechen und wandte sich ans Land.

8000 Euro als Entschädigung

Vor rund zwei Jahren erhielt sie eine Entschädigung von 8000 Euro. "Andere Tiroler haben jedoch vom Land bis zu 20.000 Euro bekommen. Doch nach welchen Kriterien diese Auflistung ergeht, ist mir schleierhaft", kritisiert Brigitte H.

Aufgrund von Depressionen nicht mehr arbeitsfähig

Hinzu kommt, dass sie vor zehn Jahren in schwere Depressionen fiel und nicht mehr in der Lage war, zu arbeiten. "Seither beziehe ich eine Invaliditätspension in der Höhe von 500 Euro - also um einiges weniger, als wenn ich bis zum Pensionsalter arbeiten könnte. Und das, obwohl ich nichts verbrochen habe", sagt sie.

FPÖ-Landeschef fordert mehr Geld für Opfer

Für FPÖ-Landeschef Markus Abwerzger sind diese Zustände untragbar: "Soziallandesrätin Baur stehen die meisten finanziellen Mittel zur Verfügung. Doch solche Fälle bleiben auf der Strecke. Hauptsache, sie hat etwa 6,5 Millionen Euro in Traglufthallen investiert, die nun keiner mehr benötigt."

Einige Opfer sind sogar vor das Gericht gezogen. "In den Prozessen wird jedoch beinhart von Verjährung gesprochen", weiß Abwerzger. Er fordert die Verantwortlichen auf, zu handeln: "Ich bin mir sicher, dass mit rund 3 Millionen Euro alle Tiroler Opfer adäquat entschädigt werden könnten."

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